Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Letzte und allerletzte Geschenke

Hilfe, was schenkt man stilbewussten Menschen, die eigentlich schon alles haben? Na, klar: Vasen und Kerzen in ungewöhnlicher Form.

Für sie: Ode an die Vase

Kein moderner Mann sollte sich davon täuschen lassen, dass die Luxusboutiquen in der besinnlichen Zeit wie Pilgerstätten wirken. Nein, eine Designerhandtasche lockt keine moderne Frau mehr hinter dem Weihnachtsbaum hervor! Wer eine moderne Frau an seiner Seite und jetzt noch kein sexy Geschenk für sie hat, sollte also schleunigst umdenken. Diamanten machen alt, und Beauty-Treatments könnten als Affront ausgelegt werden. Wie wäre es aber mit einer Vase, der unterschätztesten Möglichkeit der Extravaganz? Die It-Vase ist die neue It-Bag, denn junge Töpferinnen erobern gerade per Instagram und Co. die Wohnzimmer. Da wäre zum Beispiel die Londoner Designerin Anissa Kermiche, die weibliche Formen zu wunderschönen Blumenbehältern macht. Torsi, Brüste, Hinterteile in verschiedenen Farben (über matchesfashion.com) - das sind ja wohl weitaus interessantere Orte für die ersten Tulpen als das langweilige Glasmodell. Und solche Präsente können durchaus als charmante Ode an die Weiblichkeit ausgelegt werden. Noch nicht überzeugt? Eine Freundin vermisste neulich ihren Hund beim Plätzchenbacken, und nach mehreren Stunden erfolgloser Suche murmelte sie lässig: Er ist bestimmt im Vasenkeller (wo sie vorher die Keksgläser geholt hatte). Es war der schickste Satz des Jahres, denn die meisten können von einem eigenen Raum für Schmuckgefäße natürlich nur träumen. Aber die Einstellung, die dahintersteckt, ist unbedingt zu übernehmen: je größer die Auswahl der Vasen, desto größer die Persönlichkeit. Julia Werner

Für ihn: Ach du dicker Docht!

Der anhaltende Hype um teure Duftkerzen ist soziologisch nicht uninteressant. Die Dinger sind einerseits genial, weil man sie auch demjenigen schenken kann, der sonst schon alles hat - so eine Kerze löst sich ja in Luft und Wohlgefallen auf. Andererseits gehört es weiterhin zu den fragwürdigen Konsumgelüsten des späten Homo Spaniens, daheim ein Pfund Duftwachs für 90 Euro abzufackeln. Trotzdem reihen sich Duftkerzen heute in jene Gruppe perfider Luxusgüter (Edle Picknickkörbe, designte Weindekanter, Swarovski-Operngläser) ein, die man so lange heimlich anschmachtet, bis man sie wirklich in seinen Besitz gebracht hat. Und im Falle der Kerzen dann umgehend feststellen muss, dass man leider zu geizig ist, sie auch anzuzünden. Oder einen Asthmaanfall bekommt, sobald sich Kerzen- und Atemluft vermischen. Oder dass man die duftende Luft in Wahrheit ziemlich scheußlich findet, sei die Komposition auch noch so ausgefeilt. Als Mann ist man zudem geneigt, über derart feinsinnigen Fitzel- und Dekokram ein bisschen hinwegzulächeln. Bei dieser 240<ET>Euro-Kerze vom Branchenprimus Diptyque aber fällt das schwer, denn das Ding wiegt fast zwei Kilo, hat fünf Dochte und ist groß wie ein Mülleimer. Dieser massive Kerzerich könnte also auch im markantesten Herrenloft bestehen, zumal er herb nach Lagerfeuer riechen soll. Fake-Lagerfeuerduft? Das passt ja zu den verhinderten Selbstversorgern in den Städten, mit ihren gepflegten Vollbärten und den Allradautos, die nie eine tiefe Pfütze sehen. Vier Auspuffrohre, fünf Dochte, sticht! Max Scharnigg

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Quelle:
SZ vom 21.12.2019
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