Süddeutsche Zeitung

Kuba:Revolution aus der Dose

Von wegen immer nur "Cuba Libre": Seit neuestem trinken die Kubaner statt Rum lieber Bier - doch die staatlichen Marken sind knapp. Gut, dass es noch eine andere Option gibt.

Von Benedikt Peters

Das Kuba-Klischee setzt sich meist zusammen aus Zigarre, Salsa und Rum. Man findet es an vielen Orten in Havanna; am Malecón, dem berühmten Küstenboulevard, in einem der privaten Restaurants oder in den Tanzsälen der Hauptstadt. Vielleicht auch an der Plaza de la Revolución, wo Che Guevaras Gesicht auf die Passanten herabschaut. Überall Kubaner, die Musik im Blut haben, rauchen - und neuerdings gerne Dosenbier trinken.

Dabei war Rum über viele Jahrzehnte das Nationalgetränk, und wer sich irgendwo zwischen Baracoa im Osten und Pinar del Rio im tiefen Westen der Insel ein Glas bestellte, der tat das oft nicht nur wegen des Geschmacks, sondern auch als Statement. "Kuba ist großartig, und dafür gibt es einen Grund", so warb der Hersteller Bacardi schon in den 1930er-Jahren. Später floh die schwerreiche Bacardi-Familie vor einem bärtigen Revolutionär namens Fidel Castro in die USA. Der Beliebtheit des Zuckerrohrschnapses aber schadete das nicht. Die staatlichen Brennereien produzieren bis heute die bekannten Marken "Santiago de Cuba" und "Havana Club", und der bärtige Revolutionär verschenkte, nachdem er 1959 die Macht in Havanna erobert hatte, an internationale Staatsgäste gerne exquisite Flaschen im Wert von 500 Dollar.

Inzwischen aber scheint nicht nur das Image der Revolution in ihrem 60. Jahr etwas angestaubt, sondern auch das der Spirituose. Bier trinken ist nicht nur angesagter, sondern auch für immer mehr Menschen bezahlbar. Das wiederum hat mit der Revolution zu tun, oder besser mit der schrittweisen Abkehr von ihr. Früher nämlich war Bier in Kuba ein Luxusgut. Eine 0,355-Liter-Dose der staatlichen Marken "Bucanero", "Cristal", "Mayabe" oder "Cacique" kostet einen Dollar. Bei den Löhnen der Staatsangestellten von etwa 20 Dollar konnte sich das fast niemand leisten. Seit einiger Zeit aber greifen die Wirtschaftsreformen, die Fidels Bruder Raúl Castro von 2010 an auf den Weg brachte. Seitdem dürfen sich Kubaner als Kleinunternehmer selbständig machen. Als Taxifahrer, Restaurantbesitzer und Fremdenführer bringen sie es nun zu etwas Wohlstand. Hinzu kommen die vielen Kubaner, die von Verwandten im Ausland Geld überwiesen bekommen.

Durch den Boom ist das kubanische Bier knapp geworden

Sie alle wollen Bier trinken, das auf der Insel in der Regel in der Dose gereicht wird. In den ersten Wochen dieses Sommers ist nun Streit entstanden. Durch den Boom ist das kubanische Bier knapp geworden, immer wieder stehen die Leute, die nach den staatlichen Marken suchen, vor leeren Regalen. Im Internet, das es noch nicht lange gibt auf Kuba, wimmelt es von wütenden Artikeln und Posts von Durstigen. Die Regierung gibt die Schuld an der Knappheit den selbständigen Restaurantbesitzern und deren "Hamsterkäufen", die nur dazu dienten, die Preise in die Höhe zu treiben. Die Restaurantbesitzer wiederum weisen darauf hin, dass ausschließlich der Staat in Kuba Bier brauen dürfe und die Planwirtschaft mit der Produktion nicht hinterherkomme.

Freuen kann sich über all das ein Unternehmen aus Amsterdam. Dort sitzt eine niederländische Großbrauerei, deren Bier nahezu überall auf der Welt verkauft wird, inzwischen sogar in Havanna. Die Kubaner, die es sich leisten können, trinken nun Heineken.

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SZ vom 16.08.2019/cat
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