Lokaltermin:Döllerer's Wirthaus, Golling

Andreas Döllerer ist einer der besten Köche Österreichs. Im idyllischen Salzburger Land hat sich Max Scharnigg an seiner Hausmannskost satt und selig gegessen.

Von Max Scharnigg

Andreas Döllerer gilt heute als einer der besten Köche Österreichs. Schon vor den Lorbeeren für sein Lokal hat seine Familie das kleine Dorf Golling zum Ausflugsort für Feinschmecker gemacht. Das urige Herzstück ist bis heute Döllerer's Wirtshaus, wo Max Scharnigg die Gipfel österreichischer Hausmannskost bestieg.

Wo die Berge aussehen, wie ein gegen die Faser aufgeschnittenes Stück Tafelspitz, liegt Golling-Abtenau. Trotz Doppelnamen ist der Ort südlich von Salzburg keine große Sache, würden hier nicht täglich Wunder stattfinden. Zum einen hält, einfach so, der Eurocity von München nach Graz, was einen Ausflug in die hiesigen Berge zu einer simplen Spazierfahrt macht. Und zum anderen hat die Familie Döllerer hier einen mehrere Generationen umfassenden Parcours zum Thema Leibeswohl eingerichtet: Sagenhafter Weinladen, legendäre Metzgerei, Wirtshaus, Superlativ-Restaurant, Delikatessen-Versand und Hotel gehören zu diesem kleinen Imperium.

Vorzeigekoch ist der junge Andreas Döllerer, der im Genießerrestaurant sehr gewissenhaft an seiner Alpine Cuisine arbeitet. Würde man in Österreich Michelin-Sterne vergeben, hingen hier einer bis zwei, so sind es 18 Punkte im Gault-Millau. Dieser Besuch war aber nicht dem Restaurant, sondern dem Mittagstisch im Wirtshaus der kulinarischen Familie gewidmet, das sich im gleichen Gebäude in stimmungsvollen Gewölberäumen erstreckt, mit Blick auf die liebliche Gollinger Hauptstraße. Blitzsauber ist alles in dieser Bilderbuch-Wirtschaft, es rascheln die gestärkten Schürzen, und auch mittags sind die Tische gänzlich reserviert. Familienoberhäupter in Loden dirigieren ihre Sippen samt Hund und Landhaus-Kindern, um sich dann gütlich in der Karte und dem ersten Glas vom fair ausgepreisten Hauswein zu versenken - einem Zweigelt von Pöckl, das Achtel zu 2,50 Euro!

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Wer je einen Mangel an alpenländischer Herzlichkeit verspürt, die schöpft man hier aus großen Töpfen. Die Karte kündet von gehobener Wirtshausküche, aber die dampfenden Teller erzählen eigentlich vor allem von der unbändigen Lust zu essen, die einen beim Döllerer ergreift. Die Rindssuppe (5,50 €) mit ihrer klaren Kraft ist der Auftakt, angereichert mit dreierlei Einlagen - Brätstrudel, Grießnockerl und Speckknödelchen. Ach, denkt man bei jedem Löffel, hätte man eine österreichische Großmutter, das Leben wäre ein einziger warmer Suppentopf!

Der Zwischengang für Unmäßige, mit dem man sich aber als Kenner outet: "Döllerers Frische!" So heißen die Würschtl, die Senior Raimund Döllerer nebst tollem Speck in der kleinen Metzgerei direkt nebenan produziert, und die jetzt von einem flinken Hausburschen im Kupfertopf angetragen werden. Die Menschen kommen von weit her, um die weißen Würste zu kaufen und die Würste selbst fahren auch weit, zum Beispiel nach Wien in die Luxus-Meindl-Filiale am Naschmarkt - einer der feinsten Auftritte, den man als Wurst haben kann. Sie sehen aus wie dünne Weißwürste, aber ein Schnitt beweist schon, dass sie mit der derben Münchner Frühwurst nicht viel gemein haben, keine groben Fettaugen, keine Petersilie, alles nur Schnitzelfleisch, zwei Drittel Kalb, ein Drittel Schwein. Ergebnis: Die Gollinger Weißwurst ist so elegant, dass man zum ersten Mal bei einer Wurst das Verlangen hat, sie mit dem Silberlöffel zu essen.

In einem Satz

Ein Bilderbuch-Wirtshaus mit sehr sorgfältiger Küche und einem gelungenen Spagat zwischen Tradition und Moderne.

Qualität: ●●●●●

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●●

Preis/Leistung: ●●●●●

Beängstigend schnell schwindet in dieser nahrhaften Umgebung das eigene Fassungsvermögen und es gäbe noch so viel auf der Karte, was verlockend ist: Blunzn und Saibling und auch ein echt Wiener Gulasch mit Gurkerl und Frankfurter, das von Stammgästen noch beim Hinsetzen geordert wird. Nun, das kommt alles beim nächsten Mal dran. Bei diesem Besuch erhält die Roulade (15,50 €) vom 50-zu-50-Rind - halb Wagyu, halb Jersey - den Vorzug. Auch weil sie ebenso Furcht einflößende wie appetitlich klingende Begleiter hat: Bergkäsepüree und Speckfisolen. Wieder erscheint ein brachial schöner Teller Hausmannskost, mit dick glänzendem Schmorsud, der sich einen kleinen Bachlauf durch das Püreegebirge bahnt. Gegen solche Postkartenidylle lässt man schon olfaktorisch jede Pinzetten-Küche stehen. Die Roulade ist dann auch auf der Zunge eine Benchmark in Sachen Rindergeschmortes. Das außergewöhnliche Fleisch bröckelt nicht auseinander, sondern zergeht zart, und das eingewickelte Wurzelgemüse hat trotzdem noch Biss und eigenen Charakter. Jetzt aber, das Püree! Starker Käse und Erdäpfel verströmen zusammen ein unvergleichliches Aroma nach warmem Kuhstall. Der Bauch brüllt sein Verlangen nach diesem Stampf beinahe heraus, während der Kopf dafür einen Nährwert errechnet, der ungefähr dem Wochenbedarf einer Familie entspricht. Aber: Eine Wucht, ein Winteressen! Warum allerdings auf der Roulade auch noch Sahne thront, erschließt sich nicht. An weiteren Geschmacksverstärkern besteht kein Bedarf. Rundum sieht man erhitzte Gesichter, und die Kellnerinnen tragen große Töpfe selbst eingemachter Preiselbeeren hinter goldenen Schnitzeln her - gibt es beruhigendere Prozessionen?

Weil man nun schon gänzlich ungeniert ist, lässt man den nicht korrekten Mohr im Hemd gegen die Mohnnudeln mit Getreideeis antreten. Die Mohnnudeln gewinnen, weil sie sich buttersatt direkt in die Seele schlonzen. Besinnungslos steht man nach Stunden von diesem Mittagsessen auf, zahlt einen vergleichsweise freundlichen Betrag für so viel häusliches Glück und reimt beim Rausgehen, specksediert: Döllerer, nie war man völlerer.

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