Handwerk:Meister Leder

Alexander von Bronewski Manufaktur

Alexander von Bronewski bei der Arbeit - die große Klemme hält das Werkstück fest.

(Foto: Tobias Westen)

Am Bodensee stellt ein Autodidakt Taschen her, die so ziemlich das komplette Gegenteil der schnellen Fashionwelt sind: handgenäht, zeitlos schlicht und immer wieder zu reparieren.

Von Max Scharnigg

Man kann sich schon erst mal täuschen in Alexander von Bronewski: Der lange Name auf dem Klingelschild und dahinter die hübsche Jugendstilvilla am Rand von Lindau wirken ziemlich privilegiert. Der kräftige Arbeiterhändedruck und die ausgebeulte Jeans des Mannes, seine rumpeligen Werkstattzimmer im Erdgeschoss und die kaffeefleckige Junggesellen-Küche entsprechen dann der Lebenswirklichkeit aber eher. Bronewski ist Handwerker und Soloselbständiger, und sein Privileg besteht allenfalls darin, dass er als 47-Jähriger wieder unter einem Dach mit Mutter und Schwestern wohnen kann. Anders würde der Plan nicht aufgehen, bis auf Weiteres von seiner Passion zu leben.

Wovon die handelt, ist unverkennbar: Dicke Rollen Rindsleder stapeln sich unter den alten Werktischen und überall sonst im Raum. Stanzen, Ahlen, Garnrollen und Hunderte dekorativ abgenutzte Werkzeuge baumeln an den Wänden. Es riecht so dicht und gut nach Leder und Lederpflege, als wäre man in einen alten Pfeifenbeutel gefallen. Unter der Decke hängt das übersichtliche Sortiment, das hier entsteht: eine Handvoll schlichter, großer Handtaschen aus weichem Leder in der Farbe von altem Cognac. Es ist das einzige Leder, das er verarbeitet, weil es mit den Jahren immer schöner wird, während schwarzes Leder immer nur schwarz bleibt.

Und auf Jahre, eher noch Jahrzehnte, sind seine Taschen schon angelegt, dafür bürgen die gewaltigen Hände und die Leidenschaft dieses Mannes für perfekte Produkte, die ihn erstmal ohne Punkt und Komma schwärmen lässt: von diesem letzten richtig gewachsten Sattlerfaden, den er aus Frankreich bezieht. Von filigranen Taschenmessern und seinem alten Lada Niva. Von dieser Italienreise, bei der er jeden Abend in der gleichen Osteria gegessen hat, so lange bis die Köche ihm das Rezept ihres Sauerteigbrotes verrieten, das er jetzt jeden Tag backt, für sich und seine Verwandten hier im Haus. Alexander von Bronewski ist ein Allround-Connaisseur, ein wandelnder Manufactum-Katalog, ein Mensch, beseelt von Qualität und Liebe für Details.

Die Arbeit braucht Kraft und wohlgezielte Schläge

Ein bisschen ist sein Brot für die Mitbewohner auch Entschuldigung dafür, dass es in seiner Werkstatt nicht immer leise zugeht. Die Arbeit mit dem dicken Leder braucht Kraft und wohlgezielte Schläge. Zum Beispiel auf die Prickeisen, mit denen die Löcher erst markiert werden, bevor Bronewski sie dann mit der Ahle durchsticht. Luxus entsteht in dieser Werkstatt vor allem durch Weglassen. Damit sind nicht nur die schnörkelfreien Formen der Taschen gemeint, sondern auch das Fehlen einer Nähmaschine. Bronewski näht alles von Hand. Bedeutet: zwei lange Sattlernadeln und viele Schwielen. Handnähen gilt in der Täschnerzunft als das qualitative Nonplusultra, wird allerdings kaum mehr praktiziert. Erst in den obersten Kategorien bei Hermès findet man handgenähte Taschen, deshalb ist es für Bronewski die absolute Traummanufaktur - er hat alle Bücher über die Marke neben seinem Werktisch stehen.

Alexander von Bronewski Manufaktur

Keine Nähmaschine - hier ist alles auf die Arbeit mit zwei Händen ausgelegt.

(Foto: Tobias Westen)

Was der Quereinsteiger Bronewski hier in seiner kleinen Werkstatt mit beiden Händen hochhält, ist also nicht nur eine exzentrische Passion, es sind auch lebensverlängernde Maßnahmen für ein altes Handwerk. Um sich fortzubilden, sammelt er Produkte aus vergangenen Epochen, als noch viel Leder mit der Hand verarbeitet wurde. "Am meisten lerne ich von Reitaccessoires und Schweizer Armeetaschen. Es ist unglaublich, wie viel Sorgfalt damals in diese Ausrüstung gesteckt wurde." Er zeigt die sauberen Sattlernähte und verstärkten Details, dank denen eidgenössische Kartentaschen auch nach siebzig Jahren noch tadellose Gebrauchsgegenstände sind, er rühmt die unverwüstlichen Schnallen und Ösen. "Vieles von diesen Techniken geht auch verloren, weil das Material dafür fehlt. Und weil die Menschen kein Qualitätsbewusstsein mehr haben. Früher, als Sattler und Schmied noch im Dorf waren, hatte jeder eine ungefähre Vorstellung, worum es dabei geht."

Mit Schnallen fing seine Lederwerkstatt überhaupt erst an. Bei einer Freundin kam Bronewski vor einigen Jahren zufällig mit Feingusstechnik in Kontakt und machte zum Spaß ein paar massive Gürtelschnallen für sich, dann für seinen Freundeskreis und schließlich, dank steter Nachfrage, auch für ein paar Boutiquen hier am See. Damals klagte ein Händler, dass für solche hochwertigen Schnallen die richtigen Gürtel fehlten. Also begann Broneweski, Gürtel aus Rindsleder zu nähen und zwar so, wie er alle Sachen macht: sorgfältig und mit Respekt für das Material.

Sechs Monate muss man auf die Tasche warten

Er begann diesen Werkstoff zu lieben, der so unverwüstlich und stabil und doch sinnlich und weich war. Den man mit den Händen schneiden, nähen, schleifen und polieren konnte und der später selbst schlechte Behandlung klaglos über sich ergehen ließ. In seinen Job in der IT-Branche kehrte er danach nicht zurück, Bronewski nähte weiter. Schaute sich ab, wie schwierigere Stellen und Übergänge gelöst wurden, zum Beispiel bei historischen Botentaschen aus den USA oder bei Pferdezügeln.

Irgendwann fragte seine Schwester, warum er nicht mal eine Tasche nähe, sie brauche eine, möglichst groß, möglichst zeitlos. So entstand die "Greta", heute verfeinert mit Innentasche, kleinem Fach mit Taschenmesser, Karabiner für Schlüssel - und einer Wartefrist von mehr als sechs Monaten für Kundinnen. "Die meisten akzeptieren das problemlos, wenn sie verstehen, dass ich hier alleine und ganz von Hand arbeite", sagt Alexander von Bronewski.

Alexander von Bronewski Manufaktur

Die lange Wartezeit auf seine Stücke macht die kleine Kollektion besonders exklusiv.

(Foto: Vogue Salon)

Er hat nur zwei Hände. Das heißt, er schafft etwa eine große Handtasche pro Woche, dazu einige Gürtel und vielleicht ein paar Exemplare der "Lindauer Markttasche", die er sein Einsteigermodell nennt: eine sehr geräumige Tragetasche aus gewachster schottischer Baumwolle, abgerundet mit schönen Lederhenkeln, die Bronewski zusammen mit einer Inklusionswerkstatt herstellt und die auch einen ausgiebigen Einkauf auf den üppigen Märkten dieses Landstrichs einstecken kann.

Mit dem geringen Output hat Bronewski mittlerweile seinen Frieden gemacht. Sicher, es gab Anfragen von Händlern, die er schätzt. Aber wie sollte er auch erst mal nur ein Dutzend Taschen für die Regale liefern? Was soll ein Gürtel in der Boutique kosten, der bei ihm aus der Werkstatt 200 Euro kostet - das Dreifache? Außerdem muss er darauf achten, dass sein wichtigstes Werkzeug nicht kaputtgeht - schon einmal hatte er zu viel genäht und seine Hände waren ein paar Wochen nicht zu gebrauchen. Deswegen gefällt es ihm so, wie es jetzt ist. Er hat eine Homepage, Instagram und Mundpropaganda und er arbeitet einfach Bestellung für Bestellung ab. Und nicht selten lernt er unter seinen Kunden dabei interessante Menschen kennen. Gleichgesinnte, wie er auf der ewigen Suche nach guten Dingen.

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