Süddeutsche Zeitung

Trendkolumne "In aller Munde":Kakaowasser - ein Drink aus dem Abfall der Schoko-Industrie

Nach Birken- und Kokoswasser folgt der nächste Superfood-Saft. Diesmal wird er aus dem Fleisch der Kakaofrucht gepresst. Aber schmeckt das auch?

Von Julia Rothhaas

Wer eine heiße Schokolade im Café trinken möchte, weiß, dass zur Bestellung zwingend die Frage gehört: Machen Sie die mit Milch oder Wasser? Bei Letzterem ist die Lage eindeutig, auf Tee umsteigen oder das Weite suchen. Kakao und Wasser, das funktioniert nur in Ausnahmefällen.

Das "Kakaowasser" hat ebenfalls wenig mit heißer Schokolade zu tun. Gemeint ist das nächste Superfood, das uns erwartet, nachdem wir mit unseren dauergefärbten Kurkuma-Fingern längst routiniert Grünkohl in den Smoothie-Mixer stopfen und zu jedem Essen ein Schälchen fermentierte Karotten essen. Also die Lebensmittel, die vor allem eins auszeichnet: ein absurd gutes Marketing.

Superfoods sind so etwas wie das Bußwerk der Katholiken. Anstelle von fünf Ave-Marias zwei Esslöffel Chiasamen und eine Handvoll Acai-Beeren, schon ist alles wieder gut, was wir unserem Körper am Abend vorher angetan haben. Erlöse uns von dem Bösen, das wollen wir wenigstens hier gern glauben, und tappen regelmäßig in die nächste Superfood-Falle. Dass es im Reformhaus das Kakaowasser unter dem etwas altbackenen Namen "Kakaofruchtsaft" schon lange gibt, hängt übrigens damit zusammen, dass man dort in Sachen Marketing chronisch hinterherhinkt.

Mit richtiger Schokolade hat das Kakaowasser ebenfalls nicht viel gemein, obwohl beide aus der gleichen Frucht stammen. In dem weißen Fleisch der Kakaofrucht schlummern ordentlich aufgereiht die Bohnen, die man für die Herstellung von Schokolade benötigt. Die kommen - auf Bananenblättern gebettet - für die Fermentation in Körbe, Kisten, Holzfässer und bleiben dort in der Regel für fünf bis sechs Tage, erst so lässt sich der letzte Fetzen Fruchtfleisch von der Bohne lösen. Das restliche Rundherum der Frucht, also Schale und Fleisch, liegt dann schon längst auf dem Müll.

Ein Jammer, das wissen die Kakaobauern auf den Plantagen seit jeher; sie zuzeln am saftigen Fleisch, um sich zu erfrischen. Doch diese Form des Food-Upcycling haben nun auch diverse Start-Ups für sich entdeckt, die das Fruchtfleisch vor dem Kompost bewahren, stattdessen auspressen und in schicke Fläschchen abfüllen. Die weltweite Schokoladenproduktion ist enorm und längst nicht immer nachhaltig. Da ist die Rettung der Kakaoreste natürlich löblich, aber ob die bisher noch recht kleine Menge an ausgepresstem Fruchtfleisch wirklich einen Unterschied macht, ist nicht bekannt.

Kakaowasser schmeckt zart säuerlich und erinnert auch farblich an Molke, ein bisschen Vanille und Litschi lässt sich ebenfalls erahnen. Und doch hat es mit seinem Vorgänger, dem Kokoswasser, eins gemein: Im Grunde schmeckt es nach nichts. Nicht ungut, aber auch nicht ungewöhnlich gut. Der US-Anbieter Blue Stripes verkauft sein Kakaowasser daher gleich in verschiedenen Geschmacksrichtungen wie Chili Limette, Mango oder Passionsfrucht. Damit hat man noch jedes öde Getränk aufgepeppt. Kakaowasser soll aber vor allem Heilsbringer sein für: Herz, Immunsystem, Knochen und Nerven, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Der Geschmack spielt daher nur eine untergeordnete Rolle.

Bislang hat sich das Getränk noch nicht aus den überteuerten Bio-Supermärkten in Los Angeles, New York und Seattle in Europa durchgesetzt. Dafür steht schon die nächste Sensation in den Startlöchern: Krill-Fleisch. Also ein aus den winzigen Krebstieren pürierter Fleischersatz, der auf die Pizza kommt, in den Salat oder namensgerecht auf den Grill. Angeblich super gesund. Wenn auch nicht super überraschend.

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