Süddeutsche Zeitung

Kansai Yamamoto:Der Mann, der David Bowie in "Ziggy Stardust" verwandelte

Zum Tod des exzentrischen Modedesigners Kansai Yamamoto, der die ikonisch-androgynen Bühnenoutfits für David Bowie entwarf.

Von Thomas Hahn, Tokio

Auf der Webseite des "Nippon Genki Projects 2020" ist Kansai Yamamoto noch lebendig. "Hello!" steht da in pinker Schrift neben einem Bild, auf dem der Modeschöpfer in kraftvoller Pose zu sehen ist: roter Anzug, geballte Faust. "Jetzt, da ich gegen die Krankheit kämpfe, spüre ich das wirklich: Mode hat die Kraft, Menschen glücklich zu machen", heißt es im Text.

Man darf wohl davon ausgehen, dass Yamamoto tatsächlich nichts dagegen gehabt hätte, wenn sein Publikum glaubt, trotz Leukämie sei alles wie immer. Das japanische Wort "Genki" heißt Energie, Gesundheit, Tatkraft, es ist ein Schlüsselwort seiner Mode, mit der er das Leben feierte. Er wollte sicher nicht, dass sein Tod die Menschen von dieser Feier abhält.

Die geplante Online-Show findet trotzdem statt

Seine Firma hat deshalb schon mitgeteilt, dass die Online-Show des "Nippon Genki Projects 2020" wie geplant am Freitag um 20 Uhr zu sehen sein werde. Und das ist kein Widerspruch zu der traurigen Nachricht vom Montag, dass Kansai Yamamoto vergangene Woche im Alter von 76 Jahren gestorben ist.

Yamamoto war der Pionier eines extravaganten Kleidungsstils, der sich bis zum Schluss abhob von der nüchternen Eleganz anderer japanischer Modeschöpfer. Kräftige Töne, exzentrische Formen, wehende Stoffe sind Kennzeichen seines Werks. Bei Yamamoto war Mode ein Ausdruck von Leidenschaft und bejahendem Lebensgefühl, ein Bekenntnis zum Chaos der Farben und zum Nebeneinander von Tradition und Moderne. Es war, als sollten seine Modenschauen eine Gegenwelt sein zum emotionsarmen japanischen Geschäftsalltag mit schwarz-weißer Kleidungsroutine. Bei Modenschauen wollte er "Orte erschaffen, an denen ich in Kontakt mit den Seelen der Menschen treten kann".

Zu Ruhm kam er in den Siebzigerjahren vor allem durch die Zusammenarbeit mit dem britischen Sänger David Bowie, der in seinem Gewerbe ebenfalls ein Pionier war. Als junger Mensch war Yamamoto an Bauingenieurswesen interessiert, später brach er ein Studium der englischen Literatur ab, um sich der Mode zuzuwenden. Er absolvierte eine Lehre bei dem Designer Junko Koshino, brachte sich vieles selbst bei und machte sich selbständig, nachdem er einen angesehenen Mode-Preis gewonnen hatte. 1971 gründete er seine eigene Firma, seine erste Kollektion kam in Großbritannien und den USA heraus.

In Interviews hat sich Yamamoto immer wieder zurückerinnert, wie er und David Bowie zusammenfanden. Das erste Yamamoto-Stück kaufte Bowie demnach kurz nach Yamamotos erster Modenschau in dem Laden "Boston 151" an der Kings Road in London. Der japanische Stilist Yacco Takahashi machte sie später miteinander bekannt. Takahashi fand, dass Yamamotos futuristische Unisex-Designs ideal zu Bowies schlanker Erscheinung passten.

Der exzentrische Japaner Yamamoto und der eher ruhige Brite Bowie teilten die Begeisterung für radikale Kostüme. Und so prägte Yamamotos Mode bald Bowies Musikinszenierungen, vor allem, wenn er in die Rolle seiner Kunstfigur Ziggy Stardust schlüpfte. "Irgendeine Art von chemischer Reaktion fand statt", erzählte Yamamoto später, "meine Kleider wurden ein Teil von David, seinen Songs und seiner Musik." Yamamoto wusste, was er Bowie zu verdanken hatte. Stücke wie sein Vinyl-Overall mit Ballonhosen wurden durch ihn Ikonen. Gleichzeitig wäre Bowie ohne Yamamotos Kleider nicht der Bowie gewesen, als den ihn die Kritik feierte.

Den Sonnenaufgang sehen, Musik hören

Kansai Yamamoto hat sich selbst immer als "visuelle Person" beschrieben. "Es tut mir nicht weh, eine Woche lang keine Musik zu hören", hat er mal gesagt, "wenn ich den Sonnenaufgang sehe, sehe ich Musik." Diese Freude an allem, was man sichtbar machen kann, spürt man in jedem seiner Interviews.

Auch nachdem er im Februar bekannt gemacht hatte, dass er an Leukämie erkrankt war, muss ihm seine Fashion of Genki, seine Mode der Energie, ein Trost gewesen sein. Es heißt, er habe so lange, wie er konnte, am "Nippon Genki Project 2020" mitgearbeitet. In seinem letzten Gruß schreibt er: "Ich will leben! Ich will geliebt werden! Ich will das zum Ausdruck bringen!!" Mit seiner Mode ist ihm das gelungen.

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