Lokaltermin:AndreJ's Oysterbar

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Ein Bistro, das sich - in Düsseldorf! - auf Austern und Hummer spezialisiert? Ort und Konzept werden Vorurteile wecken. Doch bei "Andrej's Oysterbar" ist Skepsis ganz unangebracht, findet Jutta Göricke. Hier werden Fisch und Schalentiere zelebriert!

Von Jutta Göricke

(Foto: N/A)

Eine Oysterbar in Düsseldorf also. Es ist wohl unvermeidlich, dass da sofort Bilder im Kopf ablaufen: Botox, Rolex, Einstecktuch, rote Jeans, Schampus in Strömen. Aber Schluss mit den albernen Schubladen! Schließlich trennen Kö-Klischees und "Andrej's Oyster Bar", die im linksrheinischen Oberkassel liegt, viel mehr als nur der ziemlich breite Fluss dazwischen.

Das Restaurant präsentiert sich sehr zurückhaltend, als Bistro par excellence, mit Platz für 80 Gäste und in schwarz-weißer Art-Déco-Optik: Dunkle Dielen zu Marmortischen mit Messingfassung. Keine Tischdecken, dafür Stoffservietten. Akustische Untermalung liefert nur das Plätschern der Tischgespräche. Ein angenehmes Ambiente. Inhaber Andrej Uroševic beruft sich bei seinem Konzept zwar selbstbewusst auf Auguste Escoffier, den Vater der Grande Cuisine. Aber gut, zumindest die Einrichtung hält dem stand. Ob das auch für die Küche gilt?

In einer Oysterbar sollte man, na klar, Austern essen. Bei Andrej's kann man aus sechs Sorten wählen. Wir testen vier davon, die formvollendet auf Eis serviert werden. Und es beginnt eine spannende Reise entlang der Atlantikküste, die entgegen aller bei diesem Thema üblichen Häme einmal mehr belegt: Die Welt der Auster ist in der Tat vielfältig. Den Beginn machen Fines de Claires Noirmoutier No. 2, das Stück für drei Euro. Die Nummer steht für das Gewicht, je höher die Zahl, desto kleiner die Auster. Die Nourmoutier stammt von einer Atlantikinsel nahe der Loire-Mündung und ist mit 86 bis 110 Gramm (ja, da nimmt man es genau!) ein Brummer, geklärt, sehr fleischig und sehr intensiv.

Die - länger geklärten - Spéciales Gillardeau No. 4 (4,50 Euro) wiederum kommen aus der Nähe von La Rochelle, aus Europas größter Austern-Kultivierungsregion Marennes-Oléron. Eine besondere Alge vor der Küste begünstigt den ausgeprägten Fleischkörper. Die Gillardeau ist eine auffallend tiefe Muschel, bissfester als ihr Vorgänger, und im Vergleich leicht süßlich. Es folgen Spéciales Tsarskaya No. 4. Die Lieblingsauster der Zaren aus dem bretonischen Küstenort Cancale in der Bucht von Mont Saint-Michel, ist geringfügig teurer (fünf Euro), bleibt aber ansonsten nicht groß in Erinnerung. Anschließend dann ein Exemplar der europäischen Belon Plates (4,50 Euro), für Kenner das Beste vom Besten. Die sehr flache Sorte gedeiht anders als ihre pazifischen Verwandten nicht auf Felsen, sondern im Schlick des Belon, einem Fluss im Finistère, wo sie kurz vor der Mündung im Rhythmus der Gezeiten abwechselnd Süß- und Salzwasser schnappatmet. Diese Auster hier hat offenbar zuletzt eine Atlantikwelle abgekriegt. Sie ist extrem salzig, dafür aber, wie versprochen, besonders bissfest und frisch wie eine Meeresbrise. So endet die kleine Austernkunde, die eben auch am Rhein sehr schön sein kann.

Weiter geht es mit Pot-au-Feu aus Schalentieren (26 Euro), reich bestückt mit herrlich intensiven Schwert-, Venus- und Miesmuscheln, die alle zusammen in einer kräftigen Sauce Marinière mit Cognac und Knoblauch baden, was sofort zu einer Brot-Tunk-Orgie verführt. Der Muscadet von der Loire (die Weinkarte ist natürlich durch und durch französisch) ist vielleicht eine Idee zu flach, aber als Begleiter durch den Abend am Ende recht verträglich. Mit 37 Euro liegt die Flasche am unteren Ende des Preisniveaus.

Wer bei Tisch klassisch-französische Showeinlagen schätzt, kommt beim Hauptgang auf seine Kosten: Die Hummerpresse von Christofle, die der Kellner nun live in Szene setzt, ist eine blitzblanke Messingschönheit, ein mechanisches Prachtstück, das unter sichtbar kräftigem Drehen der Gewindestange das geschmackliche Maximum aus Karkasse und Corail presst. Aus dem so gewonnenen Saft wird nun mit einigem Feuerzauber die Sauce Armoricaine in einer Pfanne angerührt, um damit einen kleinen, butterzarten Kanada-Hummer zu benetzen. Ein hübsches Spektakel für 79 Euro pro Person, das wie ein Schauexperiment aus der Zeit Escoffiers anmutet. Zum Glück steht das Geschmackserlebnis dem Unterhaltungswert in nichts nach. Herrlich sind auch die getoasteten Brioches dazu, und erst das Kartoffelpurée à la Robuchon! Es wurde vom aufmerksamen Kellner so vorgestellt: "Butter und Kartoffeln je 50 Prozent, etwas Muskat". Butter geht immer, dieses gute alte französische Motto gilt hier noch etwas. Sie spielt in fast allen Gerichten eine geschmackstragende Rolle. Als hätte es die Nouvelle Cuisine nie gegeben. Und die fade neue Gesundheitsküche sowieso nicht. Und das Ergebnis gibt Köchin Claudia Schröter ja recht. Auch, weil hier alle Zutaten erstklassig sind. Serviert wird selbstverständlich in schweren gusseisernen Cocotten und Cocöttchen, und so wird die französische Klassik durchexerziert bis zum Dessert.

Da gibt es eine kleine Enttäuschung: Wir waren gespannt auf die Epoisses-Brioches, doch die sind von der Karte verschwunden, zu wenig Interesse. Schade, zumal kein Käse im Angebot ist. Dafür überzeugt die Crème brûlée, die von in Calvados und Apfelsaft eingelegten Pink-Lady-Stückchen aufgefrischt wird. Die Mini-Madeleines sind kleine Kraftpakete und passen schön zum Digestif, einem tiefbraunen, sämigen China-China.

In Andrej's Oysterbar zeigt sich Düsseldorfs wahre Stärke. Diese Stadt ist sicher nicht Paris, doch zumindest für diesen Abend gelingt es ihr höchst erfolgreich, so zu tun als ob. Très bien!

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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