Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Kragen hoch und durch

Stil beweisen in der Krise? Landwirtschaftsministerin Klöckner und Obermetzger Tönnies sind mit ihrer Berufskleidung dafür nur bedingt gute Beispiele.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Bauernkönigin: Julia Klöckner

Politikerinnen haben ein Recht auf Weiblichkeit. Dieses verwegene Spitzentop, das Julia Klöckner trägt, lässt vermuten, dass die Landwirtschaftsministerin gerne ein bisschen mehr Dorothee Bär wäre. Aber sie hat nun mal einen echten Job, muss sich um die Belange der Bauern kümmern und Videos mit dem Nestlé-Chef drehen. Sie muss das im Zusammenhang mit Massenschlachtung zynische Wort Tierwohl ausgestalten und dafür sorgen, dass die Fleischexportquote stimmt. Dafür braucht man brutale Kompromissbereitschaft. Die manifestiert sich in ihrem Stil, der ein Mix aus pfälzischem Weinkönigin-Sexappeal und Pragmatismus ist. Make-up und Strähnenfrisur sind feminin, aber akkurat, die Ohrringe nicht zu eitel, und der Stehkragen endet auf Turnerinnenhöhe, um dem Verdacht der Exzentrik zu entgehen. Der Blazer in frechem Gelb ist ein bisschen zu eng. Modernere, weitere Jackenformen könnten aber auf dem Land als Nachlässigkeit missverstanden werden. Mit urbanen Verbraucherinnen und Verbrauchern stilistisch zu kommunizieren fällt Frau Klöckner schwerer. Auch weil es denen auf den Verbrauchergeist geht, von Frau Klöckner so genannt zu werden. Man ist Mensch, nicht nur Konsument! Wobei: Angesichts des Erfolgs von mariniertem Discounterfleisch selbst in guten Vierteln trifft sie damit den richtigen Ton. Mit Menschlichkeit hat das ja nichts mehr zu tun. Julia Werner

Fleischmacher: Clemes Tönnies

Der Auftritt des Klebstofffabrikanten Haffenloher in "Kir Royal" hat einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von hiesigen Patriarchen und Mittelstandsmilliardären geleistet: Ja, diese Herren haben Geld. Aber sie mussten dafür eben auch jahrzehntelang Sachen machen, die keiner gerne macht. Haffenloher hockte mit seinen Chemikern und Klebstoffen in der Provinz. Clemens Tönnies dagegen hat es bekanntlich auf sich genommen, die bundesweite Versorgung mit Schweinehals zu organisieren, nebenbei den Fußballverein Schalke 04 zu beaufsichtigen und in Rheda-Wiedenbrück zu wohnen, einer Stadt, in der es ein Amateurtheater, aber drei Spielmannszüge gibt. Eine gewisse Härte im Auftritt und eine Ausstrahlung wie das Gegenteil von Zen sind bei Tönnies also quasi berufsbedingt. Spätestens seit dem Gerede von afrikanischen Kraftwerken und dem aktuellen Umgang mit einem Corona-Kollaps in der Belegschaft möchte man dem begeisterten Großwildjäger Tönnies aber doch zurufen: "Stop, das hätte sich nicht mal der Dietl so einseitig dreckig ausgedacht!" Klar, er trägt beim Pressetermin natürlich einen gut geschneiderten Geschäftsführeranzug mit perfekt abgelängten Hemdmanschetten - aber zum Beispiel keine Maske. Alphamännchen tun sich mit dem Stück Stoff im Gesicht ja oft wahnsinnig schwer. Warum eigentlich? Gerade eine großkopferte Physiognomie könnte derlei doch gut verkraften. Max Scharnigg

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Quelle:
SZ vom 27.06.2020
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