Ladies & GentlemenUm Kopf und Kragen

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(Foto: Bestimage/Zeppelin/IMAGO/Avalon.red)

Von wegen ungebunden: Nicht nur bei den Männern, auch auf den Laufstegen der Frauen wurde die Krawatte als Accessoire für diesen Sommer wiederentdeckt.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Für sie: Zwischen Ego und Emanzipation

Solange Krawattenungerechtigkeit herrscht, wird es keine Gleichberechtigung geben. Männer dürfen damit bekanntlich mächtig rumblödeln, sie zum Beispiel im Schritt baumeln lassen und währenddessen ungestraft mit der eigenen Inkompetenz alles in Schutt und Asche legen. Trump ist dafür nur ein Beispiel von vielen. Sie dürfen sich die Krawatte sogar um den Kopf binden und dann Karate-Moves machen, wenn sie betrunken sind! Zugegeben, solche Scherze wirken manchmal doch sehr stimmungsaufhellend, aber Frauen würde man sie nie durchgehen lassen.

(Foto: Zeppelin/IMAGO/Avalon.red)

Beim Schlipstragen ist es wie beim Gehaltverhandeln: Da sind Frauen immer kompliziert, Männer aber immer ambitioniert. Jetzt ist die weibliche Krawatte-Hemd-Kombination, die wir zuletzt auf schönen Fotos von Peter Lindbergh, aber nie an Elaine in der Serie „Seinfeld“ gut fanden, zurück. Frauen trugen Anfang der 90er-Jahre mal kurz Krawatten zu ihren Schulterpolstern, um sich der Business-Gemengelage anzupassen (um also nicht als Sex-Objekt, sondern als denkender Mensch wahrgenommen zu werden). Was vermuten lässt, dass es sich auch jetzt um einen Konter handelt, das Patriarchat feiert schließlich gerade wieder einen schmutzigen Etappensieg. Aber wenn man genauer hinschaut, sind die Sakko-Krawatte-Hemd-Outfits von Bottega Veneta bis Emporio Armani (hier zu sehen) diesmal emanzipierter. Dieser Look hier ist oben Vorstandssitzung und unten Gartenfest und damit, ganz im Sinne der Gleichberechtigung, eine herrliche Blödelei. Sieht aber endlich mal gut anstatt lächerlich aus.

Für ihn: Zwischen Schlips und Schlinge

Grob gesagt, wird die Krawattenkultur bei den Herren seit jeher von zwei Lagern bestimmt. Von denjenigen, die sie tragen müssen, und von denjenigen, die sie tragen wollen, weil zum Beispiel ein schöner Anzug damit erst komplett ist. Letztere gaben der Krawatte immer wieder eine tolle Bühne, die von Ersteren immer wieder eingerissen wurde. In diesem Spannungsfeld baumelt der Schlips seit Jahrzehnten, es wurden schon Nachrufe auf ihn geschrieben, die Mode hat ihn stets wieder beatmet, und ganz abgesehen von beiden Ereignissen bindet sich Hubert Dimpflmoser heute eben immer noch eine Krawatte um, wenn er als Kassenwart zur Hauptversammlung des Angelvereins geht.

(Foto: Agence/IMAGO/Bestimage)

Nun waren die Schlipsvorkommen auf den Laufstegen für den aktuellen Frühling und Sommer aber sehr beachtlich, und sie unterschieden sich von den Comebacks der vergangenen Jahre, das sieht man bei diesem Look von Bottega Veneta. Denn diesmal wirkten die Krawatten auf den Laufstegen wie eine Persiflage auf das lustlose Krawattentragenmüssen der alten weißen Männer. Frühere Krawattentrends, etwa bei Hedi Slimane, wollten den Binder ja immer besonders cool, jugendlich und schmackhaft präsentieren. Hier aber nun das Gegenmittel – die Krawatte ist eher wie ein Accessoire aus dem Clownsbedarf oder kommt eben im Trump-Style daher: breit, behäbig und wie ein müdes Ausrufezeichen, das keiner mehr versteht. Bei weiteren Bottega-Looks hing die Krawatte schlampig und uncool, wie bei einem abgehalfterten Vertreter am Hals. Ein heiterer Abgesang auf den Bürohengst? Vielleicht. Vielleicht aber auch eine Botschaft: Egal, wie wild sie sich gerade noch gebärdet, die alte Männlichkeit hängt doch nur noch am seidenen Faden.

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