Levi's-Jeans wird 140:Die Urmutter der Rebellion

Levi's Jeans Werbung 2004

Die Levi's 501: Sie stand für Rebellion genauso wie für Luxus. Eine Jeans im Wandel der Epochen.

(Foto: obs/Levi's)

Sie ziert sowohl raubeinige Cowboyhintern als auch zarte Damenpopos: Lange Zeit war die Levi's 501 die einzige Jeans, auf die sich modebewusste Menschen einigen konnten. Ist der Klassiker heute modisch bedeutungslos oder gibt es Grund zur Freude? Eine Hose im Wandel der Zeit.

Von Alex Bohn

In der Levi's-Zentrale in San Francisco zitiert man gern den Modeschöpfer Yves Saint Laurent: "Ich wünschte, ich hätte die Blue Jeans erfunden . . . " Denn als Erfinder gilt bis heute Levi Strauss, und als Urmutter der Jeans die Levis 501. Die ja auch jahrelang die einzige Jeans war, auf die sich modebewusste Menschen weltweit einigen konnten.

Die Bilder raubeiniger Cowboys in Nietenhosen haben sich ins kollektive Bewusstsein gebrannt, auch das von Marlon Brando in dem Film "The Wild One" oder auch die süße Marilyn Monroe, die im Film "The Misfits" ihre 501 zu Zöpfen und Cowboyboots trug. Nur sind diese Bilder mindestens fünfzig Jahre alt. Die Hose selbst feiert am 20. Mai dieses Jahres ihren 140. Geburtstag. Und je älter die 501 wird, desto weniger eindeutig wird das Bild, das man von ihr hat.

Dass heute Sarah Jessica Parker, Brad Pitt und Präsident Obama ab und an in eine 501 schlüpfen - wie die Presseagentur in einem ihrer Jubiläums-Infos mitteilt - hat wenig Strahlkraft. Obwohl sie sich durch ihre mit Nieten versehenen Taschen von anderen Denim-Hosen unterscheiden sollte, ist die 501 heute eine Jeans unter vielen, denn ihr Image ist nicht länger unverwechselbar.

Sie ist gar keine Jeans mehr

Dazu passt, dass zum Jubiläum nicht etwa eine Edition der klassisch blauen Jeans im 501-Schnitt auf den Markt kommt, sondern eine 501, die weder indigoblau ist noch aus Jeansstoff. Stattdessen gibt es die Geburtstags-501 aus "non-Denim", genauer gesagt aus Baumwoll-Twill, einem Stoff, der von beiden Seiten gleich aussieht. Wahlweise in knalligem "Mineral Red", einem Beige namens "True Chino", oder in verwaschenen Blautönen, die "Chalk Blue" und "Aquarius" heißen. Mit anderen Worten: Die Jeans ist gar keine Jeans mehr.

Selbst firmenintern löste diese Entscheidung Unruhe aus. Die Historikerin Lynn Downey, die in den vergangenen 24 Jahren ein umfangreiches Archiv für Levi's aufgebaut hat, kennt die Evolution der 501 wie keine andere. Sie sagt: "Non-Denim? Ich dachte, mein Herz bleibt stehen." Dann aber erklärt sie eilig, dass es ganz im Sinn der Firmenphilosophie sei, öfter mal etwas Neues auszuprobieren.

Mattheo Fontanelli ist Chef-Einkäufer für die Männermode im Onlinekaufhaus Luisaviaroma. Er kennt alle Trends und Marken und hat darüberhinaus einen genauen Überblick über ihren wirtschaftlichen Erfolg. Seine Erklärung ist pragmatischer: "Ich denke, es geht nicht darum, ein neues Image der 501 zu kommunizieren. Das ist eher eine kommerzielle Strategie. Der Denim-Markt leidet überproportional unter der schlechten wirtschaftlichen Lage, gleichzeitig ist die Nachfrage nach einem anderen amerikanischen Klassiker gestiegen - der Chinohose aus Baumwoll-Twill."

Eine 501 für jede Generation

Christophe Winnock, der für das Design und Merchandising der Levi's-Herrenjeans in Europa verantwortlich ist, bestätigt das: "Wir passen die 501 kontinuierlich den Bedürfnissen der Kunden an. Jede Generation bekommt die 501, die sie verdient." Richtig ist, dass jede Generation von Konsumenten an der 501 etwas zu meckern hatte. So passte den Cowboys der ersten Generation die Niete im Schritt nicht - angeblich wurde sie heiß, wenn man am Lagerfeuer saß. Levi's reagierte, die Niete verschwand. Ein wenig später störten sich die Kunden an den Nieten auf den Gesäßtaschen, die angeblich den Reitsattel und die Sitzmöbel verkratzten. Wieder reagierte Levi's prompt und überzog die Nieten mit Stoff.

Auch die Passform der Hose unterwarf sich im Laufe der Jahre dem Zeitgeist, mal war sie ein wenig weiter, mal ein wenig niedriger im Bund. Dann, nach dem Riesenrevival der 501 in den Achtziger- und Neunzigerjahren, expandierte das Unternehmen und entwickelte eine Fülle von Passformen: die 512 mit ausgestelltem Bein, die 639 als Röhre, die 525 mit Stretchanteil, die 626 als Karottenjeans . . . und so weiter und so fort. Zusätzlich gab es verschiedene Untermarken, um die unterschiedlichen Geschmäcker der Konsumenten besser zu bedienen.

Rebellion und Luxusobjekt

In Nordamerika bot Levi's seit 1969 neben der "Red Tab", der Jeans mit dem roten Fähnchen an der Gesäßtasche, auch noch die "Orange Tab" mit einem orangefarbenen Fähnchen an. Und ab der Jahrtausendwende zusätzlich die "Silver Tab". Diese Linien unterschieden sich hauptsächlich in der Festigkeit des Denim-Stoffs und in den Nähten, die "Silver Tab" zielte auf jüngere Käufer.

Viel entscheidender als Schildchen und Passform war allerdings schon früh das, was man mit der Hose verband. Bereits in den Fünfzigerjahren hatte sich das Image der Jeans grundlegend von ihrem Nutzen als Arbeiterkleidung abgespalten. Jeans waren zum Symbol für Rebellion geworden. Ende der Siebzigerjahre wendete sich dieses Image plötzlich ins Gegenteil, zumindest teilweise. Plötzlich waren die richtigen Jeans auch Luxusobjekt. Auslöser war die amerikanische Firma Jordache, die die erste Designerjeans auf den Markt brachte, es folgten Calvin Klein, Armani, Helmut Lang und Closed. Und plötzlich räkelten und streckten sich Topmodels wie Brooke Shields in Jeans vor der Kamera.

Levi's reagierte zunächst zögerlich auf die Veränderungen auf dem Denim-Markt, dann auf ganzer Linie. Und spätestens zu Beginn der Neunzigerjahre wurde es dann irgendwie unübersichtlich. In Europa entwickelte Levi's die Linie "Engineered", die ergonomisch geschnitten sein sollte und sich durch eine ungewöhnliche Nahtführung auszeichnete. Parallel dazu entstand auch die Linie "Vintage", die Klassiker neu auflegte, sowie die Linie "Made & Crafted" mit Klassikern aus hochwertigen Materialien. Nebenher liefen in Nordamerika Linien, die den Massengeschmack treffen sollten, "Signature" oder auch "Denizen", die nur über die Supermarktkette Target vertrieben wurde.

Von kommenden Herbst an wird es die "Revel" geben, eine Jeans, die mithilfe einer "Liquid-shaping"-Technologie die Körperkontur der Frau haargenau nachzeichnet. Nebenher noch immer dabei: die Levis 501. Zwar blieb sie, wie Mattheo Fontanelli sagt, ihrer DNA immer treu - geschwungene Ziernaht auf den Gesäßtaschen, rotes Schildchen, Etikett mit zwei Pferden, die an einer Jeanshose ziehen und sie auf ihre Belastbarkeit prüfen - aber ganz so ikonisch und unverwechselbar ist die Jeans nun eben nicht mehr.

Der Kunde diktiert

Lynn Downey hat recht, wenn sie sagt, dass heute der Konsument die Mode diktiert. Aber bei dem gut gemeinten Versuch, es allen recht zu machen und gleichzeitig unverwechselbar zu bleiben, ist das ehemals scharfe Markenimage von Levi's und der 501 auf der Strecke geblieben. Zwar denken viele noch "Levi's", wenn sie das Wort "Jeans" hören, aber die individuellen Ansprüche an eine Jeans befriedigen die meisten anderswo. Billige Jeans für jedermann gibt es überall, von Kik über H&M bis zu Zara. Außerordentlich modische Jeans, die den Zeitgeist reflektieren, ebenso. Luxuriöse Jeans aus hochwertigen Materialien findet man bei J.Brand, Frame Denim oder Acne, die aus der Ära der Designerjeans hervorgegangen sind.

Vielleicht wäre es eine gute Strategie für die 501, sich einfach auf ihre Grundwerte zu besinnen: "Schutz zu bieten und Geld zu sparen", wie Lynn Downey sagt. Ihr liebstes Exponat aus dem Levi's-Archiv ist eine Hose, die weit über hundert Jahre alt ist. Eingeschickt wurde sie als Reklamation. Der Kunde beanstandete, dass die Hose nun kaputt sei, nachdem er sie gerade mal drei Jahre lang getragen hatte, an jedem Tag, außer Sonntag. Dass jemand ein Kleidungsstück so oft und lange trägt, ist heute kaum denkbar. Dabei ist die Sehnsucht nach Dingen, die durch den eigenen Gebrauch personalisiert werden, groß, wie man am Erfolg der Levi's Vintage-Kollektionen und dem Erfolg von Vintage-Mode ablesen kann. Und als Gegenbewegung zur Wegwerfkultur hat sich die Sehnsucht nach langlebigen, unverwüstlichen Dingen entwickelt, wie man an Firmen wie Manufactum oder auch am Wiedererstarken der Maßschneiderei sehen kann.

Bietet Levi's eigentlich einen Reparaturservice für seine 501 an? Oder gibt es eine Produktgarantie über mehrere Jahre? Lynn Downey und Christophe Winnock schauen verwundert und bekräftigen sich dann gegenseitig in der Überzeugung, dass "das in den Flagship-Stores in London und Berlin sicherlich möglich ist". Und tatsächlich, am Berliner Ku'damm sitzt an manchen Tagen eine fleißige Schneiderin gleich im Schaufenster. Meistens kürzt sie Hosen, aber sie kann auch Flicken aufnähen und andere kleine Reparaturen übernehmen.

"Breit aufgestellt sein" lautet die Losung unserer Tage. Aber vielleicht stimmt das nicht immer, oder auch immer weniger, je mehr das Angebot steigt. Vielleicht sollte Levi's den Weg der Nachhaltigkeit entschiedener beschreiten. Das Thema hat man dort jedenfalls endlich entdeckt. Seit 2010 gibt es die 501 "Water'Less", die in der Produktion knapp dreißig Prozent weniger Wasser verwendet als konventionelle Jeans. Und jetzt gibt es die "Levi's 501 Waste'less"-Jeans, eine limitierte Auflage von 501-Jeans, die statt aus reiner Baumwolle zu 29 Prozent aus recyceltem Plastik bestehen. Genauer gesagt: rund acht PET-Flaschen. Es ist wohl doch so: Jede Generation bekommt die 501, die sie verdient.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: