Süddeutsche Zeitung

Kochkolumne "Eigener Herd":Zehn Gebote für den besten Salat

Es soll Menschen geben, die essen Rohkost, um abzunehmen - die Ahnungslosen! Verzicht ist ein denkbar schlechtes Rezept. Sehr viel weiter führen zehn goldene Genussregeln.

Von Marten Rolff

Für den Start in den Frühling haben deutsche Gastronomen den "Fitness-Salat" erfunden. Und ein früher Meister dieser kalorischen Großillusion ist Münchens - auch nicht unbarocker - Platzlhirsch Alfons Schuhbeck, zu dessen bekannteren Gerichten zwei Rohkostteller zählen. Für ihn: der "FC-Bayern-Salat". Für sie: der "Radi-Rote-Bete-Salat Sissi". Die Magie daran: Obwohl beide Salate opulenter als Schweinsbraten sind (für ihn: mit Huhn, Fleischpflanzerln, Bratwurst, Sherry, Portwein, dreierlei Öl; für sie: mit Speck, Breznchips, Holundersirup, Zuckersesam, Öl, Maismehl) darf man bei Schuhbeck weiter von Lewandowskis Sixpack und Romy Schneiders Taille träumen. Ein Widerspruch, der keiner sein darf, denn Salat soll hierzulande traditionell vor allem eins: ein gutes Gewissen machen.

Zwar werden die in Blattwerk versteckten Fleisch- und Zuckerberge durch Veganismus und Gesundheitstrend immer kleiner, doch leider hat das an der Gesamtlage wenig verbessert. Nicht wenige halten nun Antioxidantien, Erbsenprotein und Omega-3-Fettsäuren für die wichtigsten Salatzutaten. Um Geschmack geht es selten, und so ist die deutsche Salatbar zumeist ein Drama aus faden Blättern und Tomatenecken, aus schlaffen Schnitzen von Kohl, Karotte oder Gurke, die zu süß oder zu sauer eingelegt wurden.

Schade, denn kaum ein kulinarisches Genre hat sich so entwickelt und derart von Globalisierung und Fusionküche profitiert wie der Salat. Befeuert hat das auch der "Bowl-Trend", wobei viele der entsprechenden Lokale zu ideologisch sind, um wirklich gut zu sein. Am besten also, man legt selber los. Das Umdenken ist nicht schwer. Aber ein paar Regeln gäbe es da natürlich schon.

1. Es lohnt sich, in ein Kochbuch zu investieren. Viele meinen, für Salat brauche man keine Rezepte, aber das hieße, auf jede Menge Inspiration zu verzichten. Es sind viele tolle Salatbücher erschienen. Drei Empfehlungen: "Die Salatwerkstatt" (Verlag Freies Geistesleben) des dänischen "Noma"-Gründers Claus Meyer verbindet Basiswissen mit Warenkunde und Finesse. Die Amerikanerin Samin Nosrat bietet im Grundlagenwerk "Salz, Fett, Säure, Hitze" alles, was man zum Blätterfreistil braucht. Und Amanda Hesser und Merrill Stubbs zeigen in "Salat satt" (Südwest Verlag), dass auf Grünzeug tolle Hauptgerichte fußen.

2. Ein Salat sollte zivilisiertes Essverhalten ermöglichen. Wer es schafft, ein öliges, tellergroßes Lollo-bianco-Blatt zum Mund zu führen, ohne dabei seine Restwürde einzubüßen, muss nicht weiterlesen. Für die anderen gilt: Was spricht dagegen, Salat vor dem Servieren in mundgerechte Stücke zu rupfen? Man muss nicht alles zerhäckseln, klar, Biss ist wichtig, aber Salat ist kein Balanceakt, sondern Vergnügen.

3. Alles darf rein. Salat ist viel mehr als eine Gemüsegeschichte, man sollte ausnutzen, dass sich fast jede Zutat eignet. Auch Reste aus dem Kühlschrank. Mit einer Basis aus Bulgur, Kochdinkel oder -gerste oder Reis vom Vortag wird er ein Hauptgericht, das sich aufwerten lässt, ob mit gerösteten Sojaflocken (crunchig), Lupinensaat (nussig), Gewürzen (edel) oder Zitronenschale (frisch). Mutig sein! Was nicht passt, wird passend gemacht - oder fliegt raus.

4. Abwechslung ist alles. Gute Salate haben ein spannendes Mundgefühl: Sie kombinieren Knack (Blätter, Paprika) mit Crunch (Nüsse, Röstbrot) und Weichheit (Rosinen, Zucchini), Frische (Obst) mit Schärfe (Chili) und Herzhaftigkeit (Bratenreste, Sojasoße), warm mit kühl. Wo sich Texturen, Temperaturen und Aromen ergänzen, entsteht ein aufregendes Ganzes.

5. Auf Traumkombinationen setzen. Am besten stellt man zwei bis drei Zutaten, die sich verstehen, ins Zentrum und baut den Rest drum rum. Etwa Tomaten und Rote Bete (schälen, würfeln, 25 Minuten in Salzwasser garen). Beides passt zu Blattsalat und Reis oder Kartoffeln - und lässt sich etwa mit Mozzarella, Basilikum, Balsamico und Olivenöl ergänzen. Aber auch mit Boskop, Zwiebeln, Bonito und Kreuzkümmel.

6. Anrösten potenziert das Aroma. Kerne und Nüsse machen Salate aufregender. Wer sie kurz in einer beschichteten Pfanne anröstet (nie aus den Augen lassen), vervielfacht ihren Geschmack. Klappt auch bei Gewürzen wie Kreuzkümmel.

7. Qualität zahlt sich aus. Das gilt nicht nur für feste, sondern vor allem für flüssigen Zutaten. Es muss nicht gleich gereifte Sojasoße oder Pflaumenkernöl sein, aber zu billige Dressingzutaten reißen den besten Salat in den Abgrund. Man braucht: mindestens ein einwandfreies Öl, säurearmen Essig (Weißwein), Dijonsenf, ein weiches Salz und frisch gemahlenen Pfeffer; eventuell Balsamico und fruchtige Chili.

8. Die besten Salatsoßen sind selbstgemacht. Ob sie schmecken, hängt von einer guten Balance aus Salz, Säure und Fett ab. Die ist auch Geschmackssache (und eine Frage von Essig- und Ölsorte), aber viele mögen ein Öl-Essig-Verhältnis von 2:1. Wer eine Schalotte in der Vinaigrette liebt, kann die Würfel 15 Minuten in Essig einlegen, das mildert die Zwiebeligkeit. Zitronensaft statt Essig ist eine gute Idee, etwas Honig, wenig Knoblauch und 1 TL Senf auch.

9. Croûtons machen vieles besser. Claus Meyer empfiehlt dafür einen Tag altes Weizenbrot oder drei bis vier Tage altes, auf Kühlschranktemperatur gekühltes Roggenvollkorn. Brot in Würfel schneiden oder rupfen, 2 Hände voll mit 1 EL Olivenöl und etwas Meersalz mischen, eventuell würzen (Thymian, Anis oder Kreuzkümmel). Im Ofen bei 125 Grad (Ober und Unterhitze), auf Backpapier etwa 15 Minuten rösten.

10. Brechen Sie unbedingt jede dieser Regeln! Aber bitte nur für den Genuss. Niemals, um abzunehmen.

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