Ladies & Gentlemen:Alle hängen an der Flasche

Die neue Wasserreligion will es, dass man immer eine Ration mit sich führt. Aber wie geht das stilvoll?

Von Julia Werner

Für sie: Das Glitzerfläschchen

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Die moderne Frau kann viele Unzumutbarkeiten aushalten. Etwa die Tatsache, dass es bis heute unmöglich ist, zu wissen, ob das Tier, von dem das Leder ihrer Tasche stammt, unfassbar gelitten hat, zum Beispiel auf dem Weg von Brasilien in die Türkei. Oder dass ihre Lider nur deswegen so schön funkeln, weil Mica drin ist, dieser Glitzerkristall, der sich komischerweise auch nie so ganz bis zu seinem prekären Ursprung irgendwo in Indien zurückverfolgen lässt. Was die moderne Frau allerdings nicht aushält, ist Durst. Noch nicht mal auf dem Weg in den Supermarkt. Selbst in der Warteschlange auf der Post wird die ganze Zeit Flüssigkeit zugeführt. Dass nachfüllbare Flaschen das neue It-Accessoire sind, muss man begrüßen: Müll vermeiden und Plastik zu schlechtem Stil erklären ist gut. Und es ist zugegeben ja auch viel interessanter, sich über Aktivkohlefilter, bakterientötendes UV-Licht oder die Vorteile des neuen Flaschenmaterials Kupfer zu unterhalten als über Fashion Shows. Auf die passenden Lederhüllen der einschlägigen Luxuslabels, für die, zumindest nach bestem Wissen und Gewissen der Verantwortlichen, niemand gelitten hat, warten wir allerdings noch. Und gehen bis dahin lieber mit der spektakulären Strass-Flasche von Collina Strada auf den roten Teppich, so wie Maggie Rogers hier auf einem Event in Los Angeles im letzten Jahr. Schließlich könnte auf dem langen Weg zur Bar die große Dehydrierung eintreten, die bekanntlich der Feind des makellosen Teints ist. Für den es ja auch eigentlich Mica gibt, aber lassen wir das. Julia Werner

Für ihn: Die Wasserpistole

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Eine der ewigen Männlichkeitsposen besteht darin, sich nach getaner Arbeit, durchrittener Wüste oder erfolgreichem Sportgedöns lässig und wie nebenbei einen Strahl Wasser ins Gesicht zu spritzen. Diese Pose wird von der Werbung und Hollywood ständig reproduziert und sie bedeutet so ungefähr: Seht her, ich brauche selbst nach dieser übermenschlichen Leistung nur ein paar Tropfen Wasser auf meinem Gesicht, das ist Hygiene und Versorgung genug und ich kümmere mich auch nicht darum, dass mein Hemd nass wird! Dass ein Kerl mal tatsächlich an einer Wasserflasche nuckelt, sieht man in heroischen Situationen selten, läppisches Wasser muss immer irgendwie ungenau und nebenbei an den Mann hinspritzen, damit es cool wirkt. Ur-Männer tragen natürlich auch keine Wasserflaschen mit sich herum, sie schnappen sie sich und werfen sie dann achtlos an den Spielfeldrand, wo sie dann andere Menschen (Frauen?) wieder wegräumen müssen. Es sind eben alberne Matadore mit Hang zur Sprinkleranlage. Mit der neuen Wasserreligiosität indes, die das Wassertrinken zum Allheilmittel erhebt, sehen sich empfindsame Männer aber mittlerweile doch zur Mitnahme ihrer stündlichen Ration verpflichtet. Wie dieses Verhalten maskulin ablaufen könnte, macht das aktuelle Bildmaterial von Stella McCartney klar - herber Jüngling zückt die mattschwarze Flasche aus eigenem Holster! Klar, wenn Männer schon keine echten Waffen mehr am Körper tragen, dann wenigstens bitte die Geheimwaffe gegen vorzeitige Hautalterung. Max Scharnigg

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