Lokaltermin:Bootshaus

Im Hamburger "Bootshaus" geht es um Cocktails und Steaks. Klingt langweilig? Überhaupt nicht. Beides gerät hier so gut, dass der Abend zum Fest wird.

Von Stevan Paul

Das Hamburger Restaurant Bootshaus liegt in der Hafencity, und es geht um Cocktails und Steaks. All das sind äußerst populäre Zutaten, schon richtig. Trotzdem war Stevan Paul erst einmal verblüfft über den enormen Andrang an der Tür. Schon an der Bar legte sich dann sein Erstaunen über die Schlange vor dem Lokal. Kein Wunder, dass hier jeder rein will: Die Drinks sind exzellent komponiert, der Service makellos und das Essen modernes Soulfood im besten Sinne. Der Abend glich einem Fest, das Paul gar nicht wieder verlassen wollte.

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Hier brennt die Luft im Wortsinn. Stichflammen schlagen zur Decke, wir schauen besorgt, der Barchef lacht beschwichtigend: "Da hat jemand Crêpes Suzette bestellt!" Freitagabend, das "Bootshaus" ist voll besetzt, wir haben die letzten beiden Plätze an der Bar ergattert. Um uns tobt das geordnete Chaos, die Traube der Wartenden ist durch die Glasfront gut zu sehen, immer wieder gibt es freundliche Diskussionen am Eingang, die durchgehend männliche Belegschaft bewahrt Contenance, trägt auf, schenkt ein, räumt ab - alles mit einem Lächeln und einem netten Spruch für jeden Gast. Was für ein Ansturm! Passiert hier ein neues Küchenwunder?

Mitnichten. Wir sitzen nur in einem Grill&Bar-Restaurant in der Hafencity; der Elbblick von Vasco-da-Gama-Platz und Dalmannkai in den Grasbrookhafen ist nett, aber bescheiden. Die Elbphilharmonie mit ihrer schlichten Gastronomie liegt um die Ecke, aber auch das erklärt nicht die hervorragende Reservierungslage im Bootshaus, der übliche Elbphilharmonie-Tourist erscheint ja pünktlich zur Vorstellung und geht danach eventuell "noch was trinken", gerne an der Hotelbar oder auf der Reeperbahn. Nein, hier drängeln Nachbarn und Hamburger Bürger - ein Umstand, auf den man im Bootshaus stolz ist. Natürlich mit hanseatischer Zurückhaltung und ähnlich heimlich, still und leise, wie sich schon die Eröffnung im November 2017 vollzog. Aus dem Stand war die gastliche Kombination aus Bar und Restaurant extrem beliebt.

Die Räume sind puristisch im Design und doch einladend, man sitzt hier wie Jonas im gemütlichen Walfischbauch - mit Holzrippdecke und auf weichen Sesseln, mit Blick in die offene Küche. Dort arbeitet die junge Mannschaft, Herzstück ist der 300 Grad heiße Josper Grill, der mit Holzkohle aus der Lüneburger Heide befeuert wird. Hier werden (geruchsfrei für die Gäste) australische Rindersteaks, dicke Koteletts und saftige Burger gegrillt. Wir begeben uns aber erst mal in die Hände von Barchef Sascha Thieben, der unter Mixologen einen ausgezeichneten Ruf genießt, es ist ein Vergnügen, ihm bei der konzentrierten Arbeit zuzusehen. Wir erfreuen uns am exzellent komponierten Bootshaus Negroni (11,50 Euro), der im hauseigenen Holzfass reifen durfte und nun stilecht aus dem gravierten Flachmann über eine beinahe tennisballgroße Eiskugel gegossen wird. Von würziger Frische ist der Sloe Gin Tonic mit niederländischem Rutte Genever (12,50 Euro), ganz eigen und komplex.

Bei saftigem Möhrenbrot mit Salzbutter und einer Espresso-Tasse vollmundiger Maiscremesuppe mit pikanter Chorizo, Majoran-Pesto und Salz-Popcorn beginnen wir zu ahnen, warum sich draußen die Leute drängeln. Das Herzstück der Karte listet drei Steak-Cuts vom Rind (35 bis 54 Euro) und 300 g schwere Schweins- und Kalbskoteletts (28 und 32 Euro), dazu eine Vielzahl von Beilagen (vier bis acht Euro) und warme Saucen (je drei oder vier Euro) nach Wunsch. Dass Küchenchef Maik Stellmann und sein Team mehr wollen, zeigt ein Blick auf die Vorspeisen. Wir wählen Sashimi vom Lachs mit brauner Butter, Misocreme, rohen Apfelstiften und Haselnüssen (18 Euro) - insgesamt gerät die schöne Umami-Bombe etwas zu fett, die frischen Äpfel fangen das kaum auf. Ohne Tadel sind die drei perfekt gebratenen Jakobsmuscheln mit Kürbiscreme, Kürbisstroh und modischen Tupfen einer leichten Mayonnaise, mit einem Hauch Lakritz, toll! Fabelhaft dazu ist der "Espumante 3B Rose extra brut" (sieben Euro) der talentierten portugiesischen Winzerin Filipa Pato.

Zu den Hauptgängen folgen wir der Empfehlung von Gastgeber Tristan Missner, der uns nicht nur den saftigen "2015 Crû-Elles" von Ludovic Engelvin zeigt, sondern auch eine Menge unterschiedlichst gearbeiteter Steakmesser auf einem Magnetbrett - im Bootshaus wählt jeder sein Schneidwerk individuell. Ich nehme ein klassisches Model aus Laguiole. Konservativ auch meine Beilagenwahl zum perfekt medium gebratenen Kalbskotelett: ein meisterliches Kartoffelgratin, saftig-cremiger Spinat, unter schmelzender Käsehaube, serviert in einer brüllend heißen Cocotte, dazu grüne Bohnen mit gerösteten Haselnüssen. Die unauffälligen Steakhaus-Pommes erfahren Aufwertung durch luftig aufgeschlagene Butter mit frischen Kräutern und Meersalz, das Kotelett badet derweil in einer runden Rotweinjus - ein Schmaus und viel zu viel! Ein bis zwei Beilagen reichen hier völlig aus für eine Person, und man tut gut daran, das Bootshaus in größerer Runde zu besuchen, um dann alles wild zu teilen.

Meine Begleitung löffelt eine reiche Bouillabaisse, dunkel und sämig, mit Safrankartoffeln, einigen saftigen Fischstücken, einer gebratenen Garnele und drei Miesmuscheln, getoppt mit Parmesancroutons (26 Euro). Da ist in Menge noch Luft nach oben; und daher Platz für ein Dessert der Sonderklasse: warmer Cheesecake (acht Euro), der mit Himbeeren, Himbeersauce und zimmerwarmem Olivenöl zum Beträufeln serviert wird. Das exklusive kroatische Bio-Olivenöl vermählt sich mit dem warmen, cremigen Kuchen zu einer sensationellen Kombination, die allein jede Anreise wert ist.

Irgendwie sind jetzt auch alle Gäste untergebracht, die Stimmung ist lebhaft, fast, als säße man auf einem Fest. Eigentlich schade, schon nach Hause zu gehen.

In einem Satz

Gelungene, gastfreundliche Mischung aus lässiger Grill-Küche mit einer Prise Fine Dining und exzellenter Barkultur.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●●●●

Service: ●●●●●

Preis/Leistung: ●●●●○

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