Ladies & Gentlemen:State of the Union

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(Foto: AFP, AP)

Lage der Nation: Bei Trumps Rede trugen die Demokratinnen Weiß und der republikanische Politiker Mitch McConnell einen Anzug aus längst vergangenen Zeiten.

Die Farbe der Gefahr: Alexandria Ocasio-Cortez

Sind weiße Hosenanzüge alltagstauglich? Natürlich nicht. Dachten wir. Bis vor ein paar Tagen. Da wunderte man sich, wie viele Frauen so ein Ding im Schrank haben. Die Demokratinnen trugen bei Trumps Rede zur Lage der Nation in Scharen Weiß, und plötzlich fluteten die Designer die Instagram-Kanäle mit ihren White-Suit-Varianten. Die wütenden Demokratinnen hätten auch noch die beiden anderen Suffragetten-Nuancen, Lila und Grün, zur Verfügung gehabt, die keine unwichtigen Botschaften verbreiten - nämlich Würde und Hoffnung. Aber erstens sind diese Farben nicht gerade freundlich zum Teint, und zweitens wussten schon die Frauenrechtlerinnen Anfang des 20. Jahrhunderts: nichts macht die Männer so nervös wie geballtes Weiß. Denn in der Menge wirkt es nicht mehr unschuldig, sondern subversiv. Ein Symbol der Unterwerfung (Hochzeitskleid) steht plötzlich nicht mehr für Unberührtheit, sondern für den klaren, reinen Geist und Intellekt - der Frau. Wir sollten also alle öfter Weiß tragen und der langweiligen Mode endlich wieder einen Sinn geben! In der praktischen Umsetzung sieht das idealerweise so aus wie beim Shootingstar der amerikanischen Politikszene, der 29-Jährigen Alexandra Ocasio-Cortez. Sie trug ein Blazer-Cape mit spitzen Schultern und kombinierte das virtuos mit roter Lippe und Creolen. Und einer sexy Bitch-Ungerührtheit bei den Pick-Up-Lines des Präsidenten (sie blieb sitzen). Ja, so wird Weiß alltagstauglich: Dem Patriarchat nicht länger entgegenkommen. Das gibt nur Flecken. Julia Werner

Das Hemd der Hoffnung: Mitch McConnell

Wenn man so möchte, ist Mitch McConnell das alte Amerika. Oder besser gesagt, die alte republikanische Partei. McConnell war schon unter Präsident Gerald Ford im Weißen Haus unterwegs und sitzt seit mehr als 30 Jahren im Senat. Heute ist er Majority Leader und hat viel erlebt, aber diese letzte "State of the Union" dürfte auch ihm vollends klar gemacht haben, dass seine Weltordnung nicht mehr gilt. Nicht unter einem irrlichternden Präsidenten, nicht mit einer Opposition, in der die Frauen langsam eine stabile Phalanx bilden. In dieser Zeit der bröckelnden Grundfesten hat er natürlich das Outfit gewählt, das wie kein anderes für vergangene, bessere Zeiten steht: Kreidestreifen-Anzug von Brooks Brothers, darunter das ordinär babyblau gestreifte Hemd mit weißem Kontrastkragen. Diese Kuriosität der Herrengarderobe, das sogenannte Winchester-Hemd, wurde nicht nur in den USA erfunden, es hat dort in den Achtzigerjahren an der Wall Street auch seine prominenteste Epoche erlebt. Zu den Börsenheinis passte der Zirkus-Touch irgendwie ganz gut, den derart abgesetzte Kragen und Manschetten unweigerlich verbreiten. Statt diese Seltsamkeit zu sehen, leiteten andere Männer aber vor allem die Machtfülle aus dem Look für sich ab, bis heute steht er für einen bestimmten Typus des breitbeinig auftretenden Geschäftsmannes. Eines Mannes, der auch ein bisschen sagt: Mode muss mir gehorchen, nicht ich ihr. Die Achtziger waren auch die beste Zeit für die Republikaner - vielleicht verlagert sich Mitch bald ganz auf die Denkmalpflege. Max Scharnigg

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