Ladies & Gentlemen:Batik!

Vaters Shirt für sie und ein bunter Kinnhaken für ihn: Die modische Entsprechung des Reggae ist zurück und wirft noch dieselben Fragen auf wie in den Achtzigerjahren.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

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(Foto: Getty Images)

Der wichtigste Print des Sommers ist Tie-Dye. Die Leserin kennt ihn unter dem Namen Batik (das eigentlich eine andere Färbetechnik ist) und hat jetzt bestimmt schon Reggae-Klänge im Ohr und Patschuli-Duft in der Nase. Aber Vorsicht: Nostalgie ist kein Grund, leichtsinnig zu werden und wieder mit ausgeleierten T-Shirts, Kordeln und Textilfarben zu hantieren. Mit marihuana-geschwängertem Zufall hat Tie-Dye in der Ära der Kontrollfreaks nichts mehr zu tun! Es ziert Prada-Seidenkleider und Kaschmirstrick oder wird von Designern wie Stella McCartney sorgfältig auf T-Shirts platziert (siehe Foto). Die Farben verlaufen idealerweise im pastelligen Acid-Spektrum der Einhörner. Spätestens bei diesem Wort sollten bei der erwachsenen Frau eigentlich die Alarmglocken angehen, aber wir können ausnahmsweise grünes Licht geben: Ein bisschen Rumalbern wird im Sommer 2019 ja wohl erlaubt sein! Das Risiko, nicht länger ernst genommen zu werden, muss allerdings minimiert werden. Deshalb hier ein paar Batik-Benimmregeln: niemals mit Regenwetter, Cannabis oder wichtigen Jobterminen kombinieren. Und auf die garantiert oft gestellte "Trägt man jetzt wieder Batik?"-Frage mit einem straffen Vortrag über Abbindetechniken antworten: "Nein, tut man nicht. Aber indonesisches Plangi, indisches Bandhani und japanisches Shibori schon!" Wer über so viel unnützes Wissen verfügt, ist ein furchterregendes, unkontrollierbares Einhorn und muss sich um Autoritätsverlust nicht sorgen.

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(Foto: Getty Images)

Für Batik gilt das Gleiche wie für seine musikalische Entsprechung Reggae - aus völlig unklaren Gründen ist die Sache immer noch nicht ganz überstanden. Was man am Batikdesign als durchschnittlicher, westlicher Misanthrop nicht mag, liegt auf der Hand: zu spontan, zu unreguliert, zu grundlos fröhlich und zu selbstgemacht. Und die Farben fühlen sich ja auch immer an wie Kinnhaken vom Glücksbärchi. Als Mann konnte man um den beliebten Zeitvertreib des Selberbatikens in den Achtzigerjahren zwar meist einen Bogen machen. Die dabei entstandenen Erzeugnisse aber fanden - als Souvenir eines halluzinogenen Urlaubs oder als Andenken an einen hirselastigen Tollwood-Flirt - oft dann doch ihren Weg in den Kleiderschrank. Es kursiert heute ja der alberne Begriff "linksgrün-versifft", den eine Minderheit immer noch für eine treffende politische Einstufung hält. Das ist er nicht, für eine annähernde Beschreibung von traditionellen Batikmustern hingegen passt diese Wortschöpfung oft seltsam gut. Dessen ungeachtet ist Batikstyle bei vielen maßgeblichen Modehäusern jetzt zurück auf den Laufstegen, hier etwa als Ganzkörper-Anzug bei Louis Vuitton. Natürlich sind die Farben dezenter und die Muster nicht ganz so irr, aber der unseriöse Gesamteindruck bleibt trotzdem. Es ist eben immer irgendwie Flecktarn für Späthippies. Und eine zentrale Frage muss mit dem Trend in diesen Sommer wieder gestellt werden: Wie selbstgemacht darf ein Mann aussehen?

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