Lokaltermin:Die Masseria Barbera erfüllt das wichtigste Motto der italienischen Küche

Masseria Barbera Apulien, Lokaltermin - ACHTUNG: DIESES BILD DARF NUR FÜR DEN TEXT ZUR MASSERIA BARBERA UND FÜR "DAS REZEPT" VERWENDET WERDEN!

Das Restaurant des Landguts Masseria Barbera im Norden des apulischen Nationalparks Alta Murgia verwendet einfache Produkte von herausragender Qualität.

(Foto: Masseria Barbera)

Restaurants in Apulien sind für ihre kulinarischen Wundertaten berühmt. Unsere Autorin hat bei der hochgelobten Masseria Barbera nachgeschmeckt.

Von Katharina Seiser

Einfach gut - so lautet das wichtigste Motto der italienischen Küche. Was das bedeutet, können Gäste der Masseria Barbera in Apulien erleben. Ein Essen im Restaurant des Landguts ist eine Art Gottesdienst für das Produkt. Und jede Zutat hier - vom Olivenöl über den gereiften Ricotta bis zu den süßen Kaki-Früchten - von so herausragender Qualität, dass selbst schlichteste Gerichte zur Delikatesse werden. Die Autorin ergab sich hier einer geradezu himmlischen Völlerei.

Wer durch den Nationalpark Alta Murgia in Apulien fährt, sieht vor allem: Olivenhaine. Bis zum Horizont. Ganz gleich, wohin man gerade den Kopf verrenkt, ob zum Meer oder zum Castel del Monte oder einfach in Richtung der nächsten von vielen Kurven. Zwischen silbriggrauem Laub strahlt ein Teppich aus orangenen Ringelblumen. Hier im Norden des Nationalparks, nahe dem Städtchen Minervino Murge, liegt die Masseria Barbera, über die nicht viel mehr herauszufinden ist, als dass sie im Osterien-Führer von Slow Food gelobt und in der neuen Ausgabe der italienischen Gastrobibel "Gambero Rosso" mit Höchstnoten bedacht wird. Dazu passt, dass über die kulinarischen Wundertaten der Restaurants auf apulischen Gutshöfen zuletzt viel Hymnisches zu lesen war.

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Vor lauter Idylle fährt man am dezenten Hinweisschild auf die Masseria dann erst mal vorbei. Die Einfahrt, der riesige Parkplatz und die dramatisch beleuchteten Ton-Amphoren stimmen skeptisch: Massenausspeisung für verwöhnte Italiener?

Die Masseria selbst erweist sich als Konglomerat von fünf Gutshöfen aus dem 18. Jahrhundert. Der Weg zum Lokal führt über einen großen Hof, dessen Pflanzenvielfalt im Frühling eine Pracht sein muss. Den Eingang findet man nur mit Mühe, folgt schließlich dem Licht hinter den Leinenvorhängen (Lochmusterstickerei!) und dreht zaghaft den alten Schlüssel einer Terrassentür. Von der Vorzimmerdame an einen Kellner übergeben, geht es weiter durch ehemalige Stallungen mit schönen Gewölben, alles perfekt beleuchtet und im Landhausstil eingerichtet, aber mit genau der Portion Raffinesse, die Geschmack verrät. Nun noch vorbei an lauten Gelagen mit Dutzenden Gästen, bis man endlich vor dem reservierten Tisch steht, in einem ruhigeren Raum mit Blick auf einen Patio.

Es gibt ein fixes Menü (40 Euro, Flaschenweine beginnen bei 15 Euro), und es geht sofort los mit Antipasti. Zunächst eine graue Focaccia aus Grano Arso, jenem erst seit wenigen Jahren wiederentdeckten "verbrannten" Weizen, der früher auf dem Feld verblieb und von den Armen eingesammelt werden durfte. Dazu kleine Würfel intensiver Zwiebel-Torta, die ihren exaltierten Geschmack Unmengen süß geschmorter Zwiebeln, Rosinen und Sardellen verdankt, sowie kleine, frittierte, heiße Teigbällchen, die anders als sonstige apulische Brote kaum gesalzen sind. Schnell wird klar, warum nicht: Dazu wird "Ricotta forte" serviert, eine Art Obatzda mit sehr reifem Ricotta - salzig, leicht bitter und cremig. Als Nächstes kommen Platten mit Halbkugeln von frischem Ricotta mit süß-milchigem Aroma, daneben junger Pecorino und getrocknete Fenchel-Salsiccia. Der Käse macht sich auch gut mit dem Vincotto (gekochter Traubenmost mit Dörrfeigen), der wie alter Balsamico aussieht, aber süßer schmeckt. Alles ist von wirklich herausragender Qualität, aber sind die Vorspeisen nicht doch ein wenig schlicht und einfallslos? Was für ein Irrtum!

Denn die Schlichtheit hat Methode. Und es geht einfach immer weiter: Der Hausherr selbst stellt nun Kartoffelstampf mit Stockfisch, gelber Paprika und Petersilie auf den Tisch, dazu dunkelgrünes, sehr kräftiges Olio Novello (Olivenöl der neuen Ernte). Woher? Von der Masseria natürlich, sagt er, lächelt in sich hinein und ist an allen Tischen zugleich präsent wie die bezaubernde Jeannie. Derweil bringen die Kellner im Minutentakt weitere Antipasti, diesmal warme: herrlichen geschmorten Kürbis mit würziger, nicht zu salziger Fonduta (geschmolzener Käsecreme) aus Canestrato Pugliese, einem traditionellen Hartkäse aus Schaf- und Ziegenmilch, garniert mit knusprigen Bröseln, die auch Parmesan des Südens genannt werden. Dann karamellisierte Paprika in allen Farben. Fleischige, gegrillte Cardoncelli-Pilze, eine regionale Kräuterseitlingsart, ebenfalls mit Bröseln. Ein fantastischer Flan aus Ackersenf, Stängelkohl und Brokkoli mit Fonduta. Und natürlich Fave e cicoria - Püree aus Favabohnen mit weich geschmorten Zichorienblättern, eines der vielen apulischen Traditionsgerichte, hier mit ein paar Tropfen vom mild-fruchtigen, hausgemachten Peperoncino-Öl. Am Püree aus braungrünen Linsen erklärt sich das Geheimnis dieser Küche vielleicht am besten: Jedes Produkt ist eine Delikatesse; nur Linsen, Salz, Olivenöl - und hier wird Ambrosia daraus.

Jetzt wären die Gäste eigentlich gut gesättigt und zufrieden, die Reste von Käse und Wurst freundlich zum Mitnehmen verpackt, da wird man der Tatsache gewahr, dass nun erst die Primi kommen: Strascinati di Grossetto aus Grano Arso sind Nudeln aus verbranntem Weizen, die an graue, flache Plektren erinnern. Sie kommen mit Ackersenf und süß-fruchtigen Peperoncini, die erst getrocknet und dann knusprig frittiert wurden. Orecchiette ("Ohrennudeln") müssen in Apulien sein, hier mit einem Ragù, das ein Querschnitt durch die Nutztiere der Masseria ist: Rind, Schwein und Pferd. Dass dann noch gemischtes Gegrilltes mit gewickeltem Lammdarm, Schwein, Lammkoteletts und zweierlei Salsicce als Secondi eingestellt werden, grenzt an Völlerei. Zum Fleisch kommen Rosmarinkartoffeln und die hier so üblichen Crudité - rohe Fenchel-, Karotten- und Radieschenstücke von so süßer Saftigkeit, wie man sie im Winter nie erwarten würde. Zum Glück werden dazu die bitteren Lampascioni serviert, eigentlich Hyazinthenzwiebeln, ein Regionalheiligtum, das mit wilden Kräutern der Murgia eingelegt werde, wie der umsichtige, um keine Antwort verlegene Kellner erklärt.

Nach einem kleinen Spaziergang (und prachtvollem Sonnenuntergang) steht schließlich ein Teller mit frischen Früchten am Tisch. So gute Kaki, dass sie selbst Kaki-Skeptikerinnen überzeugen, baumfrische Mandarinen und Orangen. Zum Schluss noch ein Gläschen Tiramisu und - zu Caffè und Amaro - ein halbes Dutzend hausgemachte Biscotti, gefüllte Brandteigkrapferl und gebrannte Mandeln.

In einem Satz

Diese Masseria ist die endgültige Antwort auf die Frage, warum Italiens Gastronomie überzeugender ist als jede andere.

Qualität: ●●●●●

Ambiente: ●●●●●

Service: ●●●●●

Preis/Leistung: ●●●●●

Zum Zahlen geht man ins Vorzimmer und steht Schlange beim Chef. Als man ihn nach einer Visitenkarte fragt, reagiert der Hausherr irritiert. Dann holt er doch eine hervor und streicht beherzt seinen Doktortitel darauf durch; bevor er die Masseria seiner Familie übernahm, hatte er als Jurist gearbeitet. Draußen beginnt der Olivenhain direkt hinterm Haus, die Freilandhühner haben sich auf Äste zur Nachtruhe begeben und die Kakibäume mit ihren goldorange leuchtenden Früchten säumen den Weg zum Parkplatz. Hier arbeiten sie wirklich mit allen Tricks.

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