Konsum:Väter der Klamotte

Konsum: Das Shopping-Ziel heißt: Bitte nicht auffallen.

Das Shopping-Ziel heißt: Bitte nicht auffallen.

(Foto: Mauritius/Unsplash/Montage: SZ.de)

Männer holen neuen Studien zufolge beim Shoppen auf. Aber sie gehen dann doch ein wenig anders an die Sache heran als Frauen.

Von Tanja Rest

Die Geschäfte der Innenstädte sind samstags voller Männer. Sie lagern im Einzugsbereich der Umkleiden auf Sesseln, die eigens dort platziert worden sind, um den erschöpften Männerkörper in sich aufzunehmen, während die Frau seit einer Dreiviertelstunde Dinge anprobiert, die sie nicht braucht, oder - noch schlimmer - Dinge anschleppt, die der Mann angeblich braucht und jetzt anprobieren soll, zum Beispiel eine nicht fleckige, nicht ausgeleierte Jeans. So behauptet es das Klischee. Und so ist es, wenn man mal ehrlich ist, eigentlich auch immer gewesen. Männer und Shopping, das war einfach keine Liebesbeziehung.

Männer recherchieren gerne im Internet, ob man das neue Hemd nicht irgendwo günstiger kriegt

Nun aber könnte es langsam eine werden. "Einzelhändler müssen sich an die Vorstellung gewöhnen, dass der Kleiderkauf nicht länger Frauensache ist", hat das Magazin Forbes gerade staunend festgestellt. Es bezog sich auf die Ergebnisse einer Studie des Marktforschungsinstitutes First Insight. Diese hatte ergeben, dass es inzwischen besonders häufig die Männer sind, die "sechs Mal monatlich oder noch öfter einkaufen". Und zwar das ganze Sortiment: Bürosachen, Freizeitklamotten, Funktionszeug, Billigtextilien, Luxuskleidung. Sechs Mal monatlich! Respekt.

Die Männer wären natürlich nicht sie selbst, würden sie nicht ein klein wenig pragmatischer an die Sache herangehen. Bildhübsches Button-down-Hemd mit farblich abgesetzter Zierpaspel von Saint Laurent, na gut, tausend Euro sind nicht unbedingt geschenkt, aber ich brauch es jetzt sofort? Nicht mit ihnen. Männer, so das Ergebnis der Studie, shoppen sich nicht mal kurz um Kopf und Kragen, sie recherchieren, bevor sie die Kreditkarte rausrücken. Sprich: Sie gehen im nächsten Schritt nicht zur Kasse, sondern erst einmal ins Internet, wo sie ermitteln, ob es das Hemd nicht noch irgendwo ein bisschen günstiger gibt. Das mag ein Grund dafür sein, dass Männer inzwischen fast genauso häufig online einkaufen wie Frauen. Dabei leben sie auch ihre Technikbegeisterung aus: 70 Prozent der Männer, die Zugang zu Smart Speakers wie Siri und Alexa haben, nutzen diese, um online Preise zu vergleichen und Kleidung zu bestellen. Bei Frauen sind es nur 46 Prozent.

Auch die Motivation beim Einkaufen ist eine andere. Studien zeigen, dass Frauen vor allem aus hedonistischen Gründen einkaufen, weil es ihnen Freude macht. Männer dagegen verfolgen einen utilitaristischen Ansatz: Sie shoppen, weil sie etwas brauchen - nicht unbedingt, weil sie es dringend haben wollen. Insofern hätte sich gar nicht ihre Freude am Einkaufen, sondern die Summe ihrer Bedürfnisse erhöht, und diese umfassen eben nicht nur die tägliche Standardkleidung, sondern immer öfter auch Designerartikel.

Viele suchen nach einem Outfit, in dem sie bequem durch den ganzen Tag kommen

Mr Porter, die 2011 lancierte Männersparte der Yoox-Net-a-Porter-Gruppe, die Luxuskleidung online vertreibt, konnte so zur strahlenden Erfolgsgeschichte werden: An den immer rasanter steigenden Umsätzen des E-Commerce-Riesen sind die Herren inzwischen maßgeblich beteiligt. Bei der 2017 gegründeten, günstigeren Eigenmarke Mr P. handelt es sich nach Unternehmensangaben sogar um "einen der erfolgreichsten Markenstarts in unserer Geschichte". Das Sortiment von Mr P. ist für die Bedürfnisse des shoppenden Mannes quasi maßgeschneidert: modern, aber nicht geckenhaft; lässig, aber nicht nachlässig. Oder, wie es auf der Webseite heißt: "Einfache Teile. Raffinierte Details. Eine Auswahl zukünftiger Klassiker." Und um Himmels willen nicht auffallen. Das wäre dann also die magische maskuline Kleiderformel im Jahr 2019.

Julia Bruns kann das alles bestätigen, sie ist Stylistin beim Online-Händler Zalando. Nicht nur dass die Zahl der männlichen Kunden zugenommen habe (sie nutzen das Beratungsangebot heute genauso häufig wie Frauen). Auch die unterschiedlichen Präferenzen sprechen für sich. "Bei Männern spielen die Qualität und die Materialien eine größere Rolle - es gibt viele, die zum Beispiel Kunstfasern komplett ablehnen." Auch suchten die meisten nach einem Outfit, in dem sie bequem durch den ganzen Tag kommen, ohne sich für den Abend umziehen zu müssen. Und: "Online-Shopping kommt Männern entgegen, weil sie anders als Frauen analoges Einkaufen nicht wirklich als Vergnügen empfinden."

Bis die Ruhesessel vor den Umkleidekabinen abgebaut werden, kann es also noch ein Weilchen dauern.

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