Lokaltermin:Hotel Ritter  Durbach

Das Restaurant im Hotel Ritter in Durbach an der Badischen Weinstraße hat sein klassisches Angebot auf persische Mazidan umstellt. Es schmeckt sogar.

Von Kai Mihm

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Besucher der gehobenen Gastronomie sind längst daran gewöhnt, dass in vielen, vor allem moderneren Restaurants nur noch ein, maximal zwei feste Menüs zur Wahl stehen. Die Argumente dafür leuchten ein: Es erleichtert die Arbeit, es spart Kosten und es ist nachhaltiger, da weniger Lebensmittel auf Vorrat gehalten und womöglich weggeworfen werden müssen. Auch als Gast empfand man zu Beginn des Trends eine gewisse Erleichterung, weil man die Speisekarte nicht mehr mit dem Gefühl zuklappte, jede Menge tolle Gerichte zu verpassen.

Allmählich aber setzt sich bei Gästen wie Köchen die Erkenntnis durch, dass die Qual der Wahl auch eine Freude sein kann. Und manchmal hat man schlicht keine Lust, ein ganzes Menü zu essen, gerade im Hochsommer. Das dachte man sich wohl auch im Hotel "Ritter" im badischen Weinstädtchen Durbach: Im besternten Restaurant des Hauses gibt es seit April nicht mehr zwei feste Menüs, sondern ein umfangreiches À-la-Carte-Angebot. Und weil keine Umstellung heute ohne griffiges "Konzept" auskommt, steht das Ganze unter dem Motto "Mazidan", dem persischen Urbegriff für Mezze, jene kleinen Vorspeisen, die alle zugleich auf den Tisch kommen (Sharing!).

So ganz trifft es das hier nicht, denn die meisten Gerichte auf der Karte scheinen für diese Form des Servierens wenig geeignet zu sein. Zudem wirkt es etwas, nun ja, schräg, an der Badischen Weinstraße in einem Restaurant namens Ritter auf ein orientalisches Konzept zu treffen, wobei viele Speisen eher asiatisch als arabisch klingen. Auch wegen der Rückbesinnung auf Regionalität mag man das unzeitgemäß finden, andererseits bietet es hier eine schöne Abwechslung zur allgegenwärtigen Spätzle-mit-Soß-Seligkeit. Und der Plan scheint aufzugehen, an diesem warmen Sommerabend ist der schöne Garten voll besetzt. Die Stimmung ist lebhaft, zwischen schattenspendenden Bäumen, geschäftigen Kellnern und sanft klirrenden Weingläsern kommt ein fast südfranzösisches Flair auf.

Zur neuen Idee gehört auch, dass alle Speisen einen ähnlichen Preis haben (14 bis 19 Euro) und alle Portionen ähnlich bemessen sind (Zwischengerichtformat). Im Vorwort der Karte werden pro Person vier Gerichte empfohlen - fast schon ein kleines Menü also. Wir beginnen mit einem Tatar vom Freilandkalb, exzellent gewürzt und von Wildkräutern und einem Hauch Ingwer spannend aufgefrischt; Kartoffelchips bringen Crunch, marinierte Steinchampignons verstärken den Umami-Effekt. Sehr klassisch, sehr gut. Ein Stück gegrillter, butterzarter Oktopus mit Fenchelsalat und Ragout von Dicken Bohnen schmeckt wie die Quintessenz mediterraner Sommerküche, nur grätscht ständig eine zu starke Rosmarinwürze vom Bohnenragout dazwischen. Das Dim Sum vom Iberico Schwein mit Miso-Auberginenpüree und gebratenem wilden Brokkoli überzeugt durch ein kräftiges, aber differenziertes Geschmacksbild, die einzelnen Komponenten kommen gut zur Geltung - bei den durchweg intensiven Zutaten eine Leistung.

Weniger gut gelingt das bei der frittierten Zucchiniblüte, deren Füllung aus Hummerfarce geschmacklich blass bleibt; die dazu servierten Hummerstücke sind zwar besser, zart und aromatisch, man muss allerdings aufpassen, dass sie nicht vom fruchtig-süßlichen Sud aus Krustentieren, Wassermelone und Verbene in den Hintergrund gedrängt werden. Ein ähnlicher Effekt stellt sich beim gedämpften Kabeljau mit Papayasalat ein, wo das plakative Kokosaroma eines Tom-Kha-Gai-Suds den ganzen Teller zu dominieren droht.

Nach den asiatischen Ausflügen steht uns der Sinn nach regionaleren Happen - ein Vorteil des neuen Konzepts besteht nämlich darin, die Speisenfolge nicht unbedingt zu Beginn das Essens festzulegen, sondern immer wieder in der Karte zu stöbern. Die Wahl fällt auf den Rehrücken aus heimischen Wäldern, der durch Mole, eine mexikanische Gewürzmischung, einen leicht exotischen, dezent süßen Touch bekommt. Dazu ein mit Mole gewürzter, seidig glänzender Rehjus, samtiges Selleriepüree und milder Sahne-Spitzkohl - zurückhaltende Begleiter, die dem exzellenten Reh seine Rolle als Star des Tellers nicht streitig machen sollen. Ähnlich funktioniert die Zusammenstellung bei der Elsässer Taube. Die hervorragende, leicht knusprig gebratene Taubenbrust ist mit einem getreidig-fruchtigen Ensemble aus Buchweizen, Kirschgel, Kirsch-Crisps, Reiscrackern belegt, dazu gibt es ein Püree von geröstetem (!) Sellerie, eine säuerliche Gewürzkirsche beachtlicher Größe sowie eine dichte, intensive Sauce aus Taubenkarkassen mit Leber und Herz - alles genau auf den Punkt, der beste Gang des Abends.

Bei Reh und Taube, wie auch beim gelungenen kreativen Dessert aus weißer Schokolade, Fenchelgrün und Sauerampfer, schmeckte man am deutlichsten den Spitzenküchenhintergrund von Küchenchef André Tienelt. Auch deshalb wäre "Casual Fine Dining" die passendere Umschreibung für das neue Konzept im "Ritter". Letztlich sind die Begrifflichkeiten aber ganz egal. Es schmeckt und macht Freude. Darauf kommt es an.

In einem Satz

Sharing auf Badisch - lockerere Atmosphäre und kleine, feine Speisen zwischen Asien und Elsass.

Qualität: ●●●○○ Ambiente: ●●●●○ Service: ●●●●● Preis/Leistung: ●●●●○

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