Kolumne Eigener Herd:Die goldene Zitrone

Kolumne Eigener Herd: Kumquats kann man mit Schale essen, sie schmecken frisch, süßsauer und haben zarte Bitternoten.

Kumquats kann man mit Schale essen, sie schmecken frisch, süßsauer und haben zarte Bitternoten.

(Foto: McPHOTO/I. Schulz/imago images/blickwinkel)

Kumquats sind süßsaure Zwergorangen. Was man damit anfängt? Wir hätten da ein paar Ideen: Um schon jetzt viel Sonne in die Küche zu lassen, sollte man Marmelade daraus kochen - frisch, spritzig und sehr elegant.

Von Marten Rolff

Zitrusfrüchte sind ein gutes Mittel zur Krisenbewältigung. Dafür reicht ein Blick ins nasskalte Großbritannien, dort ist die heiße Zitrone - getunt mit einer unbeschwerten Dosis Anti-Grippe-Drogen - gleich nach der Tasse Beuteltee die beliebteste Waffe gegen Unwohlsein aller Art. Und es stimmt ja auch: Zitrusfrüchte stärken mit ihrem Vitamin-C nicht nur das Immunsystem, sie duften und schmecken auch in nahezu jeder Form fantastisch. Und wenn ihre Säure mal nicht lustig machen sollte, ihre Farbenfreude macht es allemal. Wer weiß, vielleicht ließe sich Putins kaltes Herz mit einem Spaziergang durch einen Orangenhain erwärmen? Es wäre zumindest nicht die abwegigste diplomatische Strategie, die in den letzten Wochen geäußert wurde.

Davon abgesehen haben wir Eskapismus so nötig wie nie. Nach vier Jahren Trump und zwei Jahren Pandemie hatte man zwar nicht geahnt, einen solchen Satz noch mal allen Ernstes aufzuschreiben, aber leider ist er wahr. Kurzum: Die perfekte Möglichkeit sich abzulenken, ist das Kochen von Kumquat-Marmelade nach einem Rezept des amerikanischen Kochautors David Lebovitz. Kumquats (Sie wissen schon: diese merkwürdigen bittersüßsauren Miniorangen, die man mit Schale isst), weil sie noch Saison haben, den Frühling vorwegnehmen und man für die Marmelade Berge davon so konzentriert in feine Streifen schneiden muss, dass man gar nicht groß ins Grübeln über die Weltlage kommt.

Und David Lebovitz muss es sein, weil das Nachkochen vieler seiner Gerichte eine Yoga-Stunde ersetzt. Die Rezepte sind eine schräge Mischung aus Aufwand, Akribie und Nachlässigkeit. Um bei der Zubereitung die Nerven zu behalten, ist also eine Art zen-buddhistische Grundhaltung nötig. Später muss man aber zugeben: Es lohnt sich, bei Lebovitz schmeckt das Ergebnis meist so gut, dass das Belohnungszentrum im Hirn den Serotonin-Ausstoß gar nicht mehr abstellen will. Zu seinen bekanntesten Rezepten gehört ein göttliches Salz-Butterkaramell-Eis, für das man allerlei sahnige Masse durchs Sieb pressen, mit der Rauchtemperatur von Zucker und dem Gerinnungspunkt von Eigelb experimentieren muss. Am Ende aber will man dann nie wieder eine andere Sorte essen.

Diese Marmelade schmeckt auch im Joghurt toll

Mit der Physalis hat die Kumquat nicht nur das grelle Orange gemein (kam kwat bedeutet auf Kantonesisch so viel wie "goldene Orange"), sondern auch die Tatsache, dass viele nicht genau wissen, was man mit der Frucht anfangen soll. Zudem ist sie nicht ganz billig. Doch vor allem ihre Schale ist herrlich süßlich mit zarten Bitternoten (das Fleisch ist sauer und leicht bitter), weshalb sie sich - sehr kleingeschnitten - auch toll in einem Salat macht. Eine Marmelade aus Kumquats ist oft noch feiner als solche aus Orangen.

Lebovitz fügt für einen weiteren Säurekick noch zwei unbehandelte Zitronen auf 450 g Kumquats hinzu, was eine gute Idee ist. Doch eine Zitrone reicht auch, die zweite ersetzt man besser durch einige Kumquats mehr. Die Zitrone längs halbieren und in feine Streifen schneiden, Kerne aufbewahren. Die Zitronenscheiben in einem Topf mit Wasser bedecken und etwa 5 Minuten glasig köcheln (was die Bitterkeit reduziert), dann abgießen. Die Kumquats ebenfalls in feine Streifen schneiden und entkernen. Kumquat- und Zitronenkerne nun in einen Gazebeutel (oder ein Stück Baumwollstoff) füllen und gut zubinden, ihr Pektin (natürliches Geliermittel, und nein, Gelierzucker ist leider keine gute Alternative) wird für die perfekte Konsistenz gebraucht. Früchte, Zitronenscheiben und Kernbeutel mit Wasser in einen Stahltopf geben, kurz aufkochen und zugedeckt für 24 Stunden stehen lassen. Am nächsten Tag alles mit 400 g Zucker und - sehr gute Lebovitz-Idee! - einem halben Teelöffel Salz für 30 bis 40 Minuten unter gelegentlichem Rühren zu Marmelade köcheln lassen und heiß in saubere Gläser füllen.

So weit, so einfach. Doch hier beginnen schon die Ungenauigkeiten, denn Lebovitz empfiehlt 1,3 Liter Wasser, was nach eigener Erfahrung deutlich zu viel ist. Wir haben ein gutes Viertel weggelassen und dafür die Kochzeit mehr als verdreifacht. Die Wahrheit ist: Der Kochprozess ist eine Geduldsprobe, bei der es gilt, den Gelierzeitpunkt abzupassen. Dauer und Ergebnis hängt auch von der Qualität der Früchte ab, von der Zahl und Größe ihrer Kerne und deren Pektingehalt, von der Marmeladenmenge, der Leitfähigkeit des Topfes und der genauen Temperatur. Es hilft, den Kernbeutel vor Ende der Kochzeit herauszufischen, kurz abkühlen zu lassen und möglichst viel glitschige Masse daraus in den Topf zu pressen, bevor man ihn entsorgt. Kurzum, der Gelierzeitpunkt variiert, da ist jeder am Herd auf sich selbst gestellt. Man sollte kleine Teller im Gefrierfach vorhalten, um immer wieder eine Gelierprobe zu machen (kleiner Klecks drauf und sehen, ob er fest wird). Zu lange kochen oder gar braun durchkaramellisieren sollte die Marmelade aber auch nicht (man kann sie zur Not später mit etwas Zitronensaft verdünnen).

Im Idealzustand ist Kumquatmarmelade etwas flüssiger als Orangenmarmelade, leicht glasig mit feinen Schlieren und geschmacklich sehr elegant. Man kann sie mit Kirschwasser verfeinern, am besten aber ist sie pur. Auf Brot macht sie den März zum Sommermonat. Aber auch mit ein paar gerösteten Nüssen oder Mandeln im Naturjoghurt schmeckt sie toll.

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