Süddeutsche Zeitung

Lokaltermin:Alpenhof Murnau

Seit Jahrzehnten gilt der Alpenhof Murnau als bewährtes Ziel für Münchner Kurzurlauber. Das Restaurant dort hat einen neuen Küchenchef.

Der Alpenhof Murnau gilt unter Münchner Kurzurlaubern seit Jahrzehnten als bewährtes Ziel. Das Restaurant dort ist ambitioniert, und wie in vielen Luxushotels üblich, setzt es konsequent auf Klassik. Das hat sich auch unter dem neuen Küchenchef nicht geändert. Ob Hummer, Steinbutt oder Foie gras, die Karte lässt kein Edelprodukt fürs geldige Publikum aus. Wäre es nicht Zeit, so fragte sich Josef Wirnshofer, dem Gast, der hier im mannshohen Sessel speist, auch mal ein bisschen Abenteuer zuzumuten?

Man merkt den Speisekarten in Luxushotels gerne mal an, dass sie sich an, nun ja, eher geldige Gäste richten. Im "Alpenhof Murnau" zum Beispiel. Dort verspricht die Karte Hummer, Steinbutt, Foie gras, Trüffel. Klingt alles hochpreisig, alles besonders, ein Best-of der guten Küche - allerdings der der Achtzigerjahre. Das muss natürlich nichts heißen. Auch die Klassik kann hervorragend sein. Und die zieht sich im Alpenhof durch das ganze Programm.

Das Hotel ist ein traditionsreiches Haus, eröffnet 1967 von Hellmut Hofmann, baulich angelehnt an amerikanische Motels, womit man im Alpenvorland damals Avantgarde war. Heute sieht man sich offenbar eher als Bewahrer. Der frühere Küchenchef Thilo Bischoff, der für den Alpenhof einen Stern erkochte, hat sich mit Edelbiergärten selbständig gemacht. Sein Nachfolger Claus Gromotka serviert unaufgeregte Teller, die kein Gewese um ihre Klickbarkeit im Netz machen. Das ist schon mal sympathisch und ja längst nicht mehr selbstverständlich. Im Gegenteil, manche Köche, auch sehr namhafte übrigens, instagrammen in einem Tonfall, dass man sich fragt, ob ihnen die Peinlichkeit als Kategorie schlicht unbekannt ist?

Der Service weist uns einen Tisch im hinteren Teil des ungeniert gediegenen Restaurants zu. Man sitzt in den mannshohen Sesseln zwar etwas verloren, dafür aber sehr ruhig. Wir bestellen einmal das Verwöhnmenü (vier Gänge mit Weinbegleitung für 157 Euro), einmal das Genießermenü (vier Gänge mit Weinbegleitung für 96 Euro). An dieser Stelle wäre eigentlich Platz für einige Worte zum Amuse bouche, das zum Verwöhnmenü gehört. Ganz unwichtig ist es ja nicht, wenn der Koch mit dem Küchengruß die Richtung weist. Allein: Diesen Gruß gab es gar nicht. Und dass er nicht mehr kommen wird, steht fest, als die Vorspeise serviert wird: "Weiter geht's mit dem Hummercocktail."

Kleine Korrektur also: Los geht's mit dem Hummercocktail. Der kanadische Hummer ist auf den Punkt gegart, die Ananas verpasst ihm eine unaufdringliche Frucht, der Koriander steuert Kräuternoten bei. Könnte ein schöner Einstieg sein. Wäre der Tonic-Schaum dazu nicht ein mittleres Unglück. So penetrant bitter und so üppig über den Hummer gegossen, dass er im Mund alles umgrätscht, was man sonst vielleicht schmecken könnte. Die gebackene Ochsenpraline des Genießermenüs funktioniert deutlich besser. Die Praline wohlig herzhaft, nicht zuletzt wegen der Leber, mit der sie gefüllt ist. Die Sauce Cumberland passt mit ihrer Süße gut, sogar zur Teighülle, der Feldsalat gibt dem Ganzen etwas Leichtigkeit.

Beim zweiten Gang zeigt sich, dass klassisch nicht überholt heißen muss. Eine saftige Wachtelbrust, die schon mit dem Traubenchutney gut zusammengeht, noch besser aber mit dem großartigen Früchtebrot. Dazu eine Pinienkernmousse, die das Geflügel auf feine Art erdet, so darf es weitergehen. Das Genießermenü fällt dagegen etwas ab. Dem Petersfisch hätte eine kürzere Garzeit nicht geschadet. Das Fenchelpüree ist elegant abgeschmeckt, die Auberginen werden allerdings nicht interessanter, wenn man sie auf der Speisekarte "Auberginenkaviar" nennt. Dann schon lieber die geschmorten Tomaten, die dem St. Pierre eine schöne Säure mitgeben.

In einem Satz:

Man isst immer noch gut im Alpenhof Murnau, doch zu einem Preis, für den man anderswo besser isst.

Qualität: ●●●○○

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●○○

Preis/Leistung: ●●●○○

Die Hauptgänge sind elegantes Soulfood von befriedigender Schnörkellosigkeit. Da wäre zum einen der gebratene Rücken vom Wagyu-Rind, den ein Polenta-Schaum schlotzig einfasst. Auf diesem Teller geht auch das Spiel mit Bitternoten auf: Blätter von Grünkohl und Rosenkohl liefern sich ein gekonntes Wechselspiel mit der Apfel-Zwiebel-Creme. Nur der Topfenknödel dazu bleibt rätselhaft. Mit seiner Hülle aus Tomatenstaub sieht er zwar hübsch aus. Doch äße man ihn nicht, ginge es einem nicht schlechter.

Zum anderen wäre da der perfekt gegarte Lammrücken. Der Rahmwirsing ist ein bewährter, wenn auch nicht sehr aufregender Begleiter. Interessanter ist die Pastinakencreme mit ihrer breiten Süße. Eine Krokette aus getrüffeltem Risottoreis liegt etwas unscheinbar auf dem Teller, verpasst dem Gericht aber wohlschmeckenden Pomp. Wen wundert's, die Kombination Kohlenhydrate und Trüffel ist in der Küche das, was im Fußball der Elfmeter ist. Überrascht wäre man nur, wenn er nicht verwandelt wird.

Die Desserts schließlich machen ein wenig ratlos. "Buchners Verführung" erweist sich als eine Art Mille-feuille aus Aprikosenbiskuit, Schokolade und Vanillecreme. Wo wie hier das Handwerk stimmt, ist diese Cremeschnitte berühmt für ihr Mundgefühl. Geschmacklich aber bleibt das Dessert eintönig, auch das Minzsorbet dazu reißt es nicht raus. Auf dem Teller gegenüber liegen Apfelgel und Macadamia-Eis, beides tadellos, aber warum schmeckt die Birnenmousse dazu nach nichts?

Insgesamt wirkt die Küche im Alpenhof zu sehr darauf bedacht, absolut nirgends anzuecken. Man isst hier nicht schlecht, keine Frage. Man kann in dieser Preisklasse aber auch deutlich besser essen, sei es nun klassisch oder nicht.

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Quelle:
SZ vom 16.03.2019
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