Süddeutsche Zeitung

Kosmetik:Der Duft des Geldes

Eigene Beauty Stores in bester Lage, pompös beworbene Cremes und ganze Flakon-Bataillone, wenn ein neues Parfum auf den Markt kommt: Warum die großen Luxusmarken im Schönheitssektor gerade mächtig aufrüsten.

Von Anne Goebel

Draußen wird es langsam ungemütlich, aber Emma Stone watet in Shorts durch ein Blütenmeer. Für die neue Louis-Vuitton-Kampagne zeigt eine der teuersten Schauspielerinnen der Welt ein paar Sekunden lang im Wesentlichen ihr Gesicht und ihre Beine. Im Hintergrund ein echtes französisches Schloss, eine Prise Italien-Romantik am Meer - was sich die internationale Klientel halt so wünscht von einem Clip aus der Wunderkammer Europa.

Beworben wird der Duft "Cœur Battant", punktgenau zur Vorweihnachtszeit. Und damit die Geschäfte mit diesem und ähnlichen Produkten auch laufen, wird neuerdings kein Aufwand gescheut, keine sündteure Ladenmiete und kein Hollywoodstar-Honorar.

Luxusmarken rüsten im Schönheitssektor mächtig auf. Mit eigenen "Beauty Stores", pompös angekündigten Pflegecremes, und wenn ein neues Parfum auf den Markt kommt, geschieht das in Form eines ganzen Flakon-Bataillons: Nicht ein Duft, sondern zig Varianten überschwemmen als glitzernde Parade die Instagram-Kanäle. Dior, Hermès oder Celine - alle tragen ziemlich dick auf.

Natürlich ist das Zweitgeschäft mit flüchtigen Stoffen wie Puder und Parfum neben der Mode im Grunde nichts Neues. Seit sich die Couturehäuser vom hermetischen Club für eine limitierte Kundschaft zu Unternehmen gewandelt haben, die mit Luxusprodukten überall auf der Welt sehr viel Geld verdienen, ist der erschwinglichere Kosmetik- und Duftsektor ein wichtiges Standbein. Allerdings haben die Großen in den vergangenen Jahren beobachten können, wie das auch Kleine verstanden haben - und zu nutzen wussten: Marken wie Le Labo aus New York oder Diptyque aus Paris, früher allenfalls Brancheninsidern bekannt, sind mit ihren sogenannten Nischenparfums plötzlich omnipräsent, das Heer der Nachahmer inklusive. Sie alle schöpfen geschickt das Potenzial eines edel aufgemachten Eau de Toilette aus oder einer schicken Tube mit Nachtcreme, natürlich alles aus angeblichen Kleinmanufakturen.

Der emotionale Faktor gilt beim Kauf von Schönheitsprodukten als entscheidend - und Chanel & Co. wollen jetzt die Gefühle der Klienten sozusagen wieder verstärkt in altgewohnte Bahnen lenken: Luxus, der gut riecht und sich gut auf der Haut anfühlt, das sind wir. Spezielle Läden wie Chanel Beauté auf den Champs-Élysées sollen die Bindung an die Marke mehr festigen, als das in Parfümerieketten oder Kaufhäusern gelingt. Auch Dior hat in seiner neuen Pariser Boutique die Duftabteilung großzügig angelegt, in jeder Hinsicht. Eine Flasche Bois d'Argent (in einer beliebigen Flughafenparfümerie nicht zu bekommen) kostet knapp 400 Euro. An der Wand prangt ein Zitat vom Gründer des Hauses, Monsieur Christian persönlich: Ein Tropfen Parfum - und eine Frau ist "gekleidet in Dior". Das mit der Kleidung kann man, im wörtlichen Sinne, selbstverständlich und praktischerweise im Erdgeschoss gleich mit erledigen.

Beim Lizenz-Modell, wie es etwa Gucci oder Armani praktizieren, wird das Geschäft mit Kosmetik von Herstellung bis Vertrieb komplett in die Hände von externen Unternehmen wie L'Oréal gegeben. Für das ehrwürdige Hermès kommt das nicht infrage. Wenn die Franzosen 2020 Pflegecremes und Make-up lancieren, wird es alles nur in eigenen Stores geben, versicherte neulich CEO Axel Dumas in einem Interview mit dem Branchendienst Business Of Fashion. Ansonsten wurde Dumas mit dem recht lapidaren Satz "Es ist ziemlich aufregend" zitiert - der umgehend hohe Wogen auf allen Kanälen schlug. Bald Lippenstift von Hermès, unfassbar! Ähnlich erregt war im vergangenen Jahr die Nachricht aufgenommen worden, dass Louis Vuitton zum ersten Mal in seiner Geschichte einen Fernsehwerbespot für ein Parfum aufgenommen hat. Das war damals die Premiere von Emma Stone für LV. Madame Figaro war der kleine Film ein ausführliches Gespräch wert. Wie ernst die Couture-Marken inzwischen das Geschäft mit Duft, Pflege und Schminke nehmen, das lange nur als nützliche Geldquelle galt, wird in Frankreich offenbar sehr genau beobachtet.

Wobei Celine zuletzt keine Zeit mit dezenter Zurückhaltung verloren hat. Als Designer Hedi Slimane Anfang des Monats seine Pariser "Haute Parfumerie Boutique" in der Rue Saint-Honoré eröffnete, wurde da nicht ein neuer Duft präsentiert, sondern elf. Sie heißen Parade, Nightclubbing oder Eau de Californie und sind in warmen Farbtönen als eine Art Gesamtkunstwerk aufeinander abgestimmt. Was nichts anderes bedeuten soll als: Entscheidungsprobleme? Kauf sie einfach am besten alle.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4698235
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.