Kosmetikindustrie:Teure Tiegel

"Niche Beauty" ist ein Online-Shop für sehr edle Kosmetik. Doch wie exklusiv kann man noch sein, wenn man zu einem Konzern wie Douglas gehört?

Von Angelika Slavik

Der Wunsch nach Originalität ist natürlich wahnsinnig unoriginell. Wenn man möchte, kann man das ganze Streben des Menschen damit erklären: Es geht am Ende immer darum, etwas Besonderes zu sein. Der oder die eine an der Spitze. Die Nummer eins. Im Job oder in der Liebe, beim Sport oder im Bett. Unvergleichlich.

Laetitia von Hessen sitzt auf einem todschicken Sofa in einem Büro ihrer Firma in Hamburg, vor sich ein Tisch voller Bücher. Eines heißt "How to Be an Overnight Success", wie man über Nacht erfolgreich wird. Hessen hat es nicht über Nacht hingekriegt, aber das Unternehmen, das sie mit ihrer Schwester Sarah von Doetinchem führt, ist gerade so etwas wie, Verzeihung, der hottest shit in der deutschen Kosmetikindustrie. Niche Beauty heißt der Laden, ein Online-Shop, der sich auf Nischenmarken spezialisiert hat. Hier gibt es also, das ist das Versprechen, Marken und Produkte, die anderswo in Deutschland nicht oder erst viel später zu haben sind. Solche wie das "Snake Serum O₂" von Rodial zum Beispiel: ein Produkt, für das das Gift der Tempelviper synthetisch nachgeahmt wurde. Das soll Muskelkontraktionen im Gesicht verringern und so Falten bekämpfen, heißt es. "Das Snake-Serum war unser erster richtig großer Erfolg", sagt Hessen. "Mein Telefon hat die ganze Nacht nicht aufgehört zu piepsen, weil immer neue Bestellungen reinkamen." Klar, Schlangenbotox zum Cremen - zu haben für 144 Euro - gibt es eben nicht überall. Man könnte sagen, Hessen und Doetinchem haben daraus ein gut funktionierendes Geschäftsmodell gemacht: aus dem Wunsch, etwas Besonderes zu sein.

"Ich fände es ganz schrecklich, wenn jemand anhand des Dufts erkennt, welches Parfum ich trage", sagt Hessen. Aber dass es bei der Entscheidung, Kosmetikprodukte nicht bei Rossmann oder dm, bei Budni oder Müller zu kaufen, nicht nur um die Originalität ginge. Sondern auch darum, Produkte von besonderer Qualität zu finden. "Viele der Trends, die von den Großen der Industrie aufgenommen werden, haben ihren Ursprung bei den Nischenmarken", sagt von Hessen. "Und dann ist da immer die Frage, in welcher Qualität und in welcher Menge bestimmte Wirkstoffe verarbeitet werden." Soll heißen: Kleinere, meist inhabergeführte Unternehmen könnten es sich nicht leisten, an den Inhaltsstoffen zu sparen - auch weil sie wissen, dass ihre Klientel anspruchsvoll ist.

50 Milliliter kosten 225 Euro. Das muss man sich leisten können - und auch wollen

Hessen zum Beispiel verwendet gerade eine Tagescreme der Marke Augustinus Bader. 50 Milliliter kosten, Trommelwirbel bitte, 225 Euro. Das muss man sich nicht nur leisten können, das muss man sich auch leisten wollen. "Das ist natürlich wirklich die Top-Top-Kategorie", sagt Sarah von Doetinchem. "Aber ich glaube, es gibt insgesamt einen Trend dazu, lieber weniger und dafür hochwertigere Produkte zu kaufen." Das gelte für alle Konsumbereiche, nicht nur für Kosmetik, sondern auch für Möbel oder Kleidung. "Diese enormen Mengen einzukaufen, nur um sie schnell durch etwas Neues zu ersetzen, mit dem man dann wieder nicht zufrieden ist, passt einfach nicht mehr in unsere Zeit."

Niche Kosmetik

"Ich glaube, es gibt insgesamt einen Trend dazu, lieber weniger und dafür hochwertigere Produkte zu kaufen“: Beauty-Produkte von Niche.

(Foto: NICHE-BEAUTY.COM)

Das gilt vielleicht nicht für alle Teile der Bevölkerung, aber zumindest für eine bestimmte Zielgruppe - und auf die hat es auch Douglas abgesehen, Deutschlands größte Parfümeriekette. Vor ein paar Monaten kaufte der Konzern Niche Beauty für einen nicht genau definierten Millionenbetrag. Die Gründerinnen blieben in der Geschäftsführung - ebenso wie ihr Vater Andreas Bechtolf, der sich, kurz zusammengefasst, um die Zahlen kümmert und um Lippenstifttrends eher nicht.

Ist Arbeiten mit der Familie nicht eine Katastrophe mit Ansage? Man sei nicht immer einer Meinung, sagt Doetinchem. Aber es gebe innerhalb einer Familie ein starkes Bedürfnis, sich nach einer Meinungsverschiedenheit auch wieder zusammenzuraufen. "Außerdem sind wir uns bei vielem einig, wir haben einen ähnlichen Geschmack. Und den gleichen Humor."

Trotzdem ist Niche Beauty nach dem Verkauf an Douglas natürlich kein Solitär mehr, sondern Teil eines verdammt großen Konzerns. Das passt zu dem Weg, den auch viele Nischenmarken gehen: Wenn sie richtig erfolgreich sind, wecken sie auch das Interesse der großen Kosmetikunternehmen. Ist also das Dasein als Nischenmarke immer zeitlich begrenzt, weil man entweder vom Erfolg in den Massenmarkt befördert wird oder untergeht?

Douglas kauft nicht nur gerne kleinere Online-Shops und lanciert in Drogerien eigene Marken

Wenn die Marke sich im Kern auch nach einem Verkauf an einen großen Player nicht verändere, könne sie dennoch weiter als Nischenmarke auftreten, sagt Hessen. "Wenn die Qualität der Produkte nicht nachlässt, schmeißen wir sie auch nicht aus unserem Sortiment, nur weil plötzlich ein Konzern dahintersteht." Im Charakter unverändert zu bleiben, ist auch das Ziel, das die Schwestern für Niche Beauty definiert haben. Douglas solle vor allem bei der Expansion helfen. Die Verträge sicherten der Familie Gestaltungsmacht heißt es, aber Konzerne kaufen natürlich nicht ohne Grund 51 Prozent der Anteile und keine Minderheitsbeteiligung.

Niche Kosmetik

Laetitia von Hessen gründete "Niche Beauty" mit ihrer Schwester Sarah von Doetinchem.

(Foto: NICHE-BEAUTY.COM)

Trotzdem bleibt die Frage: Ist der Wunsch nach Originalität nur etwas für Menschen mit einem stark überdurchschnittlichen Budget? Wer bereit sei, 50 Euro zu investieren, bekomme dafür auf jeden Fall schon 50 Milliliter Nischen-Hautcreme, sagt Hessen. Aber auch im Normalo-Drogeriemarkt könne man gute Naturkosmetikmarken finden, solche, bei denen auch sie nichts an den Inhaltsstoffen zu meckern habe.

Man darf allerdings annehmen, dass die Dichte der originellen Marken in den weniger originellen Shops in den nächsten Monaten und Jahren deutlich zunehmen wird. Douglas kauft nicht nur mit Begeisterung kleine Online-Shops mit klar umrissener Zielgruppe, sondern experimentiert auch in den Drogerien unter eigenem Namen mit alternativen Marken. In Hamburg-Eppendorf etwa eröffnete kürzlich "Douglas Pro", der mit Apothekenflair vermitteln soll: Kommt und kauft! Ihr seid was ganz Besonderes.

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