Für sie: Eine Art Kleid
Die Red-Carpet-Saison ist bekanntlich wieder voll im Gange, und kurz dachte man, dass sich ein nagelneuer Trend durchsetzt, nämlich der Ich-mops-Dir-die-Show-Look. Jada Pinkett Smith machte es mit einem ausladenden dunkelgrünen Abendkleid bei den Oscars, und John Legends Gattin Chrissy Teigen, die eigentlich sowieso wegen Boshaftigkeit in den sozialen Medien gecancelt wird, am Sonntag bei den Grammys, mit einer Taftwolke in Pink. Das Konzept ist einfach: Sorge mit einem gigantischen Stoffberg dafür, dass der eigentliche Protagonist des Abends an deiner Seite plötzlich ganz klein aussieht. Aber dann schlurften Hailey und Justin Bieber beim Musikpreis auf den roten Teppich, als Antithese: Das Model Hailey, dessen Erfolg irgendwie ohnehin auf einem faszinierend blutleeren Vibe zu basieren scheint, stellte sich freiwillig in den Schatten ihres Mannes. Das, was sie trug, war wahrscheinlich ein Kleid, wirkte aber wie ein Bettlaken, in das sich fröstelnde Frauen nach Beischlaf in Hollywood-Filmen immer so süß einwickeln, wenn sie aufstehen. Über die Biebers wird viel gelästert, es gibt jede Menge Videomaterial, wo er ihr die Autotür vor der Nase zuknallt, sie anschreit oder sie einfach irgendwo vergisst, während er mit seinem Skateboard Richtung Sonnenuntergang skatet. Bisschen mehr Mühe hätte sich Hailey aus Eigeninteresse aber ja wohl trotzdem geben können. Was lässt sich aus diesen Extremformen der Begleiterinnen-Mode also rauslesen? Die Ehe tut manchen Frauen irgendwie gar nicht so gut.
Für ihn: Eine Art Witz
Sieht man sowas an einem guten Tag, denkt man vielleicht Versöhnliches wie: Toll, dass in der Mode heute alles möglich ist und es dabei nicht mehr so um Schönheit und Akkuratesse geht. An einem weniger guten Tag möchte man ins Daybed beißen, weil man das alles nicht mehr begreift. Und das dringende Gefühl hat, dass bei den Fashiontrends zuletzt viel verloren gegangen ist, allen voran so was wie Menschenverstand. Also bitte, ein stets kindlich wirkender Popstar kommt in einem Anzug zu den Grammys, der aussieht wie aus einer 90er-Jahre-Komödie mit Arnie entwendet oder eben Papas Kleiderschrank. Ja, oversized und Pipapo, das kann sorgsam dosiert gut aussehen. Kann aber auch einfach mal nicht gut aussehen. Anders gesagt - man kann diesen XXL-Look abfeiern, wie es nicht wenige getan haben, aber das hat dann mehr mit Abfeiern zu tun als mit Stilbewusstsein und Ästhetik. Immerhin: Die bizarren Biker-Crocs an seinen Füßen (alles natürlich von Balenciaga) wurden von den schleifenden Hosenbeinen mehrheitlich verdeckt. Wenn man wenigstens glauben könnte, dass sich das Paar einen Jux gemacht hätte, im Sinne von: "Haha, ich hänge mir ein Gigantensakko über, und du wickelst dich ins Betttuch, dann schauen wir, was die Trottel sagen." Aber ironische Reflexion und Witze auf eigenen Kosten sind den volltätowierten Superindividualisten ja eher fremd, da steckt alles immer voll tiefer Botschaft und Entfaltungswille. Warum hat Justin Bieber nicht noch einen riesigen, schwarzen Herrenhut aufgesetzt? Weil er dann wie ein Sekten-Hardliner ausgesehen hätte? Die Flip-Mütze ist jedenfalls wie ein Stöpsel, mit dem man aus dieser lauwarmen Badewanne das Wasser lassen kann.

