Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Karneval im Dezember

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Melania Trump traut sich was und trägt ein magisches Cape bei der Queen, Justin Trudeau hat keine Angst, sich mit Kindersocken zu blamieren.

Für Melania: Zaubercape

Capes haben magische Kräfte. Sie werden von Superhelden (Batman) und Superbitches (Cruella de Vil) getragen, aber eher selten von Menschen, die nicht gerne im Mittelpunkt stehen. Denn ein gut geschneidertes Cape ist mit jeder Bewegung die stoffgewordene dramatische Geste. Bei First Lady Melania Trump ist bis heute unklar, ob in ihren modischen Entscheidungen böse Botschaften oder Hilferufe stecken - oder ob sie einfach Verkleidung einer Frau sind, die First Lady spielt. Karnevaleske Fehltritte hat sie einige hinter sich, man denke an den kolonialistischen Tropenhelm im Nationalpark von Nairobi. Diesmal, anlässlich einer Teestunde bei der Queen, stöckelte Trumps Gattin in kein Fettnäpfchen, denn das Gelb ihres Valentino-Modells im Mix mit Fuchsia ist selbst für Royals keine gewagte Farbkombination. Fleißpunkte erhält sie auch dafür, dass sie bereit ist, das Cape-Risiko zu tragen, welches die Trägerin zu einem genderneutralen Nussknacker macht. Was wohl die wahre Superkraft des Capes ist: Es stellt die Frau in den Fokus und verstellt gleichzeitig den Blick auf sie. Mit 95 Prozent Woll- und fünf Prozent Kaschmiranteil ist die Schutzhülle außerdem für draußen gedacht. Melania ließ es die ganze Zeit an. So sehr kann es doch im Palast gar nicht ziehen! Andere hätten nach fünf Minuten Schweißperlen über der Lippe gehabt, der First Lady aber war keine Hitzewallung anzusehen. Schon letzte Woche, als sie die Weihnachtsdeko des Weißen Hauses präsentierte, trug sie einen Mantel. Der Armen muss wirklich kalt sein. Julia Werner

Für Justin: Kinderstrümpfe

Justin Trudeau wirkte zu Beginn seiner Amtszeit zwischen den anderen Regierungschefs wie dieser Schüler, der mitten im Jahr in die Klasse kam: irgendwie interessant, irgendwie neuartig, irgendwie cool. Alle wollten was von ihm! Bei Trudeau hat sich dieser Effekt nun zuletzt abgeschwächt, vielleicht aber nur, weil er eben nicht mehr der Neue ist. Leider kleidet er sich immer noch in flapsiger "Hoppla, hier bin ich!"-Manier, und nirgends wurde das schmerzhafter deutlich als auf dem Gruppenfoto beim Nato-Treffen in London. Dort saß Trudeau in direkter Nähe zur würdevoll verschrumpelten Queen; er zeigte grienend hellbraune Schuhe zum dunklen Anzug, garniert mit peinlichen, gemusterten Kinderstrümpfen und wirkte auch sonst nicht ganz auf Augenhöhe mit den Erwachsenen. Mit seinen Strümpfen betreibt Trudeau ja seit jeher eine nervtötende Neckerei, die Googlesuche spuckt Hunderte Bilder aus, auf denen er schrille Strumpfpaare präsentiert. Er benimmt sich also wie ungefähr 95 Prozent aller mittelalten Männer, die beruflich Anzug tragen müssen und es für angebracht halten, deshalb an den Knöcheln den Punk rauszulassen. Der lustige Strumpf ist aber wirklich nur noch so originell wie ein ausgedruckter Dilbert-Comic an der Bürotür. Dunkelgraue Seidenstrümpfe und die Regel mit den schwarzen Schuhen zum dunklen Anzug sind langweilig? Okay, aber es geht hier um ein Verteidigungsbündnis. Und um einen Mann von annähernd 50 Jahren. Zumindest eines von beiden hat ein bisschen Respekt verdient. Max Scharnigg

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Quelle:
SZ vom 07.12.2019
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