Internationales Designfestival:"Ikea ist eine Katastrophe"

Mit teils markigen Sprüchen und charmanten Ideen versucht der Nachwuchs auf dem Internationalen Designfestival in Berlin, auf sich aufmerksam zu machen. So richtig anders als bei Ikea sieht das am Ende zwar auch nicht aus - aber Hauptsache, das ökologische Bewusstsein ist ein besseres. Ein Ausstellungsrundgang.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

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Internationales Designfestival in Berlin

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Mit teils markigen Sprüchen und charmanten Ideen versucht der Nachwuchs auf dem Internationalen Designfestival in Berlin, auf sich aufmerksam zu machen. So richtig anders als bei Ikea sieht das am Ende zwar auch nicht aus - aber Hauptsache, das Bewusstsein ist ein anderes. Ein Ausstellungsrundgang.

Wie werden wir in Zukunft wohnen, uns einrichten, zur Arbeit fahren - und wie sieht unser Salatbesteck dann aus? Das sind die Fragen, mit denen sich der Design-Nachwuchs so beschäftigt. Aktuelle Ergebnisse gibt es noch bis Sonntag auf dem Internationalen Designfestival auf dem Gelände des Flughafen Tempelhof zu begutachten. So viel sei vorab schon mal verraten: Die Farbe Gelb, Pastelltöne sowie der Stil der 60er Jahre bleiben uns anscheinend noch eine Weile erhalten.

Im Bild: Eine Gruppe junger Designer baut einen Ausstellungs-Wohnwagen auf.

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Insgesamt etwa 500 Designer aus 30 Ländern, Firmen und Hochschulen stellen ihre Ideen, Konzepte, Prototypen und Kunstprojekte auf mehr als 10.000 Quadratmetern in den Hangars aus, dazu werden Workshops und Gesprächsrunden angeboten. Gastland in diesem Jahr: Polen.

40 Präsentationen von polnischen Designstudios, Unternehmen und Fachhochschulen sollen zeigen, dass aus Deutschlands Nachbarland weitaus mehr zu erwarten ist als das ewige Autoklau-Klischee glauben machen will. Mit aufblasbaren Blechmöbeln, gehäkelten oder personalisierbaren Möbeln treten die Kreativen den Beweis an, dass bei polnischem Design neben Innovation oft eine ordentliche Portion Humor zu erwarten ist. Da wird aus dem Frühstücksteller am Rand ein Loch geschnitten, um Platz und Halt für das Frühstücksei zu schaffen, oder das Geschirr wird beim Fertigen gerade so unfertig hergestellt, dass kleine Schönheitsfehler wirken, als seien sie Essensreste auf dem Teller - aus Keramik.

Im Bild: Der kleine Antony spielt mit dem Kunstwerk seines Vaters, Designer Jakub Szczesny. "Warschauer Traum" enstand in Anlehnung an das Mobilé des Sohnes.

Designfestival Berlin

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Dass das alles recht schmuck wirkt und nicht nur innovativ, zeigt, wie hoch der Standard ist, auf dem die Designer hier miteinander konkurrieren. Das Designfestival hat sich mittlerweile zum Pubilkumsmagneten entwickelt. Im vergangenen Jahr besuchten etwa 35.000 Design-Interessierte die Ausstellung. Schönheit und Nützlichkeit miteinander zu verbinden, ...

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... und dabei immer wieder Neues zu erschaffen, das ist das Anforderungsprofil an die Jungdesigner. Sie müssen aufpassen, nicht nur immer wieder in anderem Gewand zu verkaufen, was vor ihnen schon zig andere erdacht haben. Unter den Überschriften "New Talents" und "Nachhaltigkeit"  zeigt deshalb - leider in der hintersten Ecke der Ausstellungsräume - der Design-Nachwuchs, worum er sich größere Gedanken macht und dass er nicht als Dienstleister für die Industrie missverstanden werden will.

Im Bild: Besucher betrachten eine flauschige Lampe gigantischen Ausmaßes der Strzeminski Academy of Fine Arts Lodz/Polen

Designfestival Berlin

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"Ikea ist für mich kein Möbelhaus, sondern eine der größten ökologischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts", ärgert sich etwa Designer Sven Ricken über fehlendes Umweltbewusstsein von Herstellern wie Käufern. Er findet: "Nachhaltige Produkte sollen auch Menschen ansprechen, die kein ökologisches Bewusstsein haben." Ricken präsentiert Altglas-Flaschen, aus denen er - mit den Überresten alter Kirchenbänke als Sockel - so außergewöhnliche wie schlicht-schöne Lampen gefertigt hat.

Im Bild: Besucher auf Designer-Liege        

Designfestival Berlin

Quelle: Philip Schnurr

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"Das gute Beispiel ist nicht eine Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen, es ist die einzige" - unter diesem Motto, das Albert Schweitzer zugeschrieben wird, zeigen die Jungdesigner unter anderem Schnuller, die nach Gebrauch in die Erde gepflanzt werden können und sich dort selbst zersetzen. Oder ein Pfandsystem für Stofftaschentücher inklusive Reinigungsservice, das den Verbrauch von Wasser, Energie und Rohstoffen mindern soll. Es sind die kleinen, einfachen und dadurch eingängigen Ideen, die den Besucher überzeugen sollen. Dabei wird das Rad nicht neu erfunden. Aber es ist erfrischend zu sehen, wie viele Jungdesigner ihre Aufgabe ernst nehmen und sich - bei aller Notwendigkeit, auch mit künstlerischem Anspruch Geld verdienen zu müssen - weigern, allein als Erfüllungsgehilfen der Konsummaximierung zu dienen.

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Bei den arrivierteren Ausstellern ist dann viel von dem zu sehen, was bereits auf dem Markt ist, nur in ausgefeilterer Form. Die Farbe Gelb etwa, in knallig oder auch Neon, die aktuell auch schon wieder bei Ikea zu finden ist, die bereits seit zwei Jahren in Mode und Design angesagten Pastell- und Eiscremefarben, und das typische Design der 60er Jahre mit seinen organischen Formen und den abgerundeten Ecken. All das ist auch hier allerorten wiederzufinden. Es kommen dann noch Details in Design oder Funktionalität hinzu, wie bei diesen Stühlen (im Bild) die Idee, Armlehnen vermeintlich falsch herum zu befestigen, so dass sie zum Sitz hin offen sind. Die Besucher begutachten diese Sitzmöbel erstaunt, fasziniert und manchmal ein wenig ratlos. 

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Das "Vinysess Lounge Set" von Designer Lieven Hendrickx hat anstelle der Armlehne gleich einen Plattenspieler. Auch Design-Ideen, die nicht nur dem einzelnen Käufer, sondern der Allgemeinheit zugute kommen können, werden ausgestellt - auch wenn nicht alle brandneu sind.

Etwa die Idee eines Flaschen-Ringes für öffentliche Abfalleimer, mit dessen Hilfe generöse Passanten ihre Pfandflaschen ohne großes Aufhebens draußen abstellen und notleidende Flaschensammler diese einfach abholen können - ohne den Müll durchwühlen zu müssen. Eine typische Win-Win-Situation dank einer schlichten Gestaltungsidee - und ein gutes Beispiel dafür, wie Design den Alltag verändern und manchmal auch verbessern kann.

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Quelle: Philip Schnurr

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In einigen Fällen geht es aber einfach nur darum, schöner, komfortabler und außergewöhnlicher abhängen zu können, ob in den eigenen vier Wänden oder in fremden. Was ebenfalls eine nachvollziehbarer Gedankengang ist (im Bild: Besucher beim Ausruhen).

Wie man Nachhaltigkeits- und Recycling-Gedanken mit Mode und dann auch noch mit der anhaltenden Retro-Welle verknüpft, machen die Jungdesigner Tobias Kruschhausen und Matthias Gottwald vor: Unter dem Label "Roststoff" bietet das Duo aus Stuttgart unter den staunenden Augen der Besucher rostige T-Shirts an. Bedruckt sind sie mit Retro-Motiven just jener alter Schätzchen, aus dessen Rost die Druckfarbe hergestellt wurde, u.a. ein Mercedes, ein Käfer oder ein Mini aus den 60er Jahren oder andere Klassiker aus rostigem Metall, wie etwa die Kronkorken der Lieblingsbiermarke. "Rost benutzt man schon seit Jahrhunderten zum Färben und Bedrucken von Textilien. Wir wollten die Idee wiederaufleben lassen", so Kruschhausen.

Neu belebt wird am Stand nebenan auch das Berlin-typische Plattenbau-Styling. Unter dem Motto "Wohnsinn in der Platte" werden 50er und 60er-Jahre-Interieurs so umgestaltet, dass sie nicht nur für jeden Gedlbeutel zu haben sind, sondern sich auch hinter aktuellen Designerstücken nicht mehr verstecken müssen. Von August 2013 an sollen die witzigen Ideen unter www.jeder-quadratmeter-du.de zum Download bereitstehen, um das Selbermachen ausgefallener Möbel zum kleinen Preis zu ermöglichen.

Internationales Designfestival in Berlin

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Welches Design bereits zum Verkauf angebotener Alltagsgegenstände wie Gartenscheren, Autos oder Dunstabzugshauben in den Augen der Jury im Design so wertvoll und wegweisend oder so formschön ist, dass es den offiziellen Designpreis der Bundesrepublik Deutschland verdient hat, das wurde am am Freitagabend auf dem Designfestival in Berlin bekanntgegeben.

Die DMY Awards 2013 wurden in den Kategorien "New Talent", "Exhibitor" und "Education" vergeben an:

Philipp Weber - New Talent DMY Award 2013/Jan Lutyk - Exhibitor DMY Award 2013/FH Potsdam - Education DMY Award 2013.

Der Design-Preis gilt als die höchste Auszeichnung in den Bereichen Produkt- und Kommunikationsdesign und wird seit 1969 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vergeben. Die feierliche Preisverleihung ist dann am 12. September in Berlin.

Im Bild: Nominierte Design-Preis-Objekte.

Das Internationale Designfestival ist noch bis Sonntag, 9. Juni, geöffnet. Weitere Infos: www.dmy-berlin.com

© Süddeutsche.de/rus/leja
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