Die Fans mussten fast vier Monate tapfer ausharren, aber am Ende wurden sie natürlich nicht enttäuscht. Die im September geborene Tochter von Model Gigi Hadid und Sänger Zayn Malik heißt nicht Emma, Olivia oder Harper, sondern: "Khai." Jedenfalls änderte Hadid vergangene Woche ihre Instagram-Bio in "Khai's Mom", und da diese paar Zeilen Selbstbeschreibung ja mittlerweile so etwas wie der digitale Offenbarungseid sind, darf die Information durchaus als gesichert gelten.
Khai also. Schlicht, aber ergreifend. Denn natürlich gibt es eine Geschichte dazu. Kein Vorname wird heute einfach mehr so gewählt, erst Recht nicht, wenn es ein besonderes Kind ist, dessen Eltern zum Beispiel über ein gemeinsames Vermögen von über 100 Millionen Followern verfügen. Dann muss der Name mindestens ein paar Herleitungen bieten, die es zu entschlüsseln gilt. Dem Volk werden diese kleinen Rätsel wie Brotkrumen zugeworfen, damit es sich umgehend an die Onomatologie machen kann, in profaneren Kreisen auch Namenforschung genannt.
Bisherige Erkenntnisse: Khai bedeutet auf Arabisch (Hadids Vater ist Palästinenser) "der/die Gekrönte" oder auch "Königtum". Außerdem recherchierte die ahnenforschende Community, dass Hadids Großmutter Khairia und Schwester Bella mit Zweitnamen Khair heißt, in dieser Familie also offensichtlich sukzessive von rechts weggekürzt wird. (Entsprechend sollte die kleine Khai später mal über "Kha" für den eigenen Nachwuchs nachdenken.) Ausgesprochen wird der Name, laut diversen Youtube-Tutorials, übrigens wie "Thai" nur mit K, also letztlich wie der hierzulande nicht ganz so spektakuläre Jungenname Kai.
Der neue Leistungsdruck bei der Namenswahl
Solche Namenskonstrukte können ein hartes Stück Arbeit sein. "Baby name anxiety" nannte die New York Times vor ein paar Jahren das krampfhafte Streben junger Eltern - und das beinahe Verzweifeln daran - ihrem Nachwuchs möglichst einmalige oder positiv konnotierte Namen zu geben. In einer Gesellschaft, in der alle glauben, etwas ganz Besonderes zu sein, unter anderem weil Eltern ihren Kindern eben diese fixe Idee schon von klein auf eintrichtern, muss die Originalität schon beim Namen anfangen. Es gibt nämlich gar nicht nur einen Rudi Völler, aber sehr wahrscheinlich nur einen Brooklyn Beckham, eine North West (Kims und Kanyes Schöpfung) und ganz sicher nur einen X Æ A-Xii Musk. Besser die zukünftige Freundin des Sohnes von Tesla-Gründer Elon Musk und Sängerin Grimes lässt sich diesen Namen später nur bei einem orthographisch wirklich sattelfesten Tätowierer eingravieren.
Früher handelte es sich vor allem um ein Phänomen unter Prominenten, mittlerweile lässt sich der Nachahmereffekt von "Mehr Einzigartigkeit wagen" auch unter Normalsterblichen beobachten. Das Stadtmagazin Qiez veröffentlichte kürzlich eine Liste von Berlins kuriosesten Babynamen 2020, aufgeschlüsselt nach Bezirken. Ein Albtraum für Traditionalisten, ein Fest für Freunde der Vielfalt. In Charlottenburg-Wilmersdorf etwa hört man bald Rufe nach Luana-Rose, Mercedis oder Fulk auf dem Spielplatz, in Spandau wachsen gerade Chelsea-Shayenne, Diakite und Jayden-Jax heran, in Pankow Babie, Depta, Honey, Arkenbald und - doch, doch, das geht offensichtlich - der kleine Lamborghini. Im Grunde liest sich das Register wie eine sehr exotische Speisekarte. Leider wurden die Nachnamen dazu nicht mit abgedruckt, die ja im Zusammenspiel erst das Gesamtkunstwerk einer jeden Kreation ergeben.
Möchte Melone vielleicht etwas Apfel?
Natürlich ernten ungewöhnliche Namen regelmäßig Spott. Legendär ist der ungewollt komische Spruch von Robbie Williams, als er Gwyneth Paltrows Tochter "Apple" mit Melonen verwechselte und bei ihrem Besuch fragte: "Möchte die kleine Melone vielleicht einen Apfel?" Auch Ärzten, Beamten und Erziehern muss man ständig wieder erklären, wie der ganze Stolz ausgesprochen und geschrieben wird. Vor allem die Berufsgruppe der Lehrer muss hier mittlerweile einen schwierigen Spagat hinlegen. Einerseits all die Bens und Emmas, die dann in Ben P., Ben T., Emma S., Emma B. unterteilt werden, andererseits all die kreativen, munter gekoppelten Wortschöpfungen, die sie sich merken sollen. Kein Wunder, dass sich Kinder selbst immer Spitznamen wünschen, damit aus "Charlemagne" in Neukölln (echt wahr) doch noch ein ganz normaler Charlie wird. Im Gegensatz zu ihren Eltern in den Achtzigern oder Neunzigern werden sie auch keine Diddl-Tasse oder Touristennippes mit dem eigenen Namen finden. Aber wer will heutzutage noch ernsthaft ein Massenprodukt?
Die neue Diversität kann sogar durchaus Vorteile haben. Für die später immer noch Besonderen fällt das mühsame Suchen und Etablieren eines Künstlernamens weg. Nicht mal bei Instagram muss man sich ein cooles Alias verpassen, wie all die anderen User mit ihren Allerweltsnamen. Überhaupt werden diese Individuen nie die gleichen frustrierenden Erfahrungen wie unsereins machen, dass der gewünschte Benutzername bei Gmail, Lufthansa oder Chess.com immer bereits vergeben ist.
Die eigene Webseite lässt sich ebenfalls noch problemlos sichern - wenn man früh genug dran ist. Beyoncé und Jay-Z (beide bereits onomatologisch wertvoll) wollten den Namen ihrer Erstgeborenen Blue Ivy bekanntlich als Marke schützen lassen. Dummerweise gab es da schon diese Eventagentur Blue Ivy Company, was einen jahrelangen Rechtsstreit nach sich zog. So etwas sollten ambitionierte Eltern natürlich tunlichst vorher checken.