Es gibt wenige Menschen, die man an ihrem Schatten erkennt: Udo Lindenberg zum Beispiel, oder Otto Waalkes. Man kann sagen, dass man es als Autorität im jeweiligen Genre geschafft hat, wenn es so weit ist. Auch Anna Wintour, die unentthronbare Chefin der amerikanischen Vogue, ist eine solche Scherenschnittikone.
Der Haarhelm, eins mit der Sonnenbrille, auf einem Size-Zero-Körper, dazu die Silhouette aus schwingendem Rock und schmaler Mantelform - allen Mode-Hiwis gefriert das Blut schon in den Adern, wenn diese Gestalt noch hundert Meter entfernt ist. Grundsätzlich zeugt es von Charakter, wenn jemand bei seinem Stil bleibt, auch wenn die Mode anderes vorgibt. Andererseits wird diese Britin mit amerikanischer Staatsbürgerschaft ja so angebetet wie die Inkarnation des guten Geschmacks höchstselbst, und das, obwohl es extrem unfein ist, Sonnenbrillen in geschlossenen Räumen nicht abzunehmen. Wir verstehen ja: Wenn man sich das ganze Leben mit Mode befasst und sie dann auch noch selbst anwendet, wird man zwangsläufig verrückt.
Und merkt vielleicht nicht mehr, dass dieser Spionage-Ledermantel in Kombination mit Pythonstiefeln, Blumendruck und Strass um den Hals doch sehr nach Witwen-Kaffeekränzchen in Dallas aussieht. Taugt die 68-Jährige, hier auf dem Weg zum Modeempfang in 10 Downing Street, also etwa gar nicht mehr als modischer Kompass? Klar doch: Sie erinnert uns und vor allem ihre Landsleute daran, dass es für den persönlichen Stil gar nicht gut ist, Europa zu verlassen.