Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Mit Schirm und Charme

Gut bedacht? Über eine Königin, die ihren Schirm mit viel Würde selbst trägt, und einen Tennisspieler, der darunter irgendwie verloren geht.

Von Julia Werner & Max Scharnigg

Für sie: Das Zepter

Ein unterschätztes Accessoire der Damengarderobe ist der Schirm. Die moderne Frau hat nie einen dabei, höchstens verfügt sie über einen geklauten mit Hotelaufschrift oder einen schiefen Knirps im Kofferraum, der sich aber, wenn es gießt, immer außer Reichweite befindet. Das ist schade, denn der Schirm bietet mehr Vorteile, als man denkt. Richtig gehalten kann er einem königliche Würde verleihen, wie wir hier bei einer Militärparade sehen. Der belgischen Königin Mathilde wird der Schirm nicht etwa von einem Lakaien gehalten, sie übernimmt das selbst, was ihr eine gewisse Stärke verleiht. Der Schirm, von ihr kerzengerade über dem Kopf justiert, symbolisiert, dass dieser Frau und dieser Frisur nichts etwas anhaben kann, kein Hagelsturm und keine Windböe. Ich mach mein Ding einfach weiter, egal was passiert, lautet die Botschaft. Die modische Aussage von Regenmänteln mit Kapuzen ist eine völlig andere - sie sind praktisch, weil die Hände weiterhin frei bleiben, machen eine Frau aber im Handumdrehen zu einem begossenen Pudel, der sich den traurigen Umständen angepasst hat. Königin Mathilde hat natürlich alle Hände voll zu tun, denn auf der anderen Seite muss sie auch noch ihre Tasche halten. Aber auch das ist in Wahrheit ein Vorteil: sie muss niemandem winken oder salutieren! Ist das nicht großartig? Nur, wenn es niemand sieht, also irgendwo in den Tiefen eines Parks, darf der Schirm übrigens träumerisch auf der Schulter abgelegt werden wie in einem Jane-Austen-Film. Mehr Romantik ist im Moment leider nicht drin.

Für ihn: Der Weichmacher

Keine gute Situation für den amerikanischen Tennisspieler Sam Querrey: Regenpausen im Match sind legendäre Konzentrationskiller. Auch stilistisch läuft das alles für ihn suboptimal. So mühelos sich die Spieler bei den French Open als heldenhafte Matadore auf den Grundlinien inszenieren können, so schnell schwindet dieser Eindruck, wenn sie sich unter einem selbstgetragenen Schirm vor ein paar Regentropfen verstecken müssen. Es beschleicht einen als Zuschauer dann kurz das Gefühl, der stolze Athlet hätte sich in eine Art Kinderkarussell verwandelt. Der sponsorenbunte Schirm trägt hier freilich dazu bei, fehlen eigentlich nur noch lustige Gummistiefel. Auch wenn Querrey nicht viel anderes übrig bleibt, man sollte einfach nicht in kurzen Sporthosen vor Publikum sitzend einen Regenschirm aufspannen und dann noch an einer Plastikflasche nuckeln. Das sind zu viele, äh, läppische Signale. Der männlichste Regenschirm ist immer noch der ordentlich gerollt getragene mit Holzgriff, von einem der letzten guten Hersteller (z.B. Brigg, Pasotti oder Maglia), wie er im Herbst selbstverständlich zum Handgepäck eines Gentlemans gehört. In diesem geradlinigen Zustand ist er zeitloses Symbol umsichtiger Souveränität und lässt sich zudem wie eine Waffe führen. Schon die seidenen Meisterwerke dann tatsächlich aufzuspannen, schmälert bei allem Nutzen die Gesamtmännlichkeit beträchtlich. Es hat eben immer eine Spur Lächerlickeit, wenn ein gestandener Mann sein eigenes Dächlein mit sich herumträgt. Deswegen wohl klappen im Londoner Geschäftsviertel die meisten Herren selbst bei akutem Schneeregen maximal den Kragen ihres Jacketts hoch, als einziges Zugeständnis an die Elemente. Für Querrey hätte das nicht viel gerettet. Nach dem Regen verspielte er seine opulente Führung gegen den Russen Andrej Rublew und schied aus dem Turnier aus.

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