Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Abgang in Giftgrün

Prinz Harry und seine Frau Meghan absolvieren ihren letzten offiziellen Auftritt im Auftrag der britischen Krone. Die modische Botschaft der beiden war nicht schwer zu entschlüsseln.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Für sie: Kill them with fashion

Klopapiersmalltalkpause, der Megxit ist da! Harry und Meghan haben den letzten Auftritt als Royals absolviert. Und wie! Zum Commonwealth-Gottesdienst trug Meghan einen Ihr-könnt-mich-mal-Look, der quietschte. Manch ein Stilkritiker faselte von Hinweisen auf den zukünftigen "Post-Royal-Look". Dabei wird Meghan ja wohl in Jeans und Gummistiefeln zusammenbrechen nach dem ganzen Stress. Sie befolgte ganz einfach die Regel, die greift, wenn ein wilder Mob eine Frau aus dem Job treibt: Kill them with fashion. Plötzlich wirkte die schöne Herzogin Kate, die einen roten Mantel mit Samtkragen auftrug und Meghan absnobbte, etwas angestaubt. Diese rattenscharfe Kleidform, dieses karnevalesk drapierte Cape, dieser zickige Hut, und vor allem: dieses Grün! Dieser Entwurf der Londoner Designerin Emilia Wickstead war natürlich ganz schön drüber, was ja nur in Hollywood elegant wirkt. Aber wer mit der Fassung ringt, braucht so eine Comic-Heldinnen-Verkleidung, an der die Blicke abprallen. Die Farbe ist natürlich eine Ansage. Sie symbolisiert, da kann man sich bei Google was aussuchen, Hoffnung, Wandel oder Neuanfang (die Hater können Gier wählen). Interpretation ohne Wlan: Grün ist die Farbe der Zukunft, vor allem wegen Billie Eilishs Haaransatz. Und die eigentliche Botschaft gar nicht am eigenen Körper zu tragen, sondern im Jackenfutter des Ehemanns zu verstecken, ist ein fieses Meisterstück. Sie lautet: Er gehört zu mir, auch ohne Namen an der Tür. Fast könnte man glauben, dass die Hater recht haben. Julia Werner

Für ihn: Futter mit Botschaft

Zu den vielen Vergnügen, die ein maßgeschneiderter Anzug bietet, gehört das Aussuchen des Futters. Auch wenn ungefütterte Anzüge und Sakkos zuletzt in Mode waren - halb oder ganz gefüttert trägt sich der Anzug irgendwie ruhiger und auch im Frühling mal ohne Mantel. Der Schneider lässt einem bei dieser Auskleidung aus Seide meist freie Hand, und die sollte man nutzen und ruhig ein bisschen aufdrehen. Denn mit dem Lining ist eine der seltenen Gelegenheiten verbunden, auch bei formal strengem Aufzug persönlichen Geschmack zu offenbaren - und ein wenig Extravaganz. Den Effekt zeigt Prinz Harry, der traditionell bei Gieves & Hawkes fertigen lässt, hier bei seinem letzten offiziellen Auftritt im Dienste der Königsfamilie. Ein Windstoß wirft das Jackett auf und bietet einen kurzen Blick auf die frühlingshafte, seidengrüne Ausstattung. Dieser Moment demonstriert wie nebenbei die Raffinesse des scheinbaren Standard-Outfits. Es lässt den Beobachter annehmen, dass Harry für jede Kleiderfarbe seiner Frau das komplementäre Anzugfutter besitzt. Gleichzeitig ist dieses colour matching absolut dezent und wird eben nur durch Zufall oder bei genauem Hinsehen offenbar - perfektes Understatement. Eine farblich passende Krawatte oder ein Einstecktuch sind was für Anfänger! Auch wenn er die offizielle Bühne jetzt verlässt, die Gentlemen-Schule, die Harry zuteil wurde, kapriziert sich in Modefragen auf solche Details - und auch als Privatmann wird er in Zukunft dafür vermutlich den ein oder anderen Hoflieferanten konsultieren. Max Scharnigg

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Quelle:
SZ vom 14.03.2020
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