Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Springerstiefel

Kampfschuhwerk für sie und für ihn, endlich mal wieder festen Boden unter den Füßen: die kommende Saison lässt sich nur mit einer dicken Sohle überstehen.

Für sie: Auf in den Kampf

Gut, dass bald Winter ist. Denn es gibt viel, worüber man sich aufregen müsste. Aber das fällt im Sommer ja so schwer, denn eine Frau kann nicht wütend aufstampfen, wenn sie nichts an den Füßen trägt als eine leichte Ledersohle mit Bändern. Es ist also höchste Zeit, die Sandalen gedanklich einzupacken und sich mit dem wichtigsten Schuhtrend für den Herbst zu befassen: schweren Springerstiefeln, am besten mit traktorenreifendicken Sohlen. Viele Designer ließen ihre Models in solchem Kampfschuhwerk über den Laufsteg marschieren, allen voran Miuccia Prada. Allerdings sah der Rest ihres Looks überhaupt nicht aggressiv aus. Sondern so: obenrum verliebte Lady mit weiblichen Ausschnitten, untenrum Soldatin. Zu alledem wuchsen auch noch fast verwelkte Stoffblumen aus Kleidern und Accessoires. Aber eben nur fast. Was man als seidenes Symbol lesen kann, dass es echt fünf vor zwölf ist, und wir uns jetzt mal lieber schnell bei den Freitagmorgen-Demos der Kids einreihen sollten. Im Aufbegehren liegt nämlich etwas Tiefromantisches. Es bedeutet, dass man die Hoffnung noch lange nicht aufgegeben hat. Man muss dafür nicht gleich in Combat-Garderobe in den Untergrund gehen, man braucht nur das passende Schuhwerk! Also rein in die kiloschweren Boots und den Planeten retten. Dass man in diesen Schuhen aber auch tiefenentspannt durchs hundekotbedeckte Paris flanieren kann, ist natürlich ein weiteres Plus. Julia Werner

Für ihn: Boden unter den Füßen

Wo die Damen diesen Herbst überall mit Springerstiefeln flirten können, tun sich die Herren ein wenig schwer - egal wie fashionable der Schuh gerade geworden ist. Aber vor allem in England und Deutschland hat diese Stiefelgattung eben immer noch eine schwierige Stahlkappen-Vergangenheit und ist aus der Gemengelage von Punk-, Skin- und Neonazi-Kultur nur schwer zu lösen. Gut, dass viele Häuser deswegen jetzt eine etwas entschärfte Version dieser "Bovver Boots" zeigten - wie hier etwa die Marke Hermès. Ziemlich klobig und schwarz bleiben die Stiefel auf jeden Fall, aber eben nicht unbedingt so aggressiv wie die Vorfahren. Was für Sneakers und Sandalen schon galt, gilt eben auch hier wieder: Ohne brutalistische Formgebung geht es derzeit am Fuß nicht. Aber wenn man sich die dicken Rahmen und wuchtigen Sohlen ein bisschen wegdenkt - und bei schwarzen Schuhen geht das ganz gut - nähert sich die Mode damit eigentlich dem historischen Herrenschuh an. Denn der war ja ursprünglich keineswegs ein Halbschuh, sondern bedeckte selbstverständlich den Fuß bis weit über den Knöchel. Gut so! Nicht nur für einen sicheren Auftritt und einen gewissen Schutz gegen rabiate E-Scooter-Fahrer. Auch die Landplage der flippigen Strümpfe, die aus jeder zweiten Herrenhose ragen, wäre damit ein bisschen einzudämmen. Streng, schwarz, stark - der Mann versucht diesen Winter jedenfalls, ein bisschen sicheren Boden zurückzugewinnen. Max Scharnigg

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Quelle:
SZ vom 24.08.2019
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