Design:Es werde Licht

Design: Serviervorschlag für das neue Plusminus-Systems von Vibia - Leuchtkörper können am Band frei arrangiert werden.

Serviervorschlag für das neue Plusminus-Systems von Vibia - Leuchtkörper können am Band frei arrangiert werden.

(Foto: Vibia)

Draußen ist es düster und grau: Genau die richtige Zeit also, um das eigene Zuhause zu erhellen. Hier sind ein paar Ideen, wie das gelingen kann.

Von Anne Goebel und und Max Scharnigg

Am laufenden Band

Es ist eher selten, dass man bei der Vorstellung einer neuen Leuchte das Gefühl hat, einem epochalen Moment beizuwohnen. Genau so war es allerdings, als der Münchner Designer Stefan Diez Mitte November sein "Plus/Minus"-Lichtsystem für den spanischen Hersteller Vibia zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentierte. Schon der Ort dafür war interessant: leer stehende Verkaufsräume im Preysing-Palais hinter der Feldherrnhalle, die gerade in ihren rohen Urzustand versetzt worden waren. Durch die dunkle, hohe Baustelle spannten sich schmale Textilbänder, unterbrochen von großen und kleinen Leuchtkörpern. Lichtbälle saßen willkürlich auf den Bändern, veränderten ihr Licht zart pulsierend oder schaukelten durch den Raum wie Artisten durch die Zirkuskuppel - absolut flexibel und befreit von vorgegebenen Stromanschlüssen, verbunden nur durch ein schmales Textilband. Aber auch minimalistische Stableuchten oder große Lampenschirme haben Diez und sein Team entworfen und auf die Bänder gefädelt, sodass in jeder Ecke eine andere Raumsituation herrschte: mal eher Hotellobby, mal Büro, mal poetischer Lichtgarten - aber alles hing am gleichen Band.

Möglich gemacht wurden diese Installation und das neue Produkt durch die raffinierte Weiterentwicklung der altbekannten Niedervolt-Technik, die Diez mit seinem Team über die vergangenen Jahre perfektioniert und in den weichen Textilgurt implantiert hat, der die Gestaltung des Systems maßgeblich prägt. Die Leuchtkörper mit den LE-Dioden erhalten darüber genügend Strom und lassen sich mit einem speziellen Klickverschluss überall auf dem Gurt platzieren - ein beinahe spielerischer neuer Umgang mit Licht. Das Einweben der notwendigen Kupferleiter in das flache Gewebe konnte erst in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Textil- und Flächendesign und dem Textile Prototyping Lab in Berlin gelöst werden - zunächst sogar nur als Handarbeit am Webstuhl!

Das fertige Ergebnis, für das das junge Unternehmen Vibia deutlich mehr investierte als für sonstige Neuheiten, ist auf mehreren Ebenen beeindruckend. Zum einen schafft das Plus/Minus-System Freiheit für Raumlicht, weil die Leuchtkörper frei auf den Gurten bewegt werden können, zum Beispiel als intime Beleuchtung über dem Esstisch, dann mit zwei Spots über der Küchenarbeitsplatte und dann noch als Pendelleuchte für die Raummitte. Zum anderen lässt sich das System mit weiteren Leuchtmodulen nach Belieben immer wieder verändern, erweitern oder an den Geschmack anpassen. Besonders frappierend für die ersten Betrachter in München: Die Niedervolttechnik ist nicht berührungsgefährlich, man kann die farbigen Bänder auch im Betrieb einfach anfassen, was den sinnlich-spielerischen Aspekt des Produkts sehr unterstreicht, denn es fehlt sozusagen jegliche Kabel- oder Elektriknüchternheit. Der Anschluss mit Trafo erfolgt dann am Ende des Bandes entweder an die Steckdose oder an eine Anschlussstelle an der Decke oder Wand. Erhältlich sein wird Plus/Minus demnächst über die Homepage vibia.com in Verbindung mit einem Konfigurator, mit dem Architekten, aber auch Privatkunden dann ihre Projekte und die erforderlichen Abmessungen der Gurte genau planen können sollen. Die vorgestellte Installation ist derzeit noch in der Theatinerstraße 12 zu besichtigen.

Design: Lichtskulptur an der Decke - Mito Aura von Occhio.

Lichtskulptur an der Decke - Mito Aura von Occhio.

(Foto: Occhio)

Vorsprung durch Technik

Es war schon eine ziemlich selbstbewusste Ansage zur Möbelmesse im September: Ein deutscher Leuchtenhersteller eröffnet einen Showroom auf dem legendären Corso Monforte in Mailand und damit im Epizentrum italienischen Lichtdesigns - in direkter Nachbarschaft zu den Platzhirschen wie Artemide, Foscarini oder Flos. Eine gelinde Provokation, die sich die Münchner Marke Occhio aber leisten kann. Schließlich sind sie schon seit Jahren Musterschüler der Branche und nach eigenen Angaben sogar Marktführer im Premiumsegment. Kaum ein Hersteller hat so konsequent über die Verknüpfung von innovativer Technik mit makellosem Design zu einer ganz eigenen Lichtsprache gefunden und sich mit seinen Produkten (auch mit den Preisen) so deutlich von der Konkurrenz abgesetzt: Sei es mit den charakteristischen Spezial-Linsen, mit denen alles anfing, oder der frühen Arbeit mit hochwertigen LEDs, die der firmeneigenen Forderung, das natürliche Tageslicht möglichst perfekt nachzuahmen, heute sehr nahekommen, wie Firmengründer Axel Meise erläutert. "Jeder, der einmal eine mit Occhio-Leuchten illuminierte Situation, einen Raum oder gar ein ganzes Gebäude erlebt hat, kann nachvollziehen, was ich damit meine." Es stimmt, selbst kleine Leuchten, wie etwa die Strahler der Più-Serie können problemlos große Räume bespielen und darin je nach Bedarf unterschiedliche Lichtstimmungen erzeugen: von eher dynamischem Arbeitslicht tagsüber bis zum warmem Wohlfühllicht abends. Die Leuchten erreichen dabei einen Farbwiedergabewert (Color Rendering Index) von bis zu 97 - Tageslicht hat CRI 100.

Zur Store-Eröffnung in Mailand stellte Occhio dann in diesem Herbst die neuen "Mito Aura"-Leuchten vor, bei denen die Marke ihre technische Überlegenheit ganz sinnlich ausspielt: Die eleganten Leuchtringe scheinen an der Decke zu schweben, ihre blendfreien LED-Ringe lassen sich stufenlos verändern. Als Bogen- oder Wandleuchte lässt sich die Mito-Serie natürlich auch per Gesten steuern - das ist eine der beeindruckenden Signature-Techniken von Occhio, die Axel Meise mit dem Begriff "Joy of use" zusammenfasst. Bedeutet: Per Fingerzeig bringt man seine Occhio zum Strahlen, man dimmt oder verschiebt das Licht einfach per Geste. Mit den Händen das Raumgefühl dirigieren? Kein Wunder, dass viele Italiener dem deutschen Neuzugang auf ihrer Straße der Lichter gleich mal einen Besuch abstatteten.

Arca

Kleines Licht, immer dabei: Arca Portable von dem Designer Philippe Malouin.

(Foto: Arca)

Bitte folgen!

Unpassendes Licht einfach ausmachen und ein besseres einschalten? Wenn das so einfach wäre. Wer hat schon eine so durch und durch kuratierte Wohnung, dass überall gleich mehrere Leuchten zur Verfügung stehen, die je nach Stimmung an-, aus- oder auf irgendetwas dazwischen gestellt werden? Natürlich ist genau diese persönliche Lichtregie, am besten gesteuert über eine App, als "Smart Lighting" das Konzept der Zukunft. Aber wer sich dem Thema erst mal eine Nummer kleiner und auch ziemlich smart nähern will, wählt eine tragbare Lampe. Mobile Modelle haben dank zunehmend ausgefeilter LED- und Akkutechnik das Lampendesign auf eine Weise erobert, die sich vor ein paar Jahren noch kaum jemand vorstellen konnte. Längst kommt kein namhafter Hersteller von Flos oder Louis Poulsen bis Artemide mehr ohne Entwürfe aus, die sozusagen mit dem Nutzer mitwandern und erhellen, was immer man ihnen vorsetzt: das Strandpicknick, die Wohnzimmerecke, den Küchentisch, wenn die große Lampe oben mal wieder zu ungemütlich erscheint.

Am Anfang wurde die Idee als läppische Spielerei belächelt - die eigene Funzel im Schlepptau, das hatte etwas Pfadfinderhaftes. Genau dieses Bodenständige hat die Spanierin Inma Bermúdez 2014 in ihrem mittlerweile legendären Henkelentwurf "Follow Me" aufgegriffen, der ironisch auf die Form einer Milchkanne anspielt. Die Welle schicker beweglicher Leuchten, die darauf folgte, hat auch mit dem Selbstverständnis der digitalen Nomaden zu tun: Man ist frei, unabhängig, überall kreativ, solange es einen Stecker zum Aufladen der technischen Basics gibt. "Arca portable", der neue Entwurf von Philippe Malouin für den amerikanischen Hersteller Matter Made, hat alles rundlich Laternenartige verloren. Ein langer Hals, eine nackte Birne, der Designer aus London verzichtet auf Dekoratives und rückt die innere Ausstattung in den Vordergrund: Das besonders leistungsfähige LED-Modul soll erstaunliche 30 Stunden lang Licht liefern, je nachdem, ob die Stärke auf den Arbeits- oder den gedimmteren "Ambiente"-Modus eingestellt ist. Außerdem ist die Arca schnell zerlegt und verstaut. Mit dieser Reiselampe im Gepäck kann einem selbst die miserabelste Hotelzimmerbeleuchtung nichts anhaben.

Design: Durchdachtes Arbeitslicht für daheim: Team Home von Tobias Grau.

Durchdachtes Arbeitslicht für daheim: Team Home von Tobias Grau.

(Foto: Tobias Grau)

Smarter Kollege

"New work", sagen Timon und Melchior Grau, "wurde nicht von Corona erfunden". Die beiden jungen CEOs von Tobias Grau, dem Leuchtenhersteller aus Hamburg mit internationalem Anspruch, haben schon an einem Lampenprojekt für flexibles Arbeiten gefeilt, bevor die Pandemie den Büroalltag komplett auf den Kopf stellte. Aber als das Home-Office zur neuen Normalität wurde, bekam die Idee der Grau-Brüder zusätzlichen Schub: eine Lampe, die genug Strahlkraft hat, um die Augen auch nach Stunden nicht zu ermüden, und trotzdem ansprechend aussieht. Wobei ein Attribut wie ansprechend Geschmackssache ist, bei Tobias Grau geht es da meistens in Richtung hanseatisch-nüchtern.

Klare, dabei durchaus weiche Silhouetten: Für Entwürfe wie die "Salt&Pepper" hat die Marke viel Aufmerksamkeit bekommen, auf das neue Home-and-Office-Hybridmodell "Team" ist man besonders stolz - es passt ja auch geradezu perfekt in die Zeit. "Die Team Home ist die erste professionelle Leuchte für das Home-Office", sagt Timon Grau über die L-förmige Lampe, deren Querarm in beachtlicher Höhe fast über dem Schreibtisch zu schweben scheint. Professionell ist zwar auch so ein subjektiver Begriff, aber die Details klingen imposant: Jedes Exemplar enthalte Hunderte von LEDs hinter gerichteten Linsen, die das Licht via "Beam Lens"-Technologie über den Schreibtisch samt Umgebung verteilten. "Wir wollten eine schlanke, zurückhaltende Form bei maximaler Leistung", so die Söhne des Firmengründers Tobias Grau. ,,Also extrem viel Licht in einem kleinen Körper."

Dass der kleine oder zumindest: dezente Körper der Team auch die Umgebung erhellt und nicht bloß einen Lichtkegel auf den Schreibtisch wirft, ist entscheidend. Genau dieses alte Bild von einem über Papiere gebeugten Menschen, der unter abgezirkeltem Licht im ansonsten dämmrigen Büro sitzt, habe eben nichts mit new work zu tun: mit flexiblem und durch gutes Zubehör angenehm gestaltetem Arbeiten. Der Begriff aus der Software-Welt in Silicon Valley gehe davon aus, erklären die beiden Graus, dass auf solche Weise Arbeit nicht einfach ein Job sei, sondern Menschen "dazu empowert, sich zu entfalten". Große Worte für eine Lampe. Einige sehr verwöhnte Jurys hat die Team aber schon überzeugt. Sie hat den begehrten Red Dot Award 2021 und den Design Award des Magazins Wallpaper gewonnen.

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