Wenn Eigentümer ihr Haus oder ihre Wohnung verkaufen wollen, haben viele zu hohe Erwartungen. Manch einer reibt sich verwundert die Augen, wenn er erfährt, welchen Preis er nach Ansicht eines Sachverständigen oder des beauftragten Maklers für sein vermietetes Apartment oder Einfamilienhaus verlangen kann. Denn bringt das Haus vergleichsweise schlechte Mieterlöse, lässt es sich meist nur mit einem deutlichen Preisabschlag verkaufen. Oft ließe sich ein deutlich höherer Verkaufspreis erzielen, wenn es leer stehen würde.
„Gerade in guter, urbaner Wohnlage kann das Preisgefälle zwischen vermieteten und unvermieteten Objekten teils beträchtlich sein“, sagt Rechtsanwalt Martin Klimesch von der auf Erb- und Immobilienrecht spezialisierten Münchner Kanzlei Klimesch und Kollegen. Vor allem Einfamilienhäuser, Reihenhäuser und Doppelhaushälften erzielten bei geringen Mieterlösen deutlich niedrigere Verkaufspreise als gut vermietete oder leer stehende Vergleichsobjekte.
Aber darf man einem Mieter kündigen, nur weil man dann einen höheren Verkaufspreis verlangen kann? Eigentümer waren früher in solchen Fällen gezwungen, einen deutlichen Preisabschlag in Kauf zu nehmen. Dem Mieter deswegen zu kündigen, galt als Unding. Zumindest kam es in der mietrechtlichen Praxis nahezu nicht vor, obwohl gemäß Paragraf 573, Absatz zwei, Nummer drei, Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gerade dann ein Kündigungsgrund erfüllt sein kann, wenn Vermieter durch das Mietverhältnis an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert sind und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würden. Der Paragraf führte bisher aber eher ein Schattendasein.
Ein aktuelles Urteil könnte den Anstoß dazu geben, dass sich das auf längere Sicht ändert. „Das Amtsgericht Dachau weckt für Vermieter einen Kündigungsgrund aus seinem Dornröschenschlaf“, sagt Klimesch. So war die Räumungsklage für den Vermieter eines Hauses in Karlsfeld erfolgreich. Nachdem ein Gerichtsgutachten bestätigt hatte, dass das Haus vermietet nur mit einem Preisabschlag von 26,77 Prozent verkauft werden kann, konnte der Vermieter kündigen (AG Dachau, Urteil vom 10. Mai 2024, Az. 4 C 240/22).
Von einem erheblichen Nachteil geht das Gericht bei einem Kaufpreisabschlag von 15 bis 20 Prozent oder mehr aus. Zudem kommt es bei Überschreiten der 20-Prozent-Marke nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vermieters an. „Ob der Vermieter vermögend oder arm ist, spielt dann keine Rolle“, stellt Klimesch klar. Das Gericht muss jedoch die Interessen des Mieters und des Vermieters abwägen. So können Mieter unter Umständen soziale Härten geltend machen und eine Fristverlängerung beanspruchen. Vermieter sollten vorsorglich ihre Verkaufsbemühungen darlegen und aufzeigen, dass ein Käufer bereit wäre, einen entsprechend höheren Kaufpreis für eine unvermietete Immobilie zu bezahlen. Möglich wäre aber auch der Nachweis des entsprechenden Mindererlöses über ein vorgerichtliches Privatgutachten.
„Das Urteil ist meines Wissens das erste dieser Art und dürfte von erheblicher Praxisrelevanz sein, da es Vermietern neben dem Eigenbedarf einen weiteren Kündigungsgrund zur Seite stellt“, sagt Rechtsanwalt Klimesch. Das Urteil sei kein „Ausreißer“, sondern liege auf der neueren Linie des Bundesgerichtshofs. „Früher wurde von Gerichten versucht, diesen Tatbestand zugunsten von Mietern auszuhebeln. In einer Reihe jüngerer Entscheidungen hat der BGH das Kündigungsrecht für Vermieter wegen wirtschaftlicher Verwertung jedoch klar gestärkt“, bewertet Klimesch die neue Rechtsprechung.
Gut möglich also, dass es künftig häufiger zu Kündigungen mit diesem Hintergrund kommen wird. Doch ob Vermieter auf diesem Weg ihnen lästige Mieter loswerden können, ist längst nicht ausgemacht. In dem erst vor wenigen Wochen vor dem Amtsgericht Dachau verhandelten Fall entschieden sich die Mieter in Berufung zu gehen. Grundsätzlich müssen Vermieter die Kosten für Gutachter, Anwalt und Gerichtsverhandlung einkalkulieren und abwägen, ob sie das Risiko eines größeren finanziellen Aufwands eingehen wollen. In einem anderen Fall gelangte der vom Gericht bestellte Sachverständige zu dem Schluss, dass durch die Vermietung lediglich ein um zehn Prozent reduzierter Erlös entstehe (AG Dachau, Urteil vom 30.03.2021, Az. 3 C 775/19). Daher wies das Gericht die Klage des Vermieters ab.