Ladies & Gentlemen:Gute Kostüme, schlechte Kostüme

Greta-Zöpfe, Joker-Schminke: Karneval macht seine eigene Mode. Der Spaß bleibt dabei gelegentlich auf der Strecke.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

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(Foto: Karneval Megastore)

Unappetitlich: Joker-Schminke

Das bestverkaufte Kostüm in diesem Jahr ist in den Karnevalskaufhäusern angeblich das Modell "Joker". Weil Joaquin Phoenix für selbige Rolle den Oscar gewonnen hat? Dann wäre das Trendkostüm nur ein Beweis dafür, wie fantasielos manche Männer sind. Zwischenmenschlich lauern damit ganz andere Gefahren. Denn der Joker verbreitet keine Angst, er hat sie aber selbst - und zwar vor Zurückweisung. Was Ironie des Schicksals ist, weil jede Frau vor dem Joker zurückweichen wird, und sei es nur, um das eigene sexy Katzenkostüm vor der Mischung aus Karnevalsschminke und Kneipenschweiß zu retten. Ja, lieber unsicherer Mann, das Lallen ins Ohr einer Frau wird mit Joker-Schminke ungleich schwerer als im wahren Leben! Männliche Verwegenheit ist natürlich trotzdem der richtige Weg zum Flirtziel. Weil beispielsweise ein Froschkostüm zwar lustig, aber eben auch nur das ist. Nur bitte weder zum Piloten werden (zu eitel) noch zum Wikinger (zu archaisch)! Die Idee des dominanten Schurken ist gut, sollte aber klassisch umgesetzt werden: als Pirat oder als Arzt. Augenklappen und OP-Kittel - dies ist der Rat vom Monaco Franze und einer karnevalserprobten Rheinländerin - haben sich über die Jahrzehnte als Abschleppverkleidung bewährt. Der Pirat suggeriert eine gewisse lustige Bodenständigkeit, der Chirurg hingegen eher eine präzise Abgründigkeit. Abfuhren gehören aber im Fasching übrigens genauso dazu wie im wahren Leben. Dass niemand mit einem reden will, weil man irgendwie irr aussieht, allerdings nicht. Julia Werner

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(Foto: PR/Puschelz)

Unvermeidlich: Greta-Zöpfe

Ach doch, das kann man sich ja lebhaft vorstellen, wie irgendsoein Ulf zum Feuerwehrfasching kommt, mit seiner Greta-Perücke und schon ordentlich Saufdampf im Kessel und gleich großes Stammtisch-Hallo und befreites Aufgrölen erntet. Denn das ist ja schon seit dem Pausenhof ein bewährtes Mittel, Mitmenschen, deren Wesen man nicht gleich ganz erfasst, vorsichtshalber mal als lächerlich zu deklarieren. Erspart jede weitere Denkarbeit. Nun ist im Karneval allerlei erlaubt, und es war zu erwarten, dass die dauerpräsente Greta dabei humoristische Verarbeitung erfahren wird. Ist ja auch o.k. Noch schöner wäre das allerdings, wenn Kostüme bei Erwachsenen weiterhin so funktionieren würden wie bei Kindern - man verkleidet sich als das, was man gerne wäre oder zumindest cool findet. Dieser Ansatz geht irgendwann flöten, bei Erwachsenen erleidet der fröhliche Eskapismus eines Faschingkostüms jedenfalls meistens eine eher banale Umdeutung: möglichst gruslig, möglichst albern, möglichst flirttauglich soll es sein. Was davon gilt für die Greta-Zöpfe samt Strickmütze, die derzeit im Online-Kostümhandel zu erwerben sind? Im Fall des fröhlichen Ulfs von oben ist es eben einfach nur alberne Herabwürdigung. Als Pippi Langstrumpf würde er sich ja vermutlich nicht verkleiden, denn das hat ja gar kein Hämepotenzial und wäre eher peinlich bei den Kumpels. Greta aber funktioniert, weil man endlich mal offen über die Kleine lachen und sich einmal im Leben noch überlegen fühlen kann. Uff, Ulf. Max Scharnigg

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