Lokaltermin:Goldene Krone

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Unser Autor glaubt, den Ort gefunden zu haben, an dem die beste Schwarzwälder-Kirschtorte der Welt serviert wird: im Cafe Goldene Krone in Sankt Märgen.

Von Philipp Maußhardt

Auf der nach unten offenen Skala der vertrauenswürdigen Berufe nimmt die Landfrau einen der obersten Plätze ein. Zugegeben: Es geht um einen unspezifischen Begriff, der etwas in die Jahre gekommen ist, dessen Renommee aber bis heute unschlagbar wirkt. Die Arbeitsplatzbeschreibung dürften sich viele in etwa so vorstellen: Die Landfrau ist fleißig, steht früh auf, versorgt das Vieh im Stall und hat, noch bevor sie die Wäsche macht, den Brotteig angerührt. Dazu singt sie ein Lied, das die Jahreszeit preist. Am Abend, wenn der Bauer vor dem Fernseher einschläft, bestickt sie noch Kissenbezüge. Zupackend, wohl genährt und stets gut gelaunt - es gibt Klischees, mit denen es sich schlechter lebt. Der Deutsche Landfrauenverband hat mehr Mitglieder als die Friseurinnung und die Architektenkammern zusammen. Etwa eine halbe Million Landfrauen sind in 12 000 Ortsvereinen organisiert. Und dass man so wenig öffentlich wahrnimmt von ihnen, kann ja nur damit zusammenhängen, dass Landfrauen viel zu viel zu tun haben, um ständig von sich reden zu machen.

Dies nur als Vorbemerkung für einen Ausflug in den Hochschwarzwald, zur "Goldenen Krone" in Sankt Märgen. Schon seit Jahren erzählt man sich über diesen Gasthof in Sichtweite zum Feldberg, dass er von Landfrauen der Region bewirtschaftet würde - und das ganz hervorragend. Die "Goldene Krone" steht in der Ortsmitte gegenüber dem ehemaligen Augustinerkloster und ist tatsächlich goldgelb angestrichen. Der Parkplatz ist an diesem Samstag voll besetzt, die Kennzeichen aus Freiburg und Stuttgart zeugen vom großen Wirkungskreis des Lokals.

Den Gastraum betritt man durch einen Laden. In den Regalen liegen hübsch verpackte Seifen, Pralinen, Marmeladen. Das Herz der Gaststätte steht neben der Theke: eine Glasvitrine, vor der sich Gäste drängeln, für einen Blick auf die Kuchenauswahl. Die Auslage besteht aus Kunstwerken, eins schöner als das andere: Apfeltorte mit Eierlikör, Winterapfelkuchen aus Dinkelmehl, Birnen-Bienenstich, Schneeflockentorte, Käsekuchen, Linzertorte, Sauerkirschkuchen mit Schokostreusel und - natürlich - die Königin der Torten: Schwarzwälderkirsch, SKT.

Die lange Anfahrt über kurvige Straßen aus dem Unterland lässt uns aber, nachdem wir die letzten beiden freien Stühle ergattert haben, erst nach etwas Deftigem fragen: Pastinakensuppe, badische Nudelsuppe und als Hauptgang "Käsemichel". Der Gastraum ist holzvertäfelt, auch er ein Schmuckstück, man mag es nicht glauben, dass der "Goldenen Krone" noch vor 15 Jahren der Abriss drohte. Lange stand sie leer, neue Eigentümer fanden sich nicht. Also schlossen sich die Landfrauen zur Genossenschaft zusammen und nahmen einen Kredit von 1,7 Millionen Euro auf. Der Gasthof wurde von Grund auf saniert - und er brummt vom Tag der Eröffnung bis heute.

Die Nudelsuppe schmeckt, wie sie schmecken muss, wenn auf Instantbrühe und Geschmacksverstärker verzichtet wurde. Man erwartet zunächst ein kräftigeres Fleischaroma, doch in der klaren Rinderbrühe schwimmen nur wenig Fettaugen. Da ist das Suppenfleisch wohl eher mager ausgefallen. Umso kalorienhaltiger ist die nussige Pastinakencremesuppe, verfeinert durch Rinderbrühe und einen Löffel süßer Sahne. Es kommen erste Zweifel, ob wir die Torte später bewältigen. Denn was als "Käsemichel" folgt, wäre in seiner Mächtigkeit eher das Richtige für den hungrigen Hofknecht. Der geschmolzene Bio-Weichkäse, ähnlich rezent wie Münster-Käse, über den sich ein schön geformter Teigdeckel aus Butter-Quark-Teig legt, ist mächtig, die Säure der sehr guten eingemachten Johannisbeeren hilft aber, diesen Hauptgang zu bewältigen.

Am Tresen stehen die Gäste nun Schlange, eine Tischnachbarin klärt uns über den Grund für den Andrang auf: "Wir kommen aus Freiburg und fahren oft hier herauf. Wegen der Schwarzwälderkirsch." Es gebe zwei Varianten, je nachdem, welche Landfrau gerade backe. "Die eine schüttet einen halben Liter Schnaps hinein, die andere stellt die Schnapsflasche nur daneben."

Wenig später liegt es dann vor uns, das Kunstwerk aus sieben Etagen: drei Schichten dunkler Biskuitboden, zwei dünne Schichten Sahne, eine Schicht mit ganzen Kirschen und eine Schicht Kirschgelee. Schon bei der ersten Gabel wissen wir: Es ist die erste Variante. Der Boden ist derart mit Kirschgeist getränkt, dass man nach einem zweiten Stück besser mit dem Taxi zurückfährt. Die Sahne nicht zu süß, der Biskuit locker und mit reichlich Schokolade aufgepeppt - an eine bessere SKT können wir uns nicht erinnern. Hier wird man so schwarzwälderkirschglücklich wie selten. Auch die Rechnung liegt keinem schwer im Magen: 50 Euro für zwei Suppen, Hauptgericht, zwei Gläser Wein, Torten und Kaffee.

Zum Abschied plaudern wir noch mit einer Landfrau am Tresen und wollen jetzt doch wissen, ob die Frauen die Gerichte und Kuchen bei sich zu Hause zubereiten. Alles direkt aus der Bauernhofküche? Da lacht sie. "Das mit den Landfrauen" sei nur ein Gerücht, aber ein sehr hartnäckiges. In der Genossenschaft arbeiteten auch Frauen aus der Stadt mit ganz normalen Berufen. Mit dem Verband der Landfrauen habe das alles nichts zu tun. "Aber mein Mann sagt, wir sollen die Gäste in ihrem Glauben lassen, das sei das beste Marketing."

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