Ladies &Gentlemen:Neue Brillen haben Kabelanschluss

Balenciaga und Bose präsentieren Hightech auf der Nase. Aber sind smarte Brillen wirklich das neue Trendaccessoire? Oder einfach nur ein weiterer technischer Fummelkram mit kurzer Halbwertszeit?

Von Julia Werner und Max Scharnigg

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Für sie: Disco auf der Nase

Das Label Balenciaga präsentierte auf dem Laufsteg neulich mit dem ihm eigenen Todesernst eine Weltneuheit: die LED-Sonnenbrille! Gemeint war damit ein Brillenmodell, bei dem das Designer-Logo am Bügelrand leuchtet. Es ist damit also das sauteure Pendant zum blinkleuchtenden Kinderturnschuh, einem pädagogisch eher fragwürdigen Produkt. Der noch halbwegs normale Betrachter denkt sich bei derlei ja hoffentlich erst mal: Wozu? Leider sind Menschen, die auch beim Anblick erwachsener Frauen auf Gummi-Einhörnern eher weniger enthusiastisch sind, mittlerweile in der Minderheit, weswegen es wohl definitiv einen Markt für diese Art von Technik-Ballast gibt. Und es ist ja auch unglaublich, was die Brille alles kann - sogar in mehreren Farben und Mustern leuchten, dabei blinken und von einer Farbe in die andere übergehen! Außerdem lässt sich die Kirmesbrille über einen Berührungssensor steuern. Das Licht erlischt also, wenn man die Brille wieder zusammenklappt, sie umgedreht für mehr als fünf Sekunden auf einer Oberfläche ablegt oder dreimal antippt. Das Steuern und Aufladen ist natürlich ganz schön viel Arbeit für etwas, das netto nicht viel weniger bescheuert aussieht als die LED-Accessoires, die unlustige Gastgeber neuerdings auf Partys an ihre Gäste ausgeben, damit sie lustig werden. Allerdings leuchten ja heutzutage immer weniger Modelabels am Designhimmel wirklich hell. Und auch immer weniger Frauen von innen. Weswegen die Brille zwar eine sinnlose, aber durchaus zeitgemäße Erfindung ist. Wo nichts mehr von selbst glänzt und glitzert, da muss eben mit ein bisschen Akku-Power nachgeholfen werden. Julia Werner

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Für ihn: Ohren, die Augen machen

Der Zeitgeistprophet Sascha Lobo hat gerade den Kopfhörer zum wichtigsten Kulturprodukt der Epoche erklärt. Das menschliche Ohr, so die Prognose, werde der nächste Spielplatz des digitalen Fortschritts. In diesem Sinne ist die "Frames" Sound-Sonnenbrille des Herstellers Bose also ein wirklich zukunftstaugliches Gerät. Die Lautsprecher wurden dabei in die Bügel integriert und beschallen die Ohren des Trägers so zielgerichtet, dass es den unbeteiligten Sitznachbarn eben nicht im Trommelfell jucken soll. Die Brille zieht ihre Inhalte vom Smartphone, und neben dem Einsatz für Musik und Telefongespräche (ein Mikro ist auch integriert) soll sie auch mit Apps korrespondieren, sodass man zum Beispiel beim Navigieren die Richtung eingeflüstert bekommt. Nun ist eine Verbindung von Brille und Sound durchaus reizvoll, weil man im Sonnenbrillenmodus ja oft auch im Musikhörmodus ist. Allerdings wirft diese Mariage schon auch einige Praxisfragen auf - wie seltsam ist es bitte, sich etwa in der U-Bahn leicht theatralisch die Sonnenbrille aufzusetzen, weil man was hören möchte? Und wie gefährlich, einen doch eher flüchtigen Gebrauchsgegenstand wie eine Sonnenbrille mit derart weitreichenden Funktionen auszustatten? Im Mietwagen vergessen, draufgesetzt, ins Bier gefallen - da ist es mit einen "Hoppla!" wohl nicht mehr getan. Zudem hat man mit der Soundbrille noch ein Teil mehr, das nach seiner Akku-Nabelschnur ruft und geladen werden möchte. Gut ist allerdings, dass die Akustikleute es geschafft haben, das Gedöns in ein angenehm zeitloses Chassis zu bauen, und sich nicht an Hightech-Brillen in Science-Fiction-Filmen orientierten. Denn dann wäre die Bluetooth-Brille eben doch genau das geworden, wonach es klingt: Unsexy Nerdkram. Max Scharnigg

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