Kostümdesign:Kleider machen Figuren

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Der Film "Grand Budapest Hotel" ist auch wegen der darin gezeigten Kostüme bemerkenswert. (Foto: dpa)
  • In diesem Jahr ehrt die Academy, die die Oscars verleiht, ganz besonders die Kostümdesigner.
  • Derzeit gibt es in Los Angeles außerdem zahlreiche Ausstellungen, die sich mit Filmkostümen beschäftigen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Charlie Chaplin war verzweifelt. "Ich hatte keine Ahnung, was das für ein Typ sein soll", sagte der Schauspieler später über den Streuner im Film "The Tramp". "Aber als ich die Klamotten anhatte, da bekam ich ein Gefühl dafür. Ich lernte ihn kennen - und als ich das Set betrat, da war er geboren."

Wer erinnert sich nicht an die ausgebeulten Klamotten armen Wanderarbeiters, an seine schäbigen Schuhe, den schlecht sitzenden Hut und den dürren Stock? Dass der Tramp eine legendäre Filmfigur geworden ist, liegt natürlich an der herausragenden Darstellung von Chaplin, aber auch an seiner gut gewählten Ausstattung.

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Schon im Alltag machen Kleider Leute, in Filmen aber erschaffen sie komplette Figuren, die auch wegen ihres Aussehens im kollektiven Gedächtnis verankert bleiben. Natürlich werden bei den Academy Awards am kommenden Sonntag die besten Schauspieler ausgezeichnet, der beste Regisseur und der beste Film - aber es gibt eben auch die Kategorien Bestes Szenenbild, Bestes Make-Up und beste Frisuren sowie Bestes Kostümdesign. In diesem Jahr huldigt die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS), die die Oscars verleiht, besonders den kreativen Köpfen der Kleidung.

Die 150 bedeutensten Kostüme der Filmgeschichte

Es gibt derzeit zahlreiche Ausstellungen in Los Angeles, die sich mit Kostümen beschäftigen. Die Veranstaltungen im Samuel Goldwyn Theater etwa thematisieren die Straßenkleidung in Filmen wie "Taxi Driver", "Bonnie & Clyde" und "Der Pate", die für den Oscars nominierten Kostüme ("Grand Budapest Hotel", "Inherent Vice", "Into the Woods", "Mr. Turner" und "Maleficent") sind im Fashion Institute of Design and Merchandising ausgestellt. Die bedeutsamsten Stücke indes sind im Wilshire May Company Building zu sehen, bei der faszinierenden Sammlung "Hollywood Costume".

Zu bestaunen sind 150 der bedeutendsten Kostüme der Filmgeschichte. Das von Harrison Ford in "Indiana Jones", das von Arnold Schwarzenegger aus "The Terminator", das der "Blues Brothers", das weiße Kleid von Sharon Stone in "Basic Instinct" sowie zahlreiche Kleidungsstücke aus den Filmen von Robert DeNiro und Meryl Streep. Dazu Darth Vader, Scarlett O'Hara aus "Vom Winde verweht" und eine Reihe Superman-Anzüge.

Die Kostüme allein sind faszinierend genug, noch spannender sind die Geschichten dahinter. Vor allem, wenn es um vermeintlich gewöhnliche Alltagskleidung geht. Denn natürlich braucht Batman eine Maske, Jack Sparrow ein Schwert und Queen Elizabeth ein pompöses Gewand. Doch wie kam Marilyn Monroe zu ihrem weißen Kleid, das in "Das verflixte siebte Jahr" über einem U-Bahn-Schacht in die Höhe weht? Wie Brad Pitt in "Fight Club" zu der blutroten Lederjacke und warum sind die Schultern von George Clooney in "Ocean's Eleven" so auffällig breit? All das wird von den Designern in Videos oder handschriftlichen Notizen erklärt.

Jeffrey Kurland etwa war für die Kostüme in "Ocean's Eleven" verantwortlich, er musste elf Ganoven erschaffen. "Danny Ocean (gespielt von George Clooney, Anm. d. Red.) ist der Anführer, ein Zocker und jemand, der gerne Risiken eingeht. Das muss sich in seinen Anzügen widerspiegeln", sagt Kurland. Die Figur musste kräftig und stark daherkommen, also wählte Kurland einen klassischen Anzug mit Schulterpolstern. Brad Pitt als Rusty Ryan dagegen bekam buntere Klamotten: "Er muss kleiner, schlanker und schneller wirken als Danny - und er sollte so aussehen, als hätte er seine Klamotten selbst entworfen."

Eine mit Schweineblut gefärbte Lederjacke

Brad Pitt war auch die Hauptfigur im Klassiker "Fight Club", er muss auch visuell ein Gegenstück zu seinem Alter Ego, dem von Edward Norton dargestellten Erzähler sein. "Es war faszinierend, die beiden Kleiderschränke nebeneinander zu sehen", sagt Designer Michael Kaplan: "Die stellen beide die gleiche Figur dar - was aber erst am Ende des Films deutlich wird. Dazwischen trägt der eine immer graue Klamotten, der andere nur ausgeflippte Sachen." Er verrät auch, wie Pitt zu dieser berühmten roten Lederjacke kam: "Ich dachte mir, dass bei diesem Filmtitel nur rot in Frage kommt - also habe ich sie mit Schweineblut gefärbt."

Begleitet wird die Ausstellung von dem Buch "Hollywood Costume" von Deborah Nadoolman Landis (Abrams, 272 Seiten, 34,95 Euro). Designer berichten darin von ihren Erfahrungen, Meryl Streep und Robert DeNiro werden zu ihren Erfahrungen mit Kostümen interviewt. Wer dieses Buch liest, wird Filme danach mit anderen Augen betrachten - und bei der nächsten Oscar-Verleihung auch bei der Vergabe in dieser Kategorie mitfiebern.

Ach ja, es fehlt noch die Geschichte des kleinen Cocktail-Kleidchens, das Marilyn Monroe im Film "The Seven Year Itch" von Billy Wilder in einer U-Bahn-Station trug. Der Designer war William Travilla, dem Monroe einst diesen Zettel geschrieben hatte: "Bitte, mein liebster Billy, kleide mich für immer ein!" Noch immer ist nicht klar, ob Travilla das Kleid entworfen oder einfach nur gekauft hat, er selbst nannte es stets nur "dieses komische weiße Ding." Klar war nur: Es brauchte ein Kleid, das die körperlichen Vorzüge von Monroe hervorhebt - und natürlich ganz wunderbar weht, wenn von unten gepustet wird. Travilla schrieb dazu einst: "Das ist uns ganz gut gelungen."

Die Szene gilt nicht nur als einer der bedeutendsten Kinomomente der Geschichte, sondern auch als einer der prägenden Augenblicke des 20. Jahrhunderts. Das Kleid wurde vor drei Jahren versteigert - für 4,6 Millionen Dollar.

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