Lokaltermin:Die Zimberei

Das Restaurant gehört zu den ersten Adressen von Lübeck. Und es zeigt, wie schwer es gehobene Lokale in mittleren Städten oft haben, ein eigenes Profil zu entwickeln.

Von Stevan Paul

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Die Zimberei, gelegen in einem Kaufmannshaus aus dem 13. Jahrhundert, gehört zu den ersten Adressen von Lübeck. Wie gerne hätte Stevan Paul in einem der imposanten Festsäle im hinteren Teil des Restaurants gespeist. Doch das "Buddenbrook-Menü" mit Seezungenröllchen und Plettenpudding wird nur für Gruppen ab 20 Personen serviert. Kein Problem! Denn auch die Abendkarte bietet viel Interessantes, kulinarische Stadtgeschichte inklusive. Vielleicht ist das Angebot am Ende nur ein wenig zu groß.

Es ist einer jener Restaurantbesuche, die viel erzählen über gehobene Gastronomie in Deutschland, in mittleren bis kleinen Städten und jenseits von Sternen und Bestenlisten. Der Sommerabend in Lübeck ist kühl, Touristen in Multifunktionsjacken tragen pralle Tüten mit dem Label der örtlichen Marzipanmanufaktur durch die Altstadt. Sie strömen zum "Kartoffelkeller" - mit Hausmannskost zum kleinen Preis im historischen Gewölbe. Gleich um die Ecke liegt die "Zimberei", ein Restaurant in einem Kaufmannshaus aus dem 13. Jahrhundert und eine der besten Adressen der Hansestadt. Hier sind an diesem Mittwochabend nur drei Tische besetzt, zum Hauptgang werden wir dann alleine im großräumigen Lokal sitzen, das modern im populären Long-Island-Stil eingerichtet ist.

Die Frage nach einer Aperitif-Empfehlung ist so rasch wie überraschend geklärt, Minuten später sitzen wir bei Cinzano Vermouth und Campari Soda (7,50 Euro) über einer Karte, die ebenfalls italienische Momente bereithält ohne sich weiter festzulegen: Im Angebot sind auch französische Merguez, japanisches Thunfisch-Sashimi, Falafel-Bällchen, Salat Niçoise, Garnelen mit Aioli sowie "Alpenschnitzel". Das kann man weltoffen nennen, vielleicht ist es aber auch nur der Versuch, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Die Gefahr ist, dass so ein Angebot schnell beliebig wirkt.

Gastgeberin Carla Zimber öffnet für uns eine Flasche vom 2017er Riesling "Schick und Schön" (35 Euro) der Winzerin Tina Pfaffmann aus dem Frankweiler Königsgarten. Ein guter Wein, goldgelb, mit Frische und Charakter. Die kleine aber klar handverlesene Weinkarte weist den Südpfälzer aus als "wahren Allrounder, der zu allem passt, was das Herz glücklich macht" - bei dem bunten Speiseangebot eine gute Wahl.

Der Gruß aus der Küche ist ein schöner Auftakt: mit Linsen gefüllte Zucchiniblüten mit reifem Parmesan, die Blätter umhüllen zart die perfekt gegarten, mild gesäuerten Linsen. Die Vorspeise des Menüs (drei Gänge 48, vier Gänge 55 Euro), ein "Vitello tonnato Türmchen auf Sommergrün", entpuppt sich als Bauwerk aus transparent dünnen Röstbrotscheiben mit zart rosa gegartem Kalbsfilet-Roastbeef und klassischer Thunfischsoße. Es thront auf einem Berg Salat ,der würzig mariniert ist. Klasse! Beim à la carte Tartar vom "Australia Beef" (15,50 Euro) ahnen wir, dass der rote Faden in Adolf Zimbers Küche sich offenbar entlang der Stilistik schlängelt: Hier wird knackig-frisch gekocht, üppig und pointiert gewürzt. Das Tartar ist handgeschnitten, das Wachtel-Spiegelei dazu heiß, die bunten Beeren im Salat, gerade in Kombination mit Radieschen, sind Geschmackssache.

In einer Espresso-Tasse kommt ein heißes Krustentier-Schaumsüppchen, in seiner süffigen Tiefe eine wunderbare Reminiszenz an die "alte Schule", dazu ruhen auf einem entbehrlichen Klecks modischer Guacamole zwei knackig gebratene Garnelen. Ähnlich kräftig ist die Würze der dunklen Soße zur hausgemachten Pasta mit Pfifferlingen (15 Euro), die Nudeln haben guten Biss, den Pfifferlingen fehlt es an Knack. Vor dem Hauptgang schlendern wir in den hinteren Teil des Hauses, zu jenen opulenten historischen Sälen, die wir schon auf der Homepage bestaunt hatten. Zum Garten öffnet sich eine tolle Terrasse, die an warmen Abenden auch bespielt wird. Carla Zimber erklärt, die Säle für 20 bis 200 Personen gehörten zum Kerngeschäft. Nur hier kann man das traditionelle "Buddenbrook-Menü" bestellen, das uns so interessiert hätte. Leider gibt es Kräuterrahmsuppe, Seezungenröllchen, Schinkenbraten und Plettenpudding erst ab 20 Personen.

Ein Stück kulinarischer Stadtgeschichte wird uns dann doch zuteil, Carla Zimber führt kleine Flaschen vom Lübecker Rotspon. Diese Weine aus dem Bordeaux wurden schon im 16. Jahrhundert in Fässern nach Lübeck verschifft, in der Hansestadt auf Flaschen gezogen und gelagert. Der Lübecker Rotspon des Weinhandelshauses Carl Tesdorpf überzeugt mit einer ausgewogen würzig-fruchtigen Mischung aus Cabernet Sauvignon, Grenache und Syrah (24 Euro für 0,375 ml!). Die zwei papierdünnen Schnitzel dazu halten mit der Güte der vorigen Gerichte nicht mit. Die "Alpenschnitzel" (31 Euro) sind trocken und zu lange ausgebacken. Trendige Süßkartoffeln kommen hier als "Rösti-Pommes" mit extra Panierung, Linderung verschaffen der Zupfsalat und der fruchtige Pflaumenketchup. Dass es besser geht, belegen die fluffig ausgebackenen Involtini vom Tiroler Kalbsfilet: zartes Fleisch unter knuspriger Panier, cremig schmilzt der Bergkäse, konfierte Kirschtomaten und Rauke sorgen für noch mehr Würze. Dazu gibt es süßes Gemüse aus leicht angedörrten Möhren, herrlich intensiv und von feiner Chili-Schärfe, das passt zu Limoncello-Soße und samtigem Kartoffelpüree, das klassisch zur Rosette aufgespritzt und mit knusprigem Lauch getoppt wurde.

Die Desserts sind von nachdrücklicher Süße, es fehlt den Variationen von der Erdbeere auch an Spannung, nichts kitzelt oder fordert, während der mächtige Glas-Cup Marsala-Prosecco-Sabayone "classico", mit Deko-Erdbeere und Show-Physalis zu 11 Euro, in seiner schieren Größe überfordert. Die bunte Karte und die oft üppigen Portionen lassen den Schluss zu, dass man es hier vielen Recht machen will und dabei hier und da vergisst, dass man ja schon viel richtig macht. Mit einem schärferen Profil, dem Vertrauen ins eigene Handwerk und vielleicht einer Prise Lübecker Regionalität wären der Zimberei, gerade auch jenseits der Festsäle, erheblich mehr Gäste zu wünschen.

In einem Satz

Familiär geführtes Restaurant mit frischer, mediterraner Küche, die ihr Potenzial leider nicht ausschöpft.

Qualität: ●●●○○

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●○

Preis/Leistung: ●●●○○

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