In Nürnberg hat Fernsehkoch Alexander Herrmann ein Zweitrestaurant eröffnet. Das Imperial setzt auf urbanen Chic, laute Elektrobeats und fränkisch-japanische Fusionküche. Ein Paket, das klingt, als habe man keine Mode auslassen wollen. Nach einem üppigen Abend dort fand Josef Wirnshofer jedenfalls: Weniger wäre mehr gewesen.

Wer als Koch etwas auf sich hält, eröffnet heute ein Zweitlokal. Viele bekannte Küchenchefs, von Tim Raue bis Anne-Sophie Pic, bieten ihren Gäste in Ablegern ihrer Stammhäuser Küche zu alltagstauglichen Preisen. "Casual Fine Dining" heißt das dann. Das wirkt lässig, spricht ein breiteres Publikum an, und es rechnet sich. Jedenfalls mehr als das finanzielle Himmelfahrtskommando Avantgardeküche.
Wer als Koch etwas auf sich hält, kocht heute außerdem japanisch. Liest man die Speisekarten von Sternerestaurants in einer beliebigen mitteleuropäischen Großstadt, bekommt man den Eindruck, Gourmetküche sei heute ohne Yuzu, Wasabi und Hamachi vollkommen undenkbar.
Der jüngste Beleg dafür ist das Restaurant "Imperial", das Alexander Herrmann - Franke, Kochshow-Darling und begabter Küchenchef - im vergangenen Herbst in Nürnberg eröffnete. In einem Eckhaus, wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt, vereint der 46-Jährige zwei Konzepte. Im Erdgeschoss liegt das "Fränk'ness", ein Selbstbedienungslokal, das Herzensgerichte wie Burger und Pizza anbietet, vermarktet unter dem Slogan "The Urban Fränkisch Taste", was auch immer das heißen mag. Vielleicht, dass sich das Lokal umstandslos in die umliegenden Burgerläden einfügt? Im ersten Stock bietet das Imperial eine ambitionierte, zeitgemäße Küche an. Bedeutet hier: fränkisch mit japanischem Einschlag. Alexander Herrmanns Chef für beide Küchen ist Michael Seitz.
Das Restaurant ist angenehm zurückhaltend inszeniert. Kein Bohei um den prominenten Chef. Stattdessen soll alles möglichst unverkrampft und, auch hier, urban wirken: Sichtmauerwerk, dunkel gepolsterte Stühle, elektronische Musik. Der herzliche Service führt uns zu einem Tisch direkt neben der offenen Küche. Auch die ist ja so eine Sache. Zeitgemäß und als Gast "live dabei" zu sein, mag mal eine schöne Idee gewesen sein. Wenn die Hauptattraktion der Küchenaktivität dann aber der Geruch von Bratfett ist, der immer mal wieder an den Tisch weht, dann relativiert sich die Attraktion doch schnell.
Wir bestellen das Imperial-Tasting-Menü, fünf Gänge für 95 Euro. Zum Aperitif gibt es zudem sechs Starter vom Wagen, als kleines Einmaleins japanischer Produkte. Das "Crunchy Nigiri", fränkischer Bachsaibling auf gepopptem Reis, wurde mit Soja lackiert und hat eine schöne Süße. Auch die Entenleberschnitte ist interessant. Sie wird nicht mit Brioche serviert, sondern auf Sellerienusskuchen, den die Schärfe von Szechuanpfeffer angenehm triezt. Den Spargelsalat mit Zitronengras veredeln knusprige Tempura-Streusel - ein guter Kontrast zur schmelzigen Limetten-Espuma. Der Spargel kommt aus dem nahen Knoblauchsland, Franken und Japan gehen hier gut zusammen. Was sich schon beim ersten Gang, Lachs-Ceviche mit Schwarzbrot-Crumble und Lauch-Ingwer-Salat, leider nicht mehr behaupten lässt. Für sich genommen schmeckt das alles ganz gut. Zusammen aber ergibt es ein diffuses Durcheinander, das man schnell vergisst. Für die zwei gebackenen Austern, die hier zusammenhanglos auf dem Teller liegen, gilt das Gleiche wie in anderen Lokalen: schade um die Muschel, die man in Fett ertränkt.
Es geht weiter Richtung Japan. Und damit das auch wirklich jeder versteht, kommt der zweite Gang als dreistöckige Bento-Box. Oben wieder Saibling, diesmal nach Teriyaki-Art, mit eingelegten Radieschen und Wasabi-Creme, bei der man aber nur Meerrettich schmeckt. In der Mitte eine Spargelschaumsuppe, die zu viel Sahne und zu viel Salz erwischt hat, weshalb die Hummergarnelen schlicht untergehen. Im untersten Fach wartet ein Schweinebauch mit Miniatur-Kartoffelknödel. Das Wirsinggemüse hat eine überraschende Ingwernote, der Rest schmeckt, nun ja, wie Schweinebauch mit Knödel.
Nach der Bento-Box sind wir einen Moment irritiert. Das Licht wird plötzlich gedimmt, der Ton des Caféketten-Elektro erstaunlich nah an die Nervgrenze gedreht. Soll wohl so sein. Der Service erzählt später, dass seit der Eröffnung vor allem Leute ins Restaurant kämen, die "vor der Disco" noch gut essen wollten. Ach ja?
Aber nun zum Hauptgang, Roastbeef-Sashimi mit Spargel und Kaffir-Limetten-Hollandaise. Das Gemüse hat kräftige Röstnoten, die Soße liefert eine feine Säure, ist aber trotzdem sehr mächtig geraten. Auf die Nussbutterbrösel, die über das Fleisch gestreut wurden, verzichten wir deshalb. Mit dem Teller wird außerdem ein Stück Fettrand vom Roastbeef serviert, der über Nacht bei Niedertemperatur gegart und dann gegrillt wurde. Der Kellner preist ihn an mit den Worten: "Vorsicht, macht süchtig." Diese Gefahr sehen wir nicht, allein schon, weil das Stück binnen Kürze in einem kleinen Fettsee schwimmt.
Japanisches Essen kann fast schwebend leicht sein. Im "Imperial" hält die Küche es eher fränkisch, vor allem was Portionsgrößen und den Einsatz von Butter und Sahne angeht. Während die Musik heftig pumpt, sind wir schon vor den letzten zwei Gängen äußerst satt. Umso mehr freuen wir uns über die frischen Selleriewürfel, die den Ziegenkäse in - was sonst! - Tempura begleiten. Auch die Apfelblüten wirken angenehm an dieser Stelle, werden aber relativiert vom Dessert: Crème brulée, Espuma von weißer Schokolade und Limetteneis mit Schokoladenglasur - alles andere als ein leichter Ausklang.
Am Ende verlassen wir das Restaurant ratlos. Franken und Japan, das könnte funktionieren, wie die Starter angedeutet haben. Leider kam die Küche auf den meisten Tellern über ein lasches Nebeneinander beider Küchenstile nicht hinaus. Auch die "Disco" haben wir uns nach fünf mit Elektrobeats beschallten Gängen gespart. Man muss wirklich nicht jede Mode mitmachen. Ein prima Merksatz übrigens für eine ganze Reihe urbaner Restaurants in diesem Land.