Kolumne Eigener Herd:Die Schärfe des Lebens

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Seine Körner kommen aus Kanada, hergestellt wird er mal in Paris und mal in Düsseldorf, und stehen sollte er in jeder Küche, die auf sich hält: Dijon-Senf ist ein Muss. Allein schon, weil man ihn für das beste Hühnchen der Welt braucht.

Von Titus Arnu

Man mag von Würstchen halten, was man will - aber als Senfträger sind sie fast unverzichtbar. Dem Senf werden neben der Wurstverbesserung auch andere Wunderdinge nachgesagt. Die alten Römer haben sich damit eingerieben, um die Durchblutung zu fördern, Senfbäder sollen gegen Erkältung helfen - und in der Naturheilkunde gelten Senfkörner als verdauungsfördernd und entzündungshemmend. In meiner Familie hat das Wort "Dijon-Senf" einen magischen Klang, denn das legendäre Senfhühnchen meiner Mutter gehört zu den besten Gerichten, die ich kenne. Wahrscheinlich bin ich da aus emotionalen Gründen etwas befangen, was mich aber nicht davon abhält, zu diesem Thema meinen Senf abzugeben.

Aber erst mal zurück zur Wurst. Wiener Würstchen müssen nicht zwangsläufig aus Wien kommen, Original Nürnberger Bratwürste dagegen dürfen nur in Nürnberg hergestellt werden. Die Wiener wiederum nennen die typischen Brühwürste, die in Deutschland Wiener heißen, Frankfurter. Ähnlich verwirrend ist die Sache mit dem Dijon-Senf: Die Firma Maille stellte ihren berühmten scharfen Senf seit 1720 her, zuerst in Paris, später dann auch in Dijon, bis dort die letzte Senffabrik im Jahr 2009 geschlossen wurde. Die meisten Senfkörner für Produkte mit der Bezeichnung Dijon-Senf kommen heutzutage aus Kanada, auch deutsche Firmen machen Dijon-Senf, ein Beispiel ist der Düsseldorfer "Löwensenf extra". Es handelt sich nicht um eine geschützte Herkunftsbezeichnung, sondern um ein Rezept.

Nach dem ursprünglichen Verfahren wird Dijon-Senf aus den Körnern des Braunen oder Schwarzen Senfs gemacht. Die Senfkörner werden vor dem Mahlen nicht entölt. Statt Essig wird Verjus verwendet, der Saft unreifer Trauben. Dijon-Senf ist im Vergleich zu anderen Sorten ziemlich scharf, sehr sämig und hat ein kräftiges, würziges Aroma. Pur brennt er auf der Zunge. In Frankreich wird Dijon-Senf überwiegend zum Kochen verwendet: Er verleiht Salatdressings, Saucen und Fleischgerichten eine prägnante Schärfe.

Dijon erhielt im 13. Jahrhundert das französische Monopol zur Senfherstellung, und von Dijon aus gelangte auch das legendäre Senfhühnchen in den Koch-Kanon unserer Familie. Meine Eltern stammen aus dem Saarland, die Vorfahren meines Vaters kamen aus Lothringen, es gab viele Kontakte nach Frankreich und eine ausgeprägte Vorliebe für die französische Küche. Eine Tante von mir, die älteste Schwester meiner Mutter, brachte das Rezept für das Dijon-Senfhühnchen von Freunden aus Dijon mit. Meine Mutter lernte es bei ihr kennen und übernahm es schließlich in ihr Repertoire. Ein einfaches Essen, das sich gut vorbereiten und warm halten lässt, auch in großen Mengen - ideal für ein Familientreffen oder für einen Abend mit Freunden. Ein gemütliches Gericht, bei dem man nicht auf die Tube drücken muss (zumal man Dijon-Senf meistens im Glas kauft). Wenn die Gäste kommen, duftet es in der Küche bereits wunderbar einladend, nach Käse, Senf und Wein - und die Stimmung am Tisch bleibt ziemlich sicher herzhaft, bis das letzte Restchen Soße mit Baguette aufgetunkt ist.

Senfsationelles Rezept

Wie bei den meisten vermeintlich einfachen Gerichten kommt es auf die Qualität der Zutaten und ein paar Feinheiten an. Für vier Personen braucht man ein ganzes Biohuhn oder vier bis sechs Hühnerteile, 200 Gramm Crème fraîche, 100 Gramm Gruyère (Greyerzer Käse), zwei Esslöffel Dijon-Senf, etwas Maisstärke, Butter oder Butterschmalz und einen halben Liter Weißwein. Im Originalrezept unserer Familie steht, man soll Edelzwicker verwenden, das ist ein Verschnitt, meistens aus Riesling, Silvaner, Gutedel und Gewürztraminer. Diese Elsässer Weinsorte bekommt man nicht überall, man kann auch Riesling und/oder Silvaner nehmen. Hauptsache, der Weißwein hat eine feine Säure und schmeckt fruchtig.

Die Hühnerteile werden in einem großen Emailtopf rundum scharf angebraten, am besten in Butterschmalz oder Butter, mit Öl geht es natürlich auch, aber es schmeckt dann nicht ganz so gut. Fleisch salzen, pfeffern und aus dem Topf nehmen. Wein, Crème fraîche und geriebenen Käse in den Topf geben, ständig rühren und einmal aufkochen lassen. Einen Teelöffel Maisstärke mit dem Schneebesen unterrühren, bis die Soße sämig wird. Ein bis zwei Esslöffel Senf einrühren, Hühnchen in die Soße legen. Im Backofen ohne Deckel fertig garen (etwa 30 Minuten bei 180 Grad). Es geht auch auf dem Herd, dann aber den Deckel auf dem Topf lassen. Das Ergebnis, man muss es so sagen, schmeckt einfach sensationell.

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