Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Küss den Arm, gnädige Frau!

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Frage zur EU-Etikette: Ist der Ellenbogen-Rempler wirklich die beste Methode, wenn Mann und Frau in Corona-Zeiten Verbundenheit signalisieren wollen?

Union-Jäckchen festhalten!

Ursula von der Leyen ist ja für ihre Weltgewandtheit bekannt, weswegen sie natürlich gleich erkannt hat, dass der Ellenbogen die neue Wange ist. Deswegen setzte sie den Armkuss während des letzten EU-Gipfels auch gleich in rauen Mengen ein, so wie es Kosmopoliten bisher normalerweise mit dem Backenbussi machten. Egal, ob man sich sowieso gemeinsam die Nächte um die Ohren geschlagen hatte, ein mit gespitzten Lippen angetäuschter Luftkuss am Kopf des Gegenübers ging eigentlich immer! Mit dem Ellenbogenrempler ist das nun aber weitaus komplizierter. Denn er ist ja nicht so leicht und locker, sondern schon etwas brachial. Und als Triumphgeste auf der Bühne sieht er leider aus wie der hoffnungslose Versuch, irgendwie junggeblieben, ja, cool zu wirken. Das ist ja auch so ein Wort, das nur noch ältere Damen benutzen, die jetzt noch mal mit einer Social-Media-Karriere dynamisch durchstarten wollen. Klar, der Armkuss funktioniert, wenn eine Frau grade in Leggings und XL-Hoodie unterwegs ist. Aber wie begrüßt sie andere würdevoll, wenn sie sich wegen ihrer Position eher gediegen kleiden muss? Da muss ein Ritual her, das dafür sorgt, dass das akkurate Wellenkantenjäckchen an seinem Platz bleibt und nicht bei der ganzen ungelenken Akrobatik in Quasimodo-Formen verrutscht. Manche haben schon über den Wai nachgedacht, also die mit einer Miniverbeugung kombinierten zusammengelegten Hände vor dem Körper, die in Thailand eine Geste des Respekts sind. Da dieses Ritual aber viel nuancenreicher ist, als wir Ex-Händeschüttler es uns vorstellen können, hätten wir da noch einen anderen Vorschlag: ein Nicken mit einem freundlichen Lächeln, das muss vorerst ausreichen. Oder alternativ vielleicht modernere Jacketts tragen. Julia Werner

Ellenbogen einfahren!

Was den Mindestabstand angeht, so haben manche Männer die pandemischen Einschränkungen ja insgeheim begrüßt: endlich keine peinvolle Kollision zwischen Händeschütteln und Umarmen unter mittelguten Bekannten mehr. Endlich Schluss mit unklaren Küsschen-Protokollen bei von den mittelguten Bekannten zum Kino mitgebrachten Frauen. Solche Handgemenge und spontane Körperlichkeit mögen anderen Völkern liegen, hierzulande drückt da oft preußisches Unbehagen mit. Jetzt regelt man Küsschen-Küsschen und andere Begrüßungsgesten fernmündlich bzw. lässt sie gleich ganz bleiben, das entspricht dem Büffel-Ich mancher Männer am besten: hinstellen und über 2,50 Meter Abstand andere verbal anhupen. Toll! Bisweilen ist aber doch der Wunsch nach Körperkontakt da, dann ist der Ellenbogentouch ein Ausweg, wie hier auf EU-Bühne von Charles Michel und Uns Ursula vorgemacht. Dieses An-Ellen ist vor allem unter Männern beliebt, vielleicht weil die Bewegung ein bisschen ans Anstoßen am Biertisch erinnert, und weil solch ein Anknöcheln körperlich zumutbar ist. Ähnlich wie beim Fistbump ist dabei ja nichts Weiches involviert. Aber auch beim Ellenbogengruß gilt wie bei allen kleinen Körpergesten - lässig wirkt er nur, wenn er schnell und im Flow abläuft. Wenn hingegen, wie hier, in demonstrativer Geste fürs Foto angedengelt wird, sieht es doch eher nach Volkstanz aus. Vermutlich sollte ein Mann aber auch in der Krise nicht ungefragt eine Frau an den Ellenbogen dötzen. Es liegt darin doch etwas Ruppiges. Eine angedeutete Verbeugung ist vornehmer. Oder eben die Dame feierlich mit großen Schritten umrunden, dabei dreimal affektiert in die Hände klatschen und laut "Hekabe!" rufen. Max Scharnigg

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SZ vom 25.07.2020
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