Ladies & Gentlemen:Die Krisen-Garderobe

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: Mandel Ngan/AFP, Ludovic Marin/AFP)

Emmanuel Macron steigt ins Rebellen-Outfit, und Jill Biden tut so, als wäre alles nicht so schlimm: Über die Mode nach Niederlagen.

Von Julia Werner, Max Scharnigg

Für sie: Die Krise pfiffig überspielen

Jill Biden ist gerade auf dem Cover der US-Vogue, genauso wie 2021, als sie mit ihrem Mann ins Weiße Haus einzog. Damals stellte das Blatt die First Lady allerdings noch als Dr. Jill Biden vor. Der Titel ist jetzt weg, die 73-Jährige gilt nicht mehr als eigenständige Lehrerin, sondern, wie jede Ehefrau, nur noch als wichtigste Beraterin ihres Ehemanns. Seit dem verstotterten TV-Duell mit Trump und dem anschließenden Familientreffen in Camp David ist sie deswegen jetzt ein Bösewicht: Wie kann man dem Präsidenten nur empfehlen, einfach weiterzumachen, als wäre nichts gewesen? Schlägt nicht jede verantwortungsvolle Ehefrau ihrem Mann irgendwann nachts um halb drei das Bierglas aus der Hand, wenn er nur noch lallt?

(Foto: Mandel Ngan/AFP)

Einen Tag nach der verkorksten Debatte trug Jill Biden bei einem Wahlkampfauftritt ein Kleid, das über und über mit dem Zaunpfahl-Schriftzug „Vote“ bedruckt war. Ihre Berater hatten es vor Monaten beim Designer Christian Siriano bestellt, und jetzt kam es, als Ablenkung von möglichen Aussetzern Joe Bidens, offensichtlich gelegen. Dieses Seiden-Shiftdress mit sehr großem Schmetterlingsprint hingegen steht viel mehr für Jill Bidens Mode- und Ehestil. Solche Kleider suchen Damen aus, die im Zusammenhang mit Mode noch gerne das Wort pfiffig benutzen und Ehemann-Aussetzer aller Art in gesellschaftlichen Runden nonchalant weglachen. Aber das ist alles ja gerade eine Frage des kleineren Übels. Melania Trump verkauft unter ihrem Namen neuerdings online Tand, zum Beispiel Weihnachtsschmuck in US-Farben. Es geht also immer noch gestriger. 

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels wurde Dr. Jill Biden als Ärztin bezeichnet. Das ist falsch. Richtig ist, dass sie einen Doktorgrad in Pädagogik führt.

Für ihn: Zu cool für dieses Amt

Bei Emmanuel Macron hat man ja, im Gegensatz zum Beispiel zu Olaf Scholz, das Gefühl, man könnte ihn als Mann ganz gut lesen. Besser gesagt: Bei Macron blitzt oft so ein 19-Jähriger durch, der jedem Mann noch irgendwie bekannt vorkommt. Einer eben, der gerne bisschen Held spielt, bei den Kids im Park spontan mitkickt, sich über den steifen Kellner lustig macht und der ab und an Mist baut, aber halt charmant. Nun sieht es allerdings aus, als ob der 19-jährige Präsident mit seiner Schnapsidee nicht mehr charmant durchkommen würde, sondern sich stattdessen selbst einen Platzverweis erteilt hat.

(Foto: Ludovic Marin/AFP)

Bauchlandung vor lauter Selbstbewusstsein, auch das gehört zum festen Repertoire eines Jungmannes. Typische Halbstarken-Reaktion auf so eine Pleite wäre: aufs Motorrad setzen und trotzig wegrasen. Irgendwohin fahren, sich betrinken und darauf warten, dass jemand (Freundin/Mama) sagt, dass man bitte wieder zurückkommen soll. Macrons Outfit am Tag nach der historischen Schlappe seiner Partei drückte genau diesen Wunsch aus: Niederlage, was? Egal, ich hau’ eh ab! Macht doch euren Camembert allein, ich bin nämlich ein einsamer Wolf. Lederjacke, festes Schuhwerk und eine peinlich enge Jeans, die wohl schon länger ungetragen im Schrank lag – das ist der wahre Emmanuel, jenseits der Politik. Präsident, pffft, total uncool, jetzt beginnt endlich wieder die geile Zeit. Was heißt Peter Maffay auf Französisch? Egal, genauso sehen jedenfalls ehemalige Präsidenten jeden Alters aus, wenn sie Jahre nach ihrem Abgang von Reportern zu Hause besucht werden, für einen versöhnlichen Rückblick, oder so.

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