Wohnen:Zum Sitzen schön

Bei der Möbelmesse in Köln gab es behutsam modernisierte Designklassiker, aber auch zeitgemäßes Licht und farbenfrohe Sitzmöbel für die neue Arbeitswelt. Ein Rundgang.

Von Max Scharnigg

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Moderne Pop(o)kultur

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Quelle: Hersteller

Knallgelbes Sofa? Check! Zu den Auffälligkeiten der diesjährigen Möbelwoche in Köln gehörte ein punktuell hoch dosierter Farbeinsatz, der die betroffenen Möbel in den eher dunklen Messehallen regelrecht leuchten ließ. Nun waren in den letzten Jahren zwar auch schon vielfarbige Interieurs gezeigt worden, da hatten allerdings meist zahme Pastellnuancen von Altrosa bis Hellgrün und später metallische Farbtöne die Palette dominiert. Diesmal sprang einem fast an jedem Stand ein Stück in poppigem Gelb, leuchtendem Fluo-Orange, mit stark opalisierender Oberfläche oder auch in einem ganz ironiefreien, tiefen Blau entgegen, wie man es vor zehn Jahren höchstens im Kinderzimmer gefunden hätte. Der Effekt dieser pointierten Signalfarben ist eigentlich simpel, aber doch jedes Mal erstaunlich: Einzelne Objekte in der Einrichtung werden damit stark betont und bekommen einen skulpturalen Touch - wie etwa auch das altbekannte, schlichte String-Regal, das in Köln erstmals in grellem Neonorange gezeigt wurde und damit gleich nach Kunstinstallation aussah. Derlei funktioniert aber natürlich nur, wenn die restliche Einrichtung, Wände und Böden einigermaßen ruhig und zurückhaltend bleiben. Dann gibt so ein Einzelstück in Signalfarbe dem Auge Halt, bringt Spannung in den Raum und lässt das restliche Interieur homogener erscheinen, als es vielleicht ist. Und vor allem buchstabiert ein derart krasser Farbklecks eben: Achtung, angewandtes Designverständnis! Es ist eigentlich wie in der Sterneküche - es muss auf dem Löffel warm und kalt knuspern und kitzeln, denn erst unterschiedliche Texturen tragen zum perfekten Gesamterlebnis bei. Dieses neue Sofa vom dänischen Polsterspezialisten Softline lag aber nicht nur farblich im Trend. Dank verstellbarer Rücken- und Sitzkissen lassen sich darauf auch ganz unterschiedliche Sitz- und Liegepositionen einnehmen, der umlaufende Holzrahmen dient zudem als Ablage. Damit reiht sich das "Wood" in eine neue Deutung der Sitzkultur ein, nach der das Sofa nicht mehr vorrangig als abendlicher Fernsehstandort interpretiert wird. Sondern eben als Ganztagsmöbel, auf dem sich ebenso gut ruhen lässt wie arbeiten, essen, Netflix schauen oder jene Zeit verbringen, die das Iphone als "Bildschirmzeit" deklariert. Schreibtisch und manch andere Möbel sollen damit überflüssig werden und das Sofa selbst in Hotellobbys ebenso einsetzbar sein wie in Co-Working-Spaces und anderen Austragungsorten der neuen Arbeitswelt.

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Neuer Schwede

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Quelle: Hersteller

Richard Lampert bietet in Stuttgart ein kleines, aber ausgesprochen feines Sortiment an Wohn- und Büroklassikern und überzeugenden Neuentwürfen an. Das nun vorgestellte Doppelbett "Stockholm" ist dabei eine Weiterentwicklung des Einzel-Stapelbetts "Lönneberga", das bereits seit 15 Jahren im Programm ist. Designer Alexander Seifried hat bei der Überarbeitung die charakteristisch schrägen Fußteile einfach zu einem Kopfteil geknickt - für ein puristisches Schlafzimmer. Passend dazu gibt's auch eine Bettschublade und einen Nachttisch aus Stahlblech - natürlich in signalgelb.

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Raumkünstler

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Quelle: Hersteller

Ein möglichst individueller Zuschnitt der Produkte gehört heute auch in der Möbelbranche zum Mantra - genau wie in der Mode oder der Automobilindustrie. Der Kunde möchte eben am liebsten was Maßgefertigtes von der Stange. Das kommt Herstellern entgegen, die schon in der Vergangenheit mit viel Aufwand supervariable Systeme entwickelt haben und vorrätig halten - so wie der Schrank- und Regalspezialist Montana. 36 Grundmodule in 42 Farben des Systems lassen sich zu wahren Schrankbergen und bunten Wandwucherungen zusammenbauen. Die Messeauftritte des Unternehmens sind dann auch stets Augenöffner - den Stauraum um die Zimmerecke wachsen lassen oder über eine Türöffnung hinweg? Kein Problem. Gerade in den urbanen Small Spaces, die an vielen Stellen der Messe Thema waren, geht es schließlich darum, bisher noch unbespielten Raum auszunutzen - über dem Türsturz, in der Ecke oder im freien Luftraum unter den Decken von Altbauwohnungen. Aber so viel Spaß es macht, sich im Online-Konfigurator eine Montana-Schrankwand zusammen zu puzzeln, der Preis sieht dann am Ende doch ziemlich nach Maßanfertigung aus.

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Hartrosa

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Quelle: Hersteller

Das kleine Unternehmen Pulpo hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Pulsgeber für zeitgeistige Einrichtung entwickelt und erinnert mit der radikalen Ästhetik seiner Objekte manchmal eher an ein avantgardistisches Fashionlabel. Seine neue Serie von Beistelltischen namens Aspa (MUT Design) macht da keine Ausnahme - das verwendete Strukturglas und die betont simple Anordnung mit harten Kanten und spitzen Ecken bilden einen reizvollen Kontrast zu den zarten Farben. Sicherlich kein Familienmöbel, dafür aber vermutlich bald in der nächsten It-Boutique zu bestaunen.

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Am Schnürchen

Midgard

Quelle: Hersteller

Vor einigen Jahren sicherten zwei Hamburger Designliebhaber den Fortbestand der deutschen Traditionsmarke Midgard und stellen seitdem die ikonischen Schreibtisch- und Arbeitsleuchten in Handarbeit in Hamburg her - mit originalen Maschinen und Bauplänen. Ganz im Geiste des damaligen Firmengründers und Tüftlers Curt Fischer will man sich aber nicht nur mit musealen Designs beschäftigen, sondern auch neue Ideen umsetzen. So zeigte Midgard jetzt erstmals eine moderne Leuchte, die das Münchner Diez Office (Stefan Diez und Lina Fischer) entworfen hat. Auch bei der "Ayno" handelt es sich um lenkbares Licht in bester Midgard-Tradition. Allerdings brauchen die Designer dafür keine Gelenke, sondern spannen den Leuchtenkopf einfach mit dem Kabel und zwei stufenlos verschiebbaren Verstellringen. Die Eigenspannung eines Fiberglasbogens hält die Leuchte auf der gewünschten Höhe, dank des schwenkbaren Schirms lässt sich das Licht an jede Position lenken. Die ersten Prototypen der Leuchte bescherten dem kleinen Midgard-Stand viel Aufmerksamkeit - eine spannende Entwicklung, im wahrsten Sinne.

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Robochairs

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Quelle: Hersteller

Bereits beim Salone del Mobile in Mailand stellte die italienische Marke Kartell einen Stuhl vor, dessen Design mithilfe von künstlicher Intelligenz, eines Algorithmus und Philippe Starck entwickelt wurde. Nun zeigte das Unternehmen am Rande der Messe den Stuhl "A. I." auch noch ganz aus thermoplastischem Recyclingmaterial. Gesammelte Industriereste erhalten in Form des spritzgegossenen Stuhls ein neues (und mondänes) Leben. Mit der Verknüpfung von Nachhaltigkeit und künstlicher Intelligenz dürfte den Italienern damit zumindest der modernste Stuhl des Frühlings geglückt sein.

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Der Sitzriese

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Quelle: Zebra Fotostudio's

Auch wenn uns die letzten Jahre schon viele große Sessel und eine regelrechte Renaissance aufwendiger und wuchtiger Sitzmaschinen im Wohnzimmer beschert haben - man wird auf diesem Feld immer noch angenehm überrascht. Für seinen halbhohen Sessel "Bibo" suchte Designer Roderick Vos jedenfalls noch mal ganz neu nach einer Form, die beim Hinsetzen alles intuitiv am richtigen Platz lässt und Instant-Geborgenheit verspricht. Herausgekommen ist ein Sessel, der den Sitzenden auffängt wie ein weicher Handschuh und den Armen zusätzlich angenehmen Seitenhalt und Ablage bietet. Trotz dieses vereinnahmenden Charakters trägt er aber im Raum nicht zu dick auf, sondern wirkt vergleichsweise zierlich. Das liegt an dem dünnen, vierstrahligen Fuß und der Kombination aus runden Formen und geraden Bändern, aus denen die Sesselschale aufgebaut ist. Optische Nebenwirkung: Wenn niemand drinsitzt, sieht der Bibo aus, als würde er die Arme nach einem ausstrecken. Niedlich! Produziert wird der Sessel vom niederländischen Unternehmen Pode.

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Das Leichtlicht

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Quelle: Hersteller

Man kann gar nicht genug betonen, welch radikalen Wandel die Lichtbranche durch den Technologiesprung zur LED in den letzten fünfzehn Jahre erlebt hat. Das Prinzip Leuchte konnte von den Designern damit völlig neu gedacht werden, und dass viele Modelle heute noch aussehen wie zu Glühbirnenzeiten, ist wohl eher der Gewohnheit der Kunden zuzuschreiben. Das hippe Label Muuto mit Sitz in Kopenhagen stellt nun ein neues Lichtsystem vor, das es zusammen mit der US-Gestalterin Rachel Griffin zur Produktreife gebracht hat. Federleichte Spots aus Magnesium-Spritzguss beherbergen dabei Leuchtdioden und einen starken Magneten, mit dem sie überall angebracht werden können, wo der Magnet hält. Die Lichter sind einzeln schalt- und dimmbar, aber auch über einen gemeinsamen Bodenstecker-Hub zu bedienen. Dazu liefert Muuto einen Stab, an dem sich die Lichter aufreihen lassen und dann eine Stehleuchte ergeben, die in jeder beliebigen Richtung und Höhe Licht liefert - und sich die individuelle Dimm-Einstellung nach dem Ausschalten merkt. Smart!

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Mut zur Oberfläche

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Quelle: Hersteller

Zum Geburtstag machte sich der schwäbische Möbelbauer Kettnaker selbst eine Freude und legte eine Meisterstück-Edition auf: Sideboards und Kommoden, in denen das Know-how aus 150 Jahren Firmengeschichte steckt. Die Furniere und Intarsien etwa sind so gearbeitet, dass die Holzmaserung millimetergenau über das gesamte Möbelstück läuft. Die nur sechs Millimeter dünnen Fronten verjüngen sich an den Kanten, sodass nahezu keine Materialstärke mehr sichtbar ist. Ein echter Publikumsmagnet auf der Messe und ein Beispiel für die neue Lust an Ornament und handwerklichen Details.

© SZ.de/mpu/vs
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