Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Mode in Zeiten des Videomeetings

In vielen Firmen sind casual weeks angebrochen - weil man die Kollegen nur noch am Bildschirm zuschaltet. Zufällig hat die Sommermode genau die richtigen Looks für dieses Prinzip.

Für sie: Obenrum anspruchsvoll

Wenn es noch einen Grund gibt, in der Zukunft wieder in ein Büro zu gehen, ist es der Antiverlotterungseffekt. Denn sich morgens duschen und ordentlich anziehen, das macht man ja nur aus Respekt gegenüber seinen Mitmenschen. Da können Modeblogs und Magazine noch so viele Loungewear-Tipps geben - nicht Seidennegligés und Strickjacken halten die Frau in der Isolation von einer Dittsche-Existenz im eigelbbefleckten Bademantel ab. Sondern die leidige Videokonferenz. Wie also sich einmal am Tag zusammenreißen? Indem man, zumindest obenrum, das trägt, was auch an einem echten Konferenztisch angemessen wäre, also frisch gestärkte Bluse oder Blazer. Die neue Sommermode wirkt auf die Coronaviruskrise nur auf den ersten Blick unvorbereitet, sie hat ein paar Glückstreffer gelandet. Zum Beispiel: die neue Liebe zu kurzen Hosenanzügen. Dieser Entwurf des New Yorker Labels Carolina Herrera ist ein Paradebeispiel: obenrum mit skulpturalen Ärmeln interessant, untenrum egal. Es gilt jetzt eben, unbedingt am Eindruck festzuhalten, dass man die Kontrolle über sein Leben nicht verloren hat - vor allem gegenüber sich selbst. Julia Werner

Für ihn: Untenrum frei

Wenn man der Lage zumindest eine heitere Fußnote abgewinnen möchte, dann ist es vielleicht der Einblick in die Wohnungen der Kollegen, den man auf einmal bekommt. Die wenigsten sitzen bei der Videokonferenz in einem sterilen Studio, sondern dort, wo eben der heimische Rechner aufgebaut oder der Laptop positioniert ist. Ungemachte Betten, nackte Glühbirnen oder fragwürdige Wandfarben werden dabei offenbart, genau wie die häusliche Zivilkleidung. Denn so weit, daheim Krawatte zu tragen, gehen heute ja nicht mal mehr die Chefs. Weil nun also in vielen Firmen Casual-Weeks angebrochen sind, kann man mit wenig Aufwand modisch punkten - frische Rasur, Hemd und Anzugjacke in etwas gewagteren Farben lassen zum Beispiel den Eindruck aufkommen, der Kollege führe auch an Tag zehn der Quarantäne noch ein stilsicheres Privatleben. Dass derlei nicht zulasten der Bequemlichkeit gehen muss, war auf vielen aktuellen Laufstegen zu beobachten - das Geläuf des Mannes wurde allerorten befreit und mit kurzen Hosen oder gar faltenrockigen Arrangements umgarnt, wie bei diesem Look von Louis Vuitton. Oben repräsentativ, unten privat - eigentlich eine gute Gentleman-Regel, auch ohne Krise. Max Scharnigg

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Quelle:
SZ vom 28.03.2020
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