Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Die Rückkehr des Kruzifix

Die modische Heilsbringerin Kim Kardashian ersteigerte kürzlich den Kreuzanhänger von Lady Di - und macht damit den Weg frei für ein Comeback des Kreuzes in der Mode.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Kleine Sünden

Egal, wie man zu Kim Kardashian steht, sie ist definitiv der wichtigste Trendsetter unserer Zeit. Dicker Po, Jogginghose, Schlauchkleid und -lippe, all das hat der Zeitgeist ihr zu verdanken. Für den Zeitgeist ist deswegen die Nachricht, Kim habe im Januar bei Sotheby's einen Handlanger das "Attallah Cross" ersteigern lassen, wichtig. Es handelt sich um einen Kreuzanhänger, mit Amethysten und Diamanten besetzt, und zwar so groß, dass das Ding eigentlich nur ein Papstgenick nicht brechen kann. 186 000 Euro blätterte unsere liebe Trash-Stilikone für das 1920 vom Londoner Juwelier Garrard gefertigte Schmuckstück hin. Warum macht man so was? Nicht ganz unwichtig für die Entscheidung ist wohl die Tatsache, dass Lady Diana diesen Blingkracher mal trug, und zwar - die herrlichen Achtziger! - in Kombination mit einem kardinaligen Kleid, mit Taftrock und -kragen in Purpurrot. Kim Kardashian möchte sich also in die Reihe der legendären Stilpäpstinnen einreihen, schade nur, dass die heutigen nicht so lustig sind wie Lady Di damals! Was hat das mit uns zu tun? Wie immer nix, aber man könnte die Kardashian-Investition als Inspiration sehen: Zeit, sich nach diesen langen Jahren, in denen Kreolen (je dicker, desto geschmackvoller angeblich) von allen rauf und runter getragen wurden, endlich mal lockerzumachen, Kruzifix! Diese Ohrringe von Laura Lombardi (gesehen bei matchesfashion.com) wären ein guter Anfang, und das Beste: Sie schrammen nur haarscharf an der neuesten Sünde, der religiösen Aneignung, vorbei.

Für ihn: Schweres Kettchen!

Ob es heute in Grundschulklassen noch immer einen gibt, der stolz mit einem goldenen Kreuzkettchen ankommt? Früher jedenfalls waren das oftmals ganz besondere Knaben-Kaliber und meistens das Gegenteil von fromm. Es war eher so, als wäre diese frühen Kreuzchen-Träger den anderen Jungs kurzzeitig voraus, was die Themen übersteigerte Männlichkeit, Selbstbewusstsein und Statussymbole anging. Irgendwie, so hat man damals jedenfalls eingeschüchtert gedacht, bringt so ein baumelndes Kreuzchen am Hals schon Vorteile, himmlisch und irdisch. Später im Leben war natürlich klar, dass die Kreuzchenträger meist eher doch nicht automatisch zu respektierten Meinungs- und Rudelanführern geworden sind und das Kreuz unterm Adamsapfel bei vielen erwachsenen Männer nur noch seltsam unpassend wirkte - so etwa wie ein Peace-Zeichen auf einer Panzerfaust. Solche symbolischen Widersprüche und Spannungsfelder interessieren die Mode aber naturgemäß, und so ist es kein Wunder, dass das Kreuz dort derzeit von ursprünglicher Bedeutung und Kommunionssprüchlein befreit und statusmäßig neu aufgeladen wird. Bei den Style-Gurus von Mr. Porter gibt es zum Beispiel diesen Kreuzanhänger aus Weißgold und Diamanten im Angebot. Gestaltet wurde er vom New Yorker Szene-Juwelier Greg Yuna und steht ganz im Einklang mit der neuen Lust der Modemänner an Ringen, Ketten und Perlen. Vor zweihundert Jahren hätte sich jemand mit so einem opulenten Glaubensbekenntnis als besonders gottesfürchtig inszeniert. Heute inszeniert man sich damit besonders trendfürchtig. Ob Kreuz- oder Peace-Zeichen in Diamanten oder eine kleine Panzerfaust in Weißgold, das ist dabei eigentlich egal.

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