Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Gut verpackt

Für Frauen gibt es endlich wieder eine echte It-Bag. Und Männer müssen sich endgültig an die Herrenhandtasche gewöhnen.

Für sie: Fluffiges Ruhekissen

Eigentlich gab es an dieser Stelle regelmäßig einen Abgesang auf die Handtasche. Weil Statussymbole einer Frau das Leben unnötig schwer machen und die sogenannten Belt Bags den Frauen endlich die Hände frei hielten, um ihre Pläne und Karrieren durchzuziehen. Aber jetzt ist alles anders. Denn die Modewelt hat nach einer langen Durststrecke endlich wieder eine echte It-Bag. Also eine mehrere tausend Euro teure Tasche, für die manche Frau ein paar Monate auf Knäckebrot umsteigen würde. Sie sieht aus wie ein knautschiges Lederkissen, heißt "Pouch" und kommt von Bottega Veneta (über matchesfashion.com). Die Frage, warum Modefans ausgerechnet dieses Modell begehren, das es in ähnlicher Weise schon Dutzende Male gegeben hat, kann man damit beantworten, dass Bottega Venetas Kreativchef Daniel Lee vorher für Phoebe Philo bei Céline gearbeitet hat, was als Qualitätsmerkmal wahrgenommen wird. Oder damit, dass jetzt die Zeiten beginnen, sich locker zu machen. Wir haben in den letzten Jahren ja wohl genug den Bizeps spielen lassen! Also ab auf die Parkbank, Beine hoch und: Kissentasche unter den Kopf, um tatenlos in den Himmel zu starren. Wie aber trägt man das gute Stück, wenn man nicht liegt? Die Pouch ist eine Clutch, also riemenlos, wird deshalb in der Hand gehalten, unter den Oberarm geklemmt - oder zärtlich umarmt. Also so wie das Kissen nachts, wenn es mal wieder einsam geworden ist, weil man tagsüber ein bisschen zu hemdsärmelig unterwegs war. Deswegen heißt es jetzt vorerst: Tschüss, Gürteltasche. Julia Werner

Für ihn: Gurte zum Anpacken

Nachdem sie es jahrzehntelang angedroht hatte, ist die Herrenhandtasche ja tatsächlich doch noch Straßenwirklichkeit geworden. Heute wird sie von der Jugend geliebt, vom Fashion-Feuilleton nicht länger beargwöhnt und auf den Laufstegen in allen Varianten präsentiert, kurzum - das Ding ist da. Primus inter pares ist dabei dieses Modell von Off-White geworden, ständig ausverkauft, was man bei Virgil Ablohs eher versehentlich entstandenem Label heute freilich über jedes zweite Stück schreiben könnte. Seine Shell Belt Bag, mit dem industriell anmutenden Packgurt und einem irgendwie körpereigenen Format (sie wirkt ja beinahe wie ein externes Organ), erfüllt aber eben auch mustergültig die Anforderungen an ein maskulines Täschchen. Denn am Henkel herumgetragene Krokodilbeutelchen sind ja immer noch nicht jedermanns Sache. So ein Stealth-Stauraum aber, zwischen authentischem Handwerker-Accessoire und Parkourläufer-Equipment angesiedelt, ist problemlos auch mit eher traditionellen Vorstellungen von Männlichkeit kompatibel. Hände frei zum Anpacken! Und seien es auch nur Champagnergläser auf der nächsten Vernissage von Arvida Byström. Zudem sind diagonal über den Körper verlaufende Schärpen immer eine kraftvolle Erweiterung des Outfits - österreichische Politiker wussten das schon immer. Wenn auf der Schärpe dann noch die Insignien eines wirklich bedeutsamen Kleinstaates der Modewelt zu sehen sind, ist die Machtdemonstration geglückt. Max Scharnigg

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Quelle:
SZ vom 14.09.2019
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