Olympiamode:Gold für Kimmie?

Olympiamode: Für die Zeit zwischen den Wettkämpfen: Loungewear von Skims für US-Athletinnen.

Für die Zeit zwischen den Wettkämpfen: Loungewear von Skims für US-Athletinnen.

(Foto: Hersteller)

Skims, das Wäschelabel von Kim Kardashian, ist offizieller Ausrüster der US-Olympioniken. Eigentlich ein Volltreffer. Wenn nur die Zeiten anders wären!

Von Tanja Rest

Am Abend des 28. Juni konnte die vor ihren Bildschirmen versammelte Kim-Gemeinde wieder einmal ihr bemerkenswertes Begeisterungsvermögen unter Beweis stellen. "So incredible", "So so cool!!!", "Yay Kimmie!" - 1,8 Millionen Likes bis heute. Was war geschehen? Etwas Großes und Rührendes. Ein kleines Mädchen, das seinen Stiefvater immer zu den Olympischen Spielen begleitet, den olympischen Geist geatmet und olympische T-Shirts getragen hatte, dieses Mädchen, inzwischen zur Frau herangereift, hatte einen Anruf vom Nationalen Olympischen Komitee erhalten: Ob es bereit sei, nun seinerseits die wackeren US-Athleten einzukleiden? Was ja wohl eine unfassbare Ehre und insgesamt ein Happy-End war.

So jedenfalls schilderte es Kim Kardashian auf Instagram. Und wenn man auch längst weiß, dass sich alles, was die Großmutter aller Influencerinnen anfasst, umstandslos in Gold verwandelt, so bleibt doch festzuhalten: Olympisches Gold hatte sie bisher noch nicht.

Skims also. Formende Unterwäsche, T-Shirts und Schlafanzüge für Team USA. Kim Kardashian hat das Label zusammen mit ihrem Geschäftspartner Jens Grede erst vor zwei Jahren gegründet, im April lag der Marktwert bereits bei 1,6 Milliarden Dollar. Als Erklärung für diesen rasanten Erfolg bietet sich Dreierlei an: die totale Digitalisierung von Marketing und Vertrieb; die Vielfalt der angesprochenen Zielgruppe (alle Ethnien, alle Körper), die gerade sehr formschön mit dem Zeitgeist harmoniert; und natürlich Kim selbst, geballte Insta-Starpower mit einer Viertelmilliarde Followern. Dank Skims darf sie sich jetzt einreihen in die Riege der Olympia-Ausrüster, Seite an Seite mit Schwergewichten wie Ralph Lauren (ebenfalls USA), Lacoste (Frankreich), Armani (Italien) und Adidas (Deutschland). Alles könnte also wirklich "Yay Kimmie!" sein - wenn dies nicht Tokio wäre und das Unglücksjahr 2021.

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(Foto: Angela Weiss/AFP)

Bis zu den Spielen von Rio 2016 war für Olympia-Ausrüster noch folgendes Narrativ vorgesehen: Du erwirbst für eine obszön hohe Summe (100 Millionen Dollar sind keine Seltenheit) das Recht, vier Jahre lang mit den fünf Ringen zu werben und die besten Athleten des Landes auf der größten Sportbühne der Welt in deine Sachen zu stecken. Wenn einer dann Gold holt, es die Leute im Stadion aus den Sitzen reißt und sich die Nation daheim vorm Fernseher bewegt ans Herz fasst, heftet das menschliche Unterbewusstsein deine Marke an einem Ort ab, der sonst für Schokolade, Sonnenuntergänge und Sex reserviert ist. In deiner Bilanz schlägt sich dieser Vorgang wenig später in Gestalt einer obszön hohen Gewinnsumme nieder.

Bei den Spielen von Tokio 2021 aber wird es nicht nur kein Jubelvolk im Stadion geben, es fehlt auch die im olympischen Protokoll vorgeschriebene Begeisterung der einheimischen Bevölkerung. Die Zeitung Asahi Shimbun veröffentlichte im Mai eine Umfrage, der zufolge 83 Prozent der Tokioter keine Lust haben auf die Sportsause in ihrer Stadt, 10.000 der bereits gefundenen 80.000 freiwilligen Helfer haben ihren Einsatz wieder storniert. Noch schlimmer: Es besteht die Möglichkeit, dass aus der Nationenparty ein Superspreader-Event wird. Der CEO von Japans größter Internetbank Rakuten hat öffentlich von einem "Selbstmordkommando" gesprochen, lokale Initiativen rufen dazu auf, keine Produkte von Olympia-Sponsoren mehr zu kaufen.

Anders formuliert: Im dümmsten Fall könnte das kollektive Unterbewusstsein die bei Olympia vertretenen Marken an einem Ort abheften, der sonst für Rohkost, Zahnarztbesuche und Weihnachten bei den Schwiegereltern reserviert ist. Nicht direkt tödlich, aber irgendwie unangenehm. Und das wäre natürlich ein Problem.

Wer soll das Zeug am Ende kaufen, wenn es keiner sieht?

Die Marktforscher von Kantar haben ermittelt, dass zwei Drittel der Amerikaner weniger Lust haben, Olympia zu schauen, wenn im Hintergrund keine Zuschauer zu sehen sind. Marketing-Leuten dürfte bei dieser Meldung der Angstschweiß ausgebrochen sein. Wer soll das Zeug am Ende kaufen, wenn es keiner sieht? Kim Kardashian ist wenigstens in dieser Hinsicht fein raus: Sie kann auf Instagram ihre eigene Öffentlichkeit jederzeit selbst herstellen, Bestell-Link zum Skims-Shop inklusive.

Alle anderen mögen sich damit trösten, dass Olympiamode auch vor Corona nicht ganz frei von Tücken war. Über Ralph Laurens Strickjacken mit Stars-and-Stripes-Patchwork für Sotschi lästerte der Independent, man fühle sich an einen "Weihnachtspulli aus dem Kleiderschrank von Bill Cosby" erinnert. Über Willy Bogners Nylonblousons in Knallblau und Neonpink bei den Sommerspielen von London lachte sich die ganze Welt kaputt - sie sahen aus wie Skijacken. Und beim Wettbewerb der Freistilringer in Rio zogen ein mongolischer Athlet und sein Trainer nach einer umstrittenen Wertung ihre ganze Kleidung bis auf die Unterhose aus und warfen sie dem Kampfgericht verächtlich vor die Füße. Der Name des unglückseligen Ausrüsters ist nicht bekannt.

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