Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Meltdown im Met

Allerlei Kostümkapriolen wurden auf der Met-Gala in New York gezeigt. Weit vorne in Sachen Wahnsinn: Cardi B. im Riesenkleid und Jared Leto mit seinem Ersatzkopf.

Für sie: Nach mir die Sintflut

Einmal im Jahr kommt die Modebranche zusammen und feiert Fasching. Finden wir eigentlich gut. Aber aus der Met Gala, organisiert von Anna Wintour, ist eine Art Battle geworden: die Gäste versuchen das Motto der Party, das sich aus der Eröffnung einer gleichnamigen Ausstellung ergibt, auf spektakuläre Weise zu erfüllen und die anderen zu übertrumpfen. Im letzten Jahr war das Thema, wir erinnern uns: die katholische Kirche, und Rihanna schockte niemanden als Päpstin. In diesem Jahr war es Susan Sontags Essay "Notes on Camp". Darin erörterte sie 1964 den Begriff Camp als Oberbegriff für geschmacklos gekonnte, also extrem glamouröse Fehlgriffe. Nichts leichter als das für die Hollywood-Elite! Federnumwallte Busen, Kronleuchter auf Köpfen und sonstige Spezialeffekte führten dazu, dass das Ganze so aussah, als hätten sich Avenger-Helden in die Sesamstraße verirrt. Und einige Frauen konnten sich gar nicht mehr ohne Hilfe die Treppen hinaufbewegen, weil sie meterlange Stoffberge trugen. Wie zum Beispiel der Rap-Star Cardi B in einem völlig sinnlosen Schneiderwahnsinn von Thom Browne. Mode hat ja offiziell was mit Zeitgeist zu tun. So gesehen war das Thema des Abends in Zeiten, in denen der Rest der Welt wegen Ressourcenverschwendung schlaflose Nächte durchmacht, natürlich perfekt umgesetzt: Mit nichts beweist man heutzutage schlechteren Stil als mit dieser Nach-mir-die-Sintflut-Einstellung. Aber Hauptsache Glamour. Julia Werner

Für ihn: Sein oder nicht sein

Das Motto der Met-Gala war gut gewählt: Das ganze betuchte New York googelte in den letzten Wochen, wie sich das hundert Jahre alte Modewort "camp" eigentlich definiert. Übertreibung? Kitsch? Romantik? Schlechter Geschmack? Museumsdirektor Max Hollein sagte in einem Interview sogar, auch Trump wäre camp, was die Sache noch komplizierter machte. Das Ergebnis auf dem pinken Teppich der Gala war dann eine breit gestreute ästhetische Schrotladung aus Farbe, Fransen und Fummel. Bei den Männern gab es immerhin eine Fraktion, die von vornherein die Waffen streckte und im nur minimal getunten Anzug kam, Tom Ford etwa oder Rami Malek - von dem umjubelten Freddie-Mercury-Darsteller hatte man aber natürlich deutlich mehr Pailletten erwartet. Unangefochtener Sieger war Harry Styles, der wieder gekonnt den Grat zwischen männlichem Mann und weiblicher Frau entlang tänzelte und beiden Lagern zur Ehre gereichte. Tja, und dann gab es noch Jared Leto, der mit Ersatzkopf aus dem Auto stieg. Alle, die zu viel vor dem Bildschirm sitzen (also alle), dachten da an irgendwas zwischen "Game Of Thrones" und Dracula, später posierte er mit dem Mobilschädel auch noch in Hamlet-Pose. Eine Parodie auf die versammelte Ego-Gesellschaft? Nein, Fashionnerds sahen die richtige Referenz sofort: Leto war an diesem Abend eine einzige, große Gucci-Verneigung. Bei der Herbst/Winter-Show 2018 von Alessandro Michele trugen die Models ihr Zweithaar ebenfalls auf diese makabre Art über den Laufsteg. Max Scharnigg

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Quelle:
SZ vom 11.05.2019
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