Kosmetik:Wie findet man das perfekte Parfüm?

Lesezeit: 6 min

(Foto: Imago, Collage Jessy Asmus)

Unser Autor machte sich auf die schwierige Suche nach dem richtigen Duft - und fand dabei einiges über sich selbst heraus.

Von Jan Stremmel

Mögen Sie Milchreis? Falls Sie ein Parfüm suchen, das wirklich zu Ihnen passt, sollten Sie darauf eine Antwort haben. Jedenfalls dann, wenn Sie bei der Suche an Expertinnen geraten, die ihr Handwerk wirklich verstehen. Ich habe diese Suche gerade hinter mir.

Ich wollte die Sache so ernst nehmen wie möglich. Endlich mal von Anfang an alles richtig machen. Also habe ich Fachleute befragt, Freunde und Kollegen genötigt, an mir zu riechen und einmal auf offener Straße einen wildfremden Italiener gestoppt. In seinem Windschatten hatte ich tolle Nuancen von Lavendel und Grapefruit erspürt (an meiner Haut roch der Duft leider nach einer Mischung aus Pfeffer und Pferdepisse). Die Suche endete mit einem fabelhaften neuen Duft, so viel kann ich verraten. Und mit der unerwarteten Erkenntnis, dass ich möglicherweise näher an einem Alkoholproblem bin, als ich gedacht hätte.

Aber der Reihe nach.

Parfum
:Der Duft der Welt

Für Rohstoffe reist sie schon mal um den ganzen Globus, in ihr Berliner Labor lädt sie zu Konzerten: ein Besuch bei Marie Le Febvre, die ihren Kunden Parfums auf den Leib schneidert.

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Los ging es mit einer Feststellung und einem leisen Zweifel. Erstens: Meine beiden Parfümflakons sind so gut wie leer. Ich benutze die Düfte seit zehn beziehungsweise vier Jahren. Meinen liebsten, "Platinum Egoiste" von Chanel, suchte mir meine Ex-Freundin aus. Den anderen, "Selection" von Hugo Boss, stellte mir mal eine befreundete Moderedakteurin auf den Tisch. Man hatte ihr den Flakon als Sample ins Büro geschickt, ihr Kollege wollte ihn nicht, "zu aufreißermäßig". Für mich klang das super. Seither renne ich einmal im Jahr wie ein willenloser Roboter in den nahegelegenen Drogeriemarkt und kaufe von beiden Düften Nachschub.

Die Partnerin oder der Zufall - diese beiden Faktoren nennen sehr viele meiner Freunde als entscheidende Faktoren auf dem Weg zu ihrem Parfüm. Es gibt unter Männern offenbar eine tiefe Unsicherheit, sich einen Duft selbst auszusuchen. Die wollte ich überwinden. Denn, und damit wären wir beim Zweifel: Wäre es, nach so vielen Jahren, nicht mal Zeit für was Neues? Ein Duft ist schließlich ein Markenzeichen, und wer sieht sein Markenzeichen schon gerne in jedem Duty-Free-Shop der Welt? Kommt im Leben eines Mannes nicht irgendwann der Moment, in dem er einen unverwechselbaren Duft haben sollte, so wie er irgendwann im Idealfall eine unverwechselbare Frisur hat, ein paar typische Gerichte kochen kann und weiß, dass ihm ein Schnurrbart wirklich nicht steht?

Es ist schwierig, das lernte ich schnell. Die Welt der Düfte ist nämlich zum Beispiel noch größer, weniger greifbar und damit deutlich schwerer zugänglich als die des Rotweins. Wer nicht zufällig mit der olfaktorischen Begabung eines Jean-Baptiste Grenouille aus dem Roman "Das Parfum" gesegnet ist, stößt schon bei der Beschreibung seiner Wünsche an Grenzen: Was genau mag ich an meinem bisherigen Duft? Was könnte besser sein? Was will ich damit ausdrücken? Zum Glück gibt es Experten, die einem von Berufs wegen bei der Überwindung dieser Grenzen helfen. So wie Michaela Andraschko.

Sie leitet die "kleine Theatiner-Parfümerie" in der Münchner Innenstadt, wo sie auf gefühlt drei Quadratmetern ihre Kunden mit sehr viel Charme, aber Bestimmtheit in die unendlichen Weiten der Düfte begleitet, immer dem sicheren Leitstrahl ihrer Fragen folgend. Ihre erste an mich lautet: "Wohin fahren Sie gerne in den Urlaub?"

Sie achte kaum auf Äußerlichkeiten, erklärt Frau Andraschko. Nach Beruf oder sonstigen Geschmäckern ihrer Kunden frage sie fast nie. "Was jemand in seiner Freizeit macht, verrät viel mehr über ihn als sein Job oder sein Outfit." Ein kluger Gedanke. Also: Ich verbringe Urlaub gerne am Strand, fühle mich aber fast noch wohler in Großstädten. "Und machen Sie da lieber tagsüber Kultur oder gehen Sie nachts in Bars?" Äh, nun ja, ich gehe schon gerne abends aus. Sie nickt, als hätte sie das schon gewusst, und stellt entschlossen einen Flakon vor mich hin.

Ich habe ihn noch nie gesehen. Was kein Wunder ist: Erstens habe ich keine Ahnung. Zweitens gibt es bei Frau Andraschko fast nur handwerklich hergestellte Nischendüfte von Herstellern, die exklusiv an ausgewählte Parfümerien liefern. Große Marken wie Boss oder Dior finde man bei ihr nicht, "die gibt's nebenan bei Douglas." Sie sagt das im Ton eines Sternekochs, den man nach einer Wurstsemmel gefragt hat. Bei Düften, lerne ich an diesem Tag, verhält es sich offenbar andersherum als in der Mode: Die großen Marken stellen oft synthetische Massenware her. Statt in hochwertige Zutaten fließt viel Geld in die Werbung mit Hollywoodstars. Der Connaisseur mit dem Wunsch nach Distinktion wählt deshalb eher einen Indie-Duft.

Frau Andraschkos erste Wahl für mich: "Dark Desire" von Parfums d'Elmar. "Perfekt fürs Nachtleben", raunt sie. "Geheimnisvoll, verführerisch, leidenschaftlich." Sie sprüht das Parfüm in ein Duftglas ("da entfalten sich die Aromen viel differenzierter als auf dem Papierstreifen"). In chronologischer Abfolge rieche ich nun: Kardamom und Orangenblüte in der Kopfnote, also in den ersten paar Minuten nach Aufsprühen. Dann, in der sogenannten Herznote, Rose und Myrrhe. Und schließlich, in der sogenannten Basis: Zedernholz, Tonkabohne und Patschuli. Nicht schlecht. Aber sehr schwer. Ich denke an Omar Sharif mit Cordjackett und Zigarre in der Hand. Rächt sich nun, dass Frau Andraschko nichts zu meinem Modegeschmack gefragt hat? Der Flakon sieht aus wie ein schwarz-gold lackiertes Modell des Taj Mahal. Wie der in meinem Bad aussähe, will ich mir gar nicht vorstellen. Kann ich solche Oberflächlichkeiten ignorieren, muss ich es vielleicht sogar?

Nein, sagt Martin Ruppmann. "Das Auge schnuppert mit. Nicht umsonst stecken Designer enorm viel Aufwand in die Flakons." Ruppmann muss das wissen, er ist Geschäftsführer des Branchenverbands Fragrance Foundation, dessen offiziell auf der Website festgeschriebenes Ziel es ist, "der Banalisierung des Parfums entgegenzutreten". Ruppmann empfiehlt mir zu überlegen, wofür ich meinen neuen Duft überhaupt suche: Für einen bestimmten Anlass? Oder für den Ausdruck meiner Persönlichkeit? Er selbst habe drei Parfüms: Ein edles ("Aventus" von Creed) sowie ein sportliches ("Artisan Black" von John Varvatos) für den Tag. Ein klassisches ("London" von Burberry) für den Abend. Dazu noch einen alten Aigner-Duft, den sein Vater in Ruppmanns Kindheit oft getragen hat - an dem rieche er aber nur manchmal, um Erinnerungen wachzurufen. "Ein Duft ist nun mal hundert Prozent Emotion."

Für mich heißt das: Ein schwarz-goldener Flakon darf mich abschrecken. Und ich brauche etwas, das mich für den Tag und den Abend wappnet. Meine nächste Anlaufstelle ist das Münchner Edelkaufhaus Ludwig Beck. Hier gibt es eine schier unendliche Auswahl an Düften aus dem Nischenmarkt. Fast alle davon sind unisex, was toll ist, die Auswahl aber leider noch mal verdoppelt.

Als eine Art Anker habe ich meinen bisherigen Lieblingsduft, den von Chanel, mitgebracht. So was in der Art hätte ich gern wieder, aber vielleicht etwas individueller. Die Beraterin riecht daran, nickt wissend. "Frisch, sehr präsent, aber kühl." Sie ist die Frau, die mich mit der Milchreis-Frage überrascht. Also: Äh, ja. "Okay, dann kommt theoretisch auch etwas Süßeres in Frage." Koriander? Ja. Gurke? Ja. Welche Drinks bestelle ich gerne? Ich antworte, und absurderweise steht meine Antwort ein paar Sekunden später auf einem Parfüm vor mir: "Gin and Tonic". Ein, wie ich lerne, preisgekrönter Duft einer jungen Parfümerie aus Großbritannien. Die Duftberaterin sprüht mir das Handgelenk ein und schickt mich einmal um den Block.

Ein Markenzeichen schmeißt man nicht einfach so weg

Am Tag darauf stehe ich mit meinem Wunsch bei Douglas. Der sympathische Verkäufer guckt an mir herunter und reicht mir zwei Flakons. Für den einen wirbt Johnny Depp, auf dem Plakat sieht man ihn mit Weste und sehr vielen Halsketten in der Wüste. Den anderen bewirbt ein hagerer halbnackter Mann, der neben einem Pferd steht. In diesem Moment bin ich dankbar für solche Marketingfotos. Sie geben einem völlig körperlosen Produkt endlich mal einen Rahmen, eine Art visuelle Leitplanke für den interessierten Kunden: Guck her, so und so könntest du rüberkommen! In diesem Fall bin ich dankbar für die Warnung. Und apropos dankbar: Gute Freunde, lerne ich, sind bei diesem Thema sehr hilfreiche Berater. Aber vor allem dann, wenn man im Grunde kein neues Parfüm möchte. Denn es ist zum Verrücktwerden: Sobald sich meine Freunde zwischen mehreren Düften auf meinen Unterarmen entscheiden sollen, wählen sie allesamt denjenigen, den ich schon seit Jahren benutze. Vielleicht ist es schon zu spät? Mein Markenzeichen ist längst etabliert, durch Zufall zu mir gekommen, jetzt unauslöschlich mit mir verbunden und nicht mehr änderbar?

Nachdem ich noch ein paar Tage lang mit Parfümpröbchen vollgedieselt durch die Gegend gelaufen war, habe ich dann tatsächlich "Gin and Tonic" gekauft. Diesen wirklich fantastischen Duft, der auf meine Vorliebe für "zitrische Aromen", "Gurke" und, nun ja, harten Alkohol abgestimmt ist. Ich glaube, auch Frau Andraschko wäre damit einverstanden - schließlich hat sie eines gleich richtig erkannt: Meine Vorliebe fürs Nachtleben scheint für meinen Charakter stilprägender zu sein, als ich dachte.

Ach so, und noch etwas muss ich gestehen: Als ich ein paar Tage später frisch parfümiert am Flughafen wartete, bin ich seit langem mal wieder in den Duty-Free-Shop gegangen und habe mir 50 Milliliter "Platinum Egoiste" besorgt. Ein Markenzeichen schmeißt man nicht einfach so weg.

© SZ vom 30.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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