Lokaltermin:Angelo Sabatelli

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Apulien hat sich kulinarisch zu einer der spannendsten Regionen Italiens entwickelt. Einmal dort, sollte man zu Angelo Sabatelli reisen.

Von Philipp Maußhardt

Apulien hat sich kulinarisch zu einer der spannendsten Regionen Italiens entwickelt. Einmal dort, sollte man weiterreisen zu Angelo Sabatelli, rät unser Autor Philipp Maußhardt. Das Restaurant in der Masseria Spina trennt zwar nur ein Sichtschutz aus Olivenbäumen vom Industriegebiet der Kleinstadt Monopoli. Doch der Ort ist trotzdem wundervoll, und sobald man am Tisch sitzt, ist das Idyll perfekt.

Das Ristorante "Angelo Sabatelli" in der "Masseria Spina" mag auch überregional inzwischen eine kleine Berühmtheit sein, doch wer das Lokal anfährt, merkt davon erst mal wenig. Keine 40 Kilometer südlich der apulischen Hafenstadt Bari liegt Monopoli, dessen Industriegebiet sich in die endlose Ebene der Olivenhaine gefressen hat. Die Einfahrt zur Masseria, was so viel wie Bauernhof bedeutet, ist schwer zu finden. Vor dem Haus dann: Idylle. Uralte Olivenbäume verdecken nicht nur die Sicht aufs Meer, sondern gnädigerweise auch aufs Gewerbegebiet. Die Tür ist verschlossen. Auf das Klingeln öffnet ein beleibter Herr, der sich als Sommelier des Hauses entpuppt. Zum Tisch führt die Frau des Küchenchefs, und auf dem Weg dorthin erinnern die Tuffstein-Rinnen im Boden daran, dass wir uns in einem früheren Stall befinden. Ein altes Joch, große Schlüssel und geschmiedete Eisenketten hängen an den Wänden. Die Ursprünge der liebevoll renovierten Masseria stammen aus dem 11. Jahrhundert. Ein wunderbarer Ort, an dem wir überraschenderweise an diesem Dienstagmittag im Mai die einzigen Gäste sind.

In Apulien hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Entwicklung eingesetzt. Vom vernachlässigten Schmuddelkind im abgehängten Süden Italiens mausert es sich langsam zum begehrten Aufsteiger. Viele junge Start-ups haben sich angesiedelt, der Tourismus wächst, und die Lebensmittel, die entlang der 800 Kilometer langen Küste hier wachsen, genießen im Rest der Republik inzwischen den allerbesten Ruf. Die Restaurants der Region sind sogar ein neues Lieblingsthema der Gourmetszene. Kein Wunder also, dass sich ein weit gereister Koch wie Angelo Sabatelli auf seine Wurzeln besann und zurück zu "Mama Puglia" zog. Das dreieinhalbstündige Essen hier startet mit einem Gruß aus der Küche: ein hauchfeines Brot mit Frischkäse im Teig und mit Honigkruste, kleine Cracker aus Grano Arso, einer Art verbranntem Getreide, und andere Brotkreationen werden mit Olivenöl serviert. Und was für ein Öl! Es stammt aus einer kleinen Mühle in der Nähe, ist cremig-zart wie ein Seidentuch und ohne eine einzige Fehlnote. Wir werden die Flasche (0,2 Liter) im Laufe des Mittags komplett leeren.

(Foto: OH)

Die Bedienung nutzt die Zeit, um zu jedem Gang und Getränk ausführlich über Herkunft und Zubereitung aufzuklären. Irritierend ist die etwas rigide Ansage zur Essensauswahl. Bestellt wird hier gefälligst einheitlich. Unterschiedliche Menüs am selben Tisch sind unzulässig. Nun gut, wir entscheiden uns für "I Classci" - die Klassiker. Acht Gänge für 90 Euro pro Person. Dazu eine Wein-Begleitung (50 Euro).

Als ersten Gang serviert Sabatelli sein Aushängeschild, also jenes Gericht, dessen Foto am Eingang des Lokals aushängt: eine dünne Scheibe Tintenfisch auf zwei Mini-Calamari. Darauf hat der Koch pulverisierte Tinte gestreut - ein optischer Effekt, der gefährliche Assoziationen weckt: ein Putzlappen mit Staub? Jeder Zweifel verfliegt mit dem ersten Bissen: Die Frische des Fisches wird unterstrichen von Mandel- und Zitronenaromen, begleitet von einem in Süditalien gebrauten Belgian Blond Ale, das überraschend gut passt.

Sabatellis großes Talent ist, klassische Gerichte zu konzentrieren und damit sehr zu verfeinern: Als zweiter Gang kommt weißes Bohnenpüree, darauf kurz gebratene Zichorie mit einer sautierten Auster. Das sahnige Püree harmoniert gut mit den Bitternoten des Zichorie. Aber erst die Auster macht aus dem traditionelle Arme-Leute-Essen ein königliches Vergnügen. Der dritte Gang ist dann schon der Höhepunkt des Menüs: eine schlichte gegrillte Aubergine in Basilikum-Soße. Doch was für ein Geschmack! Darauf liegen zwei karamellisierte Tomaten und fein geschnittene Burrata, eine Sonderform des Mozzarella, mit Sahne gefüllt und in Salzlake gelegt. Zusammen garantieren diese Zutaten bei Sabatelli die absolute Geschmacksexplosion. Die Aubergine ist butterzart, der milchige Käse fügt sich perfekt zu den Grillaromen, die Basilikum-Soße rundet ab, das Aroma der Tomate hallt eine kleine Ewigkeit nach. Intensiver kann Essen nicht sein.

Gleich im Anschluss ein weiterer Klassiker der Region: Reis, Kartoffeln und Miesmuscheln. Und auch hier sind die Tomaten dazu so intensiv wie Kapern. Sabatelli nutzt statt klassischen, aufgepoppten Reis. Es könnte weniger Reis sein, schließlich sind wir hier nicht im Kino. Nichtsdestotrotz bietet dieser Gang nach der Aubergine eine gelungene Erholung, der ein apulisches Nudelgericht folgt: Orechiette mit Rinderragout und Pecorino, wobei das Fleisch nur noch aus dünnen, herrlich weichen Fasern besteht, weil Sabatelli es 30 Stunden köcheln lässt. Der Rosé dazu ist ausgezeichnet. Mit leichter Säure, begleitet von Erdbeer- und Kirscharomen und - bei Rosé nicht selbstverständlich - ohne jede metallische Note. Es folgt Kabeljau-Filet mit Tomaten-Kapern-Soße, Kartoffelcreme und intensiv schmeckenden pulverisierten Oliven. Danach wechseln wir zu Rotwein. Ein trockener Susumaniello, der intensiv, aber nicht schwer die Zunge belegt und den Speichelfluss für den vorletzten Gang anregt: kurz gebratener Lammrücken, die Soße mit Kaffeepulver und schwarzem Pfeffer gewürzt, dazu Mandarinenmus und ein Häppchen Kartoffelauflauf.

Sabatelli verabschiedet sich mit drei Schokoladenkugeln, die unscheinbar auf dem Teller liegen. Doch im Mund verbinden sich die unterschiedlichen Aromen und Temperaturen der Zutaten zum finalen Böllerschuss: Artischockenlikör, Orangenschalen und wilde Zwiebeln vereinen bittere, süße und fruchtige Noten - ein toller Abschluss.

Wer Sabatelli an diesem wunderschönen Ort noch erleben möchte, sollte übrigens nicht warten. Zum Jahresende wird er einen Kilometer weiter an den Rande der Altstadt von Monopoli ziehen, der Pachtvertrag in der Masseria lief leider aus. Aber die Küche, so verspricht er, wird auch dort dem Erbe des "Territorio" verpflichtet bleiben.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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