Ladies & Gentlemen:Ghost als Musical

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(Foto: Marcel Schaar/stage Entertainment)

Der Film mit der Töpferszene kommt bald als Musik- und Tanzstück auf die Bühne. Sie lässt die Tonspritzer fliegen. Er formt alles nach seinem Abbild.

Sie: Lässt die Tonspritzer fliegen

Wenn die Helene-Fischer-CD-Käuferin mal was Tiefgründigeres unternehmen will, dann besucht sie ein Musical. Das geht ihr unter die Haut wie ganz große Oper, hat aber trotzdem was vom volksnahen Besuch eines nach Tacos stinkenden Multiplex-Kinos. Es bleibt ein Rätsel, wie sich einem bei einer solchen Veranstaltung nicht die pedikürten Fußnägel aufrollen können. Dieses übertriebene Intonieren, die ästhetischen Zumutungen auf der Bühne, die übergroßen Gefühle! Die Musical-Branche ist aber eben eine Boombranche, das kulturelle Pendant zur ja auch gerade sehr angesagten Massenkreuzfahrt für jedermann. Jetzt wird in Berlin "Ghost" aufgeführt, und die Frage lautet natürlich: Lohnt es sich, mal fünfe grade sein zu lassen, die superschicke intellektuelle Snob-Pose abzulegen und sich die legendäre Töpfersexszene live anzusehen? Demi Moore hat das im Film ja schon ziemlich sexy gemacht, stilistisch klar übertroffen wurde sie dann allerdings ein paar Jahre später von Priscilla Presley in der "Nackten Kanone 2 ½". Wenn die Tonspritzer auf Oberkörper und Wangen klatschen und sich in Wimpern verfangen, überlebt das die Würde einer Frau natürlich nur mithilfe unfassbarer Schönheit (Demi) oder mit unglaublichem Witz (Priscilla). Da die Musical-Darstellerin Willemijn Verkaik zwar singen kann, aber ansonsten eher so durchschnittlich wirkt wie die moderne Pauschalkreuzfahrt-Bucherin, bleiben wir mal lieber Snob. Die komplette Nackte-Kanone-Reihe allerdings sollte man sich aus Stilgründen unbedingt mal wieder anschauen. Julia Werner

Er: Formt alles nach seinem Ebenbilde

Jedes Töpfchen, so sagt der Volksmund, findet irgendwann seinen Deckel. Nun, das gilt ganz offensichtlich auch für jedes Töpferchen, hier dargestellt durch den Musicalsänger Alexander Klaws, ehemals bekannt als Gründungsmitglied der DSDS-Kultur. Mittlerweile ist er Stammspieler auf Musicalbühnen und macht bei diesem Szenenbild für "Ghost" exemplarisch vor, welche Talente für so ein Musicalengagement erforderlich sind - voller Körpereinsatz, tapfere Stimmkraft, romantische Gesinnung und kraftvolles Haar. Nichts davon passt zum Vorwurf der Skeptiker, wonach bei einem Musical zwar alles ein bisschen, aber nichts in Bestform geboten wird. Wie bitte? Alexander Klaws kann zusätzlich sogar noch erotisch töpfern, welcher Opernsänger bekommt das hin? Bei diesem Bild nicht ganz von der Hand zu weisen ist allerdings der Kitschverdacht, unter dem die Sparte Musical in Deutschland ebenfalls generell steht. Aber nur auf den ersten Blick. Dass sich ein Paar traumverloren und ohne passende Schutzkleidung der Herstellung von irdenem Geschirr hingibt, ist mitnichten nur Musical-Kitsch. Erstens wird dieser Handwerkerschmonz im Film "Ghost" von 1990 schon genauso gehandhabt, zweitens passt er heute einfach gut zum Zeitgeist. Selbermachen und Arts & Crafts sind schließlich ebenso gefragt wie leicht schräge Keramik. Bei einem durchschnittlichen Musicalpublikum dürfte jedenfalls ein großer Teil schon mal "Brennofen gebraucht" bei Google eingegeben haben. Also bitte: Lehm und Lehm lassen! Max Scharnigg

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